Praxishandbuch DSGVO. Tobias Rothkegel
Historie, Sinn und Zweck der einschlägigen Bestimmungen der DSGVO pauschal davon auszugehen, dass eine Einwilligung nicht freiwillig sei, wenn sie ein nicht verhandelbarer Teil von Geschäftsbedingungen ist.456 Dass diese Meinung nicht richtig sein kann, zeigen die Absätze 2 und 4 in Art. 7 DSGVO.
c) Erteilung für den bestimmten Fall
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Das Erfordernis der Erteilung der Einwilligung für den bestimmten457 bzw. konkreten458 Fall bringt wie schon nach der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG459 zum Ausdruck, dass eine pauschale Einwilligung ohne Angabe des Zwecks der Verarbeitung unzulässig ist. Eine Einwilligung kann grundsätzlich zwar für mehrere Verarbeitungsvorgänge und -zwecke gelten,460 sie muss aber genau umrissene Konstellationen aufzeigen und eingegrenzt werden auf das, was in Bezug auf den jeweiligen Zweck erforderlich und angemessen ist.461 Damit ist die Generaleinwilligung, welche von vornherein und unspezifisch alle vom Verantwortlichen verfolgten rechtmäßigen Zwecke abdecken soll, ebenfalls unwirksam.
d) Transparenzgebot
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Die Einwilligung muss in informierter Weise, d.h. in Kenntnis der Sachlage abgegeben werden. Den um eine Einwilligung ersuchenden Verantwortlichen trifft sowohl mit Blick auf den Gehalt als auch auf die Qualität der zu erteilenden Informationen ein Transparenzgebot.
aa) Notwendige Inhalte der Information
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Die betroffene Person sollte „mindestens wissen, wer der Verantwortliche ist und für welche Zwecke ihre personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen“.462 Wenn mehrere (gemeinsame) Verantwortliche von der Einwilligung begünstigt werden oder beabsichtigt ist, Daten an Dritte weiterzugeben, gehören diese Umstände ebenso zum Informationsprogramm wie genauere Angaben zum weiteren Begünstigten bzw. Datenempfänger (Name/Firma, Adresse) und zu dessen Verarbeitungszwecken.463 Aufgeklärt werden sollte ferner über die Art der zu verarbeitenden Daten, die Dauer und die Modalitäten der Verarbeitung, das Bestehen eines Widerrufsrechts, gegebenenfalls Informationen über die Verwendung der Daten für eine automatisierte Entscheidungsfindung gemäß Art. 22 Abs. 2c DSGVO, Angaben zu möglichen Risiken von Datenübermittlungen ohne Vorliegen eines Angemessenheitsbeschlusses und ohne geeignete Garantien gemäß Art. 46 DSGVO sowie über mögliche Folgen der Verweigerung der Einwilligung.464
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Diese Informationen müssen die betroffene Person in die Lage versetzen, die Konsequenzen einer von ihr erteilten Einwilligung leicht zu bestimmen.465 Hinsichtlich der einzelnen Datenarten erscheint eine nicht zu kleinteilige Beschreibung der zu verarbeitenden Daten als genügend, um das Informationsbedürfnis zu erfüllen und Verständnis bei der betroffenen Person zu wecken, anstatt mit detailverliebter Überinformation das Gegenteil zu erreichen.466 Eine zu allgemeine, nicht abschließende und rein beispielhafte Aufzählung von betroffenen Daten und Verarbeitungszwecken würde wiederum nicht ausreichen, so dass die Vorformulierung einer Einwilligungserklärung eine Gratwanderung darstellen kann, bei der die richtige Balance zwischen der adäquaten Informationstiefe auf der einen und der gebotenen Klarheit und Verständlichkeit auf der anderen Seite zu finden ist.
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Fraglich ist, ob für eine wirksame Einwilligung in Kenntnis der Sachlage zusätzlich die Mitteilung aller weiteren Pflichtinformationen gemäß Art. 13 und Art. 14 DSGVO erforderlich ist. Dagegen spricht der Umstand, dass Erwägungsgrund 42 S. 4 zur DSGVO Mindestanforderungen an den Inhalt der Einwilligung formuliert.467 Der EuGH hingegen erachtet eine „Information über alle Umstände im Zusammenhang mit der Verarbeitung der Daten“ als geboten.468 In Einwilligungsformularen empfiehlt sich in Ergänzung zu den Mindestangaben daher wenigstens ein Verweis auf weitere Informationen in den Datenschutzhinweisen gemäß Art. 13 und Art. 14 DSGVO.
bb) Art und Weise der Informationserteilung
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Hinsichtlich der Art und Weise der Informationserteilung ist darauf zu achten, keinen Jargon, sondern eine möglichst einfache und deutliche Sprache zu verwenden und die Information so zur Verfügung zu stellen, dass die betroffene Person vor der Einwilligungserteilung in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen kann. Der Einwilligungsinhalt muss für den jeweiligen Durchschnittsadressaten und nicht nur für Rechtsanwälte leicht zu verstehen sein.469 Zu vermeiden sind:470
– versteckte oder nach Art und Größe der Schrift sehr unauffällig gestaltete Einwilligungen,
– komplexe Sprach- und Satzstrukturen,
– lange Fließtextpassagen ohne auflockernde Einzüge und Aufzählungszeichen,
– Verwendung der Passiv- anstatt der Aktivform,
– übermäßige Substantivierung,
– doppelte Verneinungen,
– mehrdeutige, abstrakte oder fremdsprachliche Begrifflichkeiten.
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Transparenz wird durch mehrschichtige Hinweise nicht behindert, sondern gefördert. Denn der Mehrebenenansatz überbrückt das Spannungsfeld zwischen Vollständigkeit und Verständnis und beugt dem Phänomen der Informationsermüdung vor, indem er den Betroffenen ermöglicht, zunächst einmal nur den Teil der Erklärung direkt wahrzunehmen, der wesentlich ist und dementsprechend wenigstens gelesen werden sollte.471 Zwar ist die Möglichkeit zur Kenntnisnahme ausreichend, da nicht schutzwürdig ist, wer sie aus mangelndem Interesse auslässt.472 Die Information muss nach den Gesamtumständen aber überschaubar bleiben und demjenigen, der grundsätzlich zu einer sachlichen Befassung mit Inhalt und Umfang der Einwilligungserklärung bereit ist, die Möglichkeit einer realistischen Prüfung eröffnen, ohne die Gefahr einer vorschnellen Einwilligung zu begründen.473 Letzteres kann insbesondere angenommen werden, wenn die Gestaltung der Einwilligungserklärung etwa durch extrem verschachtelte Darstellung oder künstliche Erstreckung über mehrere Seiten darauf angelegt ist, die betroffene Person zu verleiten, den hohen und außer Verhältnis stehenden Aufwand der Informationsbeschaffung zu meiden und uninformiert einzuwilligen. Vor die Wahl gestellt, bevorzugen Verbraucher kurze Einwilligungstexte mit weiteren Erläuterungen in Pop-Up-Fenstern oder Info-Layern gegenüber Einwilligungsvarianten, in denen der Erläuterungstext schon auf erster Ebene angezeigt wird.474
e) Einwilligungen als Gegenstand von AGB
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Die vorformulierte Einwilligung unterliegt an sich der AGB-Inhaltskontrolle. Das galt nach der deutschen Rechtsprechung schon bisher jedenfalls immer dann, wenn sie im Zusammenhang mit einer Sonderverbindung wie einem Vertragsverhältnis oder einem Gewinnspiel eingeholt worden ist.475 Die DSGVO sieht nur in Erwägungsgrund 42 S. 3 vor, dass sich die vorformulierte Einwilligungserklärung gemäß der Richtlinie 93/13/EWG am Transparenzgebot messen lassen und keine missbräuchlichen Klauseln beinhalten sollte. Vor diesem Hintergrund richtet sich die AGB-rechtliche Überprüfung nach den jeweiligen nationalen Vorschriften.476 Die vorformulierte Einwilligung kann selbst auch Teil von allgemeinen Geschäftsbedingungen sein, die noch andere Sachverhalte betreffen, Art. 7 Abs. 2 DSGVO.
aa) Inhaltskontrolle
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Gegenstand einer Inhaltskontrolle vorformulierter Einwilligungserklärungen ist zum einen die Frage, ob sie in verständlicher und leicht