Praxishandbuch DSGVO. Tobias Rothkegel
ob sie die betroffene Person nicht entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen beachteiligen.478
Beispiel
Eine unangemessene Benachteiligung ist nach der deutschen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) angenommen worden, wenn vorformulierte Einwilligungserklärungen nicht mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wurde, zu vereinbaren waren. Prüfungsmaßstab bildeten insoweit die gesetzlichen Regelungen der §§ 4, 4a und 28 BDSG a.F. sowie die bereichsspezifischen Bestimmungen in §§ 12ff. TMG, §§ 95ff. TKG und § 7 UWG.479 Es liegt daher nahe, dass eine Inhaltskontrolle in Fällen seit dem 25.5.2018 neben der Überprüfung auf hinreichende Transparenz und Bestimmtheit im Wesentlichen auf die Frage fokussiert sein wird, inwieweit AGB-Einwilligungstexte mit wesentlichen Grundgedanken der DSGVO bzw. den jeweiligen bereichsspezifischen Regelungen nicht mehr zu vereinbaren sind.480
279
Auf dem Gebiet der Transparenzkontrolle von besonderer praktischer Relevanz ist die auf der Richtlinie 93/13/EWG fußende und in Deutschland sog. Unklarheitenregel, wonach Zweifel bei der Klauselauslegung zulasten des Verwenders gehen.481 Auch aus diesem Grunde ist die Verwendung mehrdeutiger Begrifflichkeiten unbedingt zu vermeiden.
bb) Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen
280
Eine schriftliche Einwilligungserklärung kann zusammen mit Erklärungen abgefragt werden, die andere Sachverhalte betreffen.482 Damit ist etwa eine Integration in AGB für Vertragsschlüsse möglich. Das Ersuchen um die Einwilligung muss dafür gemäß Art. 7 Abs. 2 S. 1 DSGVO aber den Transparenzanforderungen (Verständlichkeit, leichte Zugänglichkeit, klare und einfache Sprache) entsprechen und klar von den anderen Sachverhalten zu unterscheiden sein.483 Dies könnte in der Praxis durch eine grafische Trennung oder wie nach altem deutschen Recht484 durch Hervorhebung (z.B. Fettdruck, Großbuchstaben, Umrahmung) umgesetzt werden.485 Da eine Einwilligung in die Datenverarbeitung aber zumindest in Deutschland als sog. überraschende Klausel eines Vertragswerks aufgefasst werden könnte, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags so ungewöhnlich ist, dass der Vertragspartner des AGB-Verwenders nicht mit ihr zu rechnen braucht,486 ist zu empfehlen, bereits in die AGB-Überschrift einen deutlichen Hinweis aufzunehmen, dass eine Einwilligung in die Datenverarbeitung enthalten ist (z.B. „AGB inkl. Einwilligung in die Datenverarbeitung“).487
281
Soweit Art. 7 Abs. 2 S. 1 DSGVO eine „schriftliche“ Erklärung verlangt, ist übrigens keine Schriftform gemeint. Dieser Schluss lässt sich daraus ziehen, dass der Verordnungsgeber davon ausgeht, dass schriftliche Erklärungen „auch elektronisch erfolgen“ können.488
cc) Unverbindlichkeit/Blue-Pencil-Test
282
Hält die vorformulierte Einwilligungserklärung einer Inhaltskontrolle nicht stand, sind jedenfalls die betroffenen Teile der Erklärung nicht verbindlich.489 Es gilt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, wonach der nationale Richter nicht befugt ist, missbräuchliche Klauseln inhaltlich abzuändern und auf das gerade noch zulässige Maß zurückzuführen.490
283
In Deutschland ist diese der Abschreckung dienende Rechtsfolge allerdings insoweit entschärft worden, als die höchstrichterliche Rechtsprechung im Grundsatz von der Teilbarkeit einer Klausel in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ausgeht. Finden sich nämlich in ein und derselben Klausel mehrere inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen, kann ein wirksamer Teil bestehen bleiben, soweit er auch dann noch sinnvoll und verständlich bleibt, wenn der unwirksame Teil gestrichen wird, sog. Blue-Pencil-Test.491
Praxishinweis
Auch wenn gegen die nationale Rechtsprechung zur inhaltlichen Teilbarkeit von AGB-Klauseln unionsrechtliche Bedenken geäußert werden,492 ist der Praxis zu empfehlen, die Chance der Rettung einer Einwilligungsklausel durch den blauen Stift nicht von vornherein ungenutzt zu lassen und bei der Gestaltung auf kurze, eigenständige und in sich schlüssige Abschnitte zu setzen anstatt auf alles verbindende Bandwurmsätze.
f) Widerruflichkeit
284
Eine einmal erteilte Einwilligung in die Datenverarbeitung muss jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden können. Das ist nicht nur eine Voraussetzung für die Freiwilligkeit der Einwilligung.493 Es wird in Art. 7 Abs. 3 DSGVO auch ausdrücklich als Recht der betroffenen Person ausgewiesen, über das vor Abgabe der Einwilligung belehrt werden muss. In der Praxis ist es ratsam, vorsorglich gemäß der Normüberschrift von einer echten Bedingung und damit bei fehlender Belehrung von der Unwirksamkeit der Einwilligung auszugehen. Vorsorglich deshalb, weil eine systematische Gesetzesauslegung insoweit zu keinem eindeutigen Ergebnis führt. Denn jedenfalls die Nichteinhaltung der inhaltlich gleichen Informationspflicht in § 13 Abs. 2c DSGVO bzw. § 14 Abs. 2d DSGVO führt nicht zur Unwirksamkeit der Einwilligung, weil § 6 DSGVO für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung auf die §§ 13 und 14 DSGVO nicht Bezug nimmt.494 Allerdings dürfte Unternehmen das bei Verstoß in jedem Fall drohende Bußgeld von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes495 Ansporn genug sein, die Belehrung über die Widerruflichkeit als unverzichtbaren Bestandteil in jede vorformulierte Einwilligungserklärung fest zu verankern.
285
Der zwingenden Widerruflichkeit von Einwilligungen könnte bei Vertragsverhältnissen, in denen Nutzungsrechte an personenbezogenen Daten die Gegenleistung etwa für den Zugang zu digitalen Inhalten496 darstellen, ein entsprechender schuldrechtlicher Anspruch auf Erteilung entgegen stehen.497 Fraglich ist, ob der Widerruf einer Einwilligung nach Treu und Glauben ausnahmsweise ausgeschlossen sein kann, wenn die Erteilung Hauptpflicht oder wesentlicher Inhalt eines Vertrages ist.498 Klärung wird die Rechtsprechung bringen. Diese Unwägbarkeit ist aus Praktikersicht aber ein weiterer Grund, Datenverarbeitungen in diesem Umfeld wenn möglich auf Art. 6 Abs. 1 S. 1b DSGVO und allenfalls zusätzlich auf eine Einwilligung zu stützen.
286
Soweit vorsorglich auch eine Einwilligung als Rechtsgrundlage für eine vertraglich erforderliche Verarbeitung bemüht wird, muss jedoch von vornherein darauf hingewiesen werden, dass der Widerruf dazu führt, dass die geschuldete Leistung nicht mehr erbracht werden kann. Sollte man den Ausschluss nach Treu und Glauben nicht zulassen, kann der Widerruf einer Einwilligung daher die Wirkung einer Vertragskündigung haben, wenn die von ihr gerechtfertigte Datenverarbeitung für die Vertragserfüllung unerlässlich ist. Anderenfalls wäre der Widerruf faktisch wirkungslos, weil die weitere Verarbeitung über Art. 6 Abs. 1 S. 1b DSGVO legitimiert werden kann. Auch um den Betroffenen in solch einer Konstellation nicht über die Beachtlichkeit seiner Einwilligung zu täuschen,499 sollte aber stets auf die gegebenenfalls ausbleibende Folge des Widerrufs hingewiesen werden:
Beispiel
„Sie können Ihre Einwilligungen jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, soweit die betroffene Datenverarbeitung für die Vertragserfüllung nicht erforderlich ist.“
287
Über das Zusammenspiel der Rechtsgrundlagen muss gemäß Art. 13 Abs. 1c bzw. Art. 14 Abs. 1c DSGVO informiert werden. Ein Rückgriff auf die Rechtsgrundlage des berechtigten Interesses gemäß Art. 6 Abs. 1f DSGVO kommt nach Widerruf einer Einwilligung allerdings nicht in Betracht.500 Eine Interessenabwägung wird nicht zu Gunsten des Verantwortlichen ausfallen,