Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet. Timo Handel
GRUR-Prax 2012, 229. 134 Sievers, GRUR-Prax 2012, 229, 230. 135 Vgl. auch Chmelík, Social Network Sites, S. 48, der ausführt, dass dem Social Sharing die Gefahr immanent ist, „dass auch rechtswidrige Inhalte eingestellt und geteilt werden“. 136 Pille, Meinungsmacht sozialer Netzwerke, S. 132. Zu Internetforen bzw. Meinungsforen vgl. Roggenkamp/Stadler, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 10 Rn. 556ff. 137 Pille, Meinungsmacht sozialer Netzwerke, S. 132. 138 Pille, Meinungsmacht sozialer Netzwerke, S. 132. 139 Pille, Meinungsmacht sozialer Netzwerke, S. 132. 140 Was passieren kann, wenn der Zugang für Nutzer in Bezug auf eine private Feier nicht beschränkt wird, zeigte ein Fall aus dem Jahr 2011, der als „Facebook-Party“ bekannt wurde, siehe DER SPIEGEL, Festnahmen und Verwüstungen bei Thessas Feier, abrufbar unter http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/facebook-party-festnahmen-und-verwuestungen-beithessas-feier-a-766576.html, zuletzt abgerufen am 29.12.2020. 141 Vgl. Lichtnecker, GRUR 2013, 135, 136. 142 Pille, Meinungsmacht sozialer Netzwerke, S. 139. 143 So jedenfalls bei Facebook. 144 Nach Pille, Meinungsmacht sozialer Netzwerke, S. 126, handelt es sich bei sozialen Netzwerken um „All-in-One-Medien“, welche „jene Kommunikationsprozesse, die früher auf verschiedene eigenständige Anwendungen oder Portale im Internet verteilt waren“ zu einem Angebot bündeln. 145 Piltz/Trinkl, in: Hoeren/Bensinger, Haftung im Internet, Kap. 13 Rn. 7. 146 KEK, 5. Konzentrationsbericht, S. 271. 147 Pille, Meinungsmacht sozialer Netzwerke, S. 125; KEK, 5. Konzentrationsbericht, S. 271. 148 Vgl. auch Jandt/Roßnagel, MMR 2011, 637. 149 Lober, GRUR-Prax 2010, 453; Paal, GRUR 2013, 873, 880. 150 Vgl. aus tatsächlicher Sicht KEK, 5. Konzentrationsbericht, S. 271, wonach Twitter „im Grundsatz auch zu den sozialen Netzwerken gezählt werden“ kann. Anders aber Chmelík, Social Network Sites, S. 40, der Twitter nicht als soziales Netzwerk, sondern als Microblogging- bzw. Kurznachrichtendienst einordnet, da das Angebot von Twitter eine andere Interessenlage der Nutzer befriedige als z.B. Facebook.
B. Hassbotschaften, Hate Speech und Hassrede
Soziale Netzwerke stehen besonders wegen ihres Löschverhaltens in Bezug auf sog. Hassbotschaften, Hate Speech und Hassrede in der Kritik. Diese Kritik war auch Anlass zur Schaffung spezieller Compliance-Pflichten mit dem NetzDG, das in Kapitel 7 ausführlich behandelt wird. Zum besseren Verständnis soll deshalb zunächst ein Überblick darüber gegeben werden, was mit den Begriffen Hassbotschaften, Hate Speech und Hassrede, die Synonyme für dasselbe Phänomen sind, gemeint ist.
Unter Hassbotschaften, Hate Speech und Hassrede werden grundsätzlich „jegliche Ausdrucksformen, welche Rassenhass, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder andere Formen von Hass, die auf Intoleranz gründen, propagieren, dazu anstiften, sie fördern oder rechtfertigen, einschließlich der Intoleranz, die sich in Form eines aggressiven Nationalismus und Ethnozentrismus, einer Diskriminierung und Feindseligkeit gegenüber Minderheiten, Einwanderern und der Einwanderung entstammenden Personen ausdrücken“, verstanden.151 In Abgrenzung zur bloßen Diskriminierung liegen Hassbotschaften vor, „wenn die Äußerung nicht der bloßen Darstellung der eigenen Meinung, sondern dem Aufstacheln und dem Aufruf Dritter oder der Öffentlichkeit dient“.152
Dabei darf aber nicht aus dem Blick verloren werden, dass Aggressivität und Hass an sich nicht verboten, sondern sogar weitreichend verfassungsrechtlich geschützt sind.153 Insbesondere sind jedenfalls zunächst auch solche Meinungsäußerungen vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst, die „sich gezielt gegen eine Minderheit richt[en]“ und einen „hetzerischen und möglicherweise offen rassistischen Gehalt aufweisen“.154 Der Begriff der Hassbotschaften bzw. Hate Speech ist deshalb ein Begriff, der über rein juristische Dimensionen hinausgeht und als politischer Begriff nicht konturenscharf ist und auch solche Aussagen erfasst, die strafrechtlich nicht zu beanstanden sind.155 Es kann deshalb keine generelle Sanktionierung von Hassbotschaften bzw. Hate Speech erfolgen. Mittels Sanktionierung können grundsätzlich allein solche Inhalte bekämpft werden, welche die Schwelle zur Strafbarkeit überschreiten und nicht mehr von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG geschützt werden. Denn eine demokratische Gesellschaft muss auch polemische und überspitzte sowie abstoßende Äußerungen ertragen können.156 Es sind gerade solche Minderheitsmeinungen, die des Schutzes der Meinungsfreiheit bedürfen. Anders als die Mehrheitsmeinung sind sie nämlich nicht gesellschaftlicher Konsens und in diesem „kulturell verankert und politisch abgesichert“.157 Auch wenn Hassbotschaften demnach in vielen Fällen keine strafrechtliche Relevanz besitzen, existiert – unbestreitbar – ein Problem mit tatsächlich strafbaren Äußerungen, denen mit den Mitteln des Rechts begegnet werden muss.158 Dort wo die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten ist, besteht bspw. nicht selten eine Strafbarkeit wegen Verbreitens von Propagandamitteln und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 und § 86a StGB), öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB), Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen (§ 166 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB), übler Nachrede (§ 186 StGB), Verleumdung (§ 187 StGB), Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) und Bedrohung (§ 241 StGB). Nicht strafbare Äußerungen hingegen können grundsätzlich allein im Wege des öffentlichen Diskurses bekämpft werden, indem solchen Äußerungen von Seiten der Gesellschaft durch Gegenäußerungen konsequent entgegengetreten wird.
151 Europarat Ministerkomitee, Empfehlung Nr. R (97) 20, S. 2, abrufbar unter http://www.egmr.org/minkom/ch/rec1997-20.pdf, zuletzt abgerufen am 29.12.2020. Vgl. auch Woger/Männig, PinG 2017, 233, 234; BT-Drucks. 17/12542, S. 18. 152 Woger/Männig, PinG 2017, 233, 234. 153 Feldmann, K&R 2017, 292, 293. 154 BVerfG, K&R 2019, 788, 789. 155 Amadeu Antonio Stiftung, Stellungnahme NetzDG-E, S. 1; vgl. auch Müller-Franken, AfP 2018, 1, 2. 156 Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 61; Kühling, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, GG Art. 5 Rn. 25. 157 Brugger, JA 2006, 687. 158 Höch, K&R 2017, 289.
C. Fake News
Ebenfalls häufig in einem Atemzug mit sozialen Netzwerken genannt werden sog. Fake News. Auch dieses Phänomen, das erstmals vor allem im Zusammenhang mit der US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 größere öffentliche Aufmerksamkeit erlangte, diente dem Gesetzgeber als Anlass zur Schaffung des NetzDG.159
Fake News können definiert werden „als gezielte Falsch- bzw. Fehlinformationen“ bzw. Desinformationen, „also bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen“,160 die verbreitet