Arbeitgeberattraktivität: Die Rolle von Work-Life-Balance und flexiblen Arbeitszeitmodellen. Carina Stiglbauer

Arbeitgeberattraktivität: Die Rolle von Work-Life-Balance und flexiblen Arbeitszeitmodellen - Carina Stiglbauer


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und das Unternehmen dargestellt.

      Wie erwähnt wird in diesem Buch zunächst die Literatur zu den Themen Arbeitgeberattraktivität, Work-Life-Balance und flexible Arbeitszeitmodelle wissenschaftlich beleuchtet. Danach wird dargelegt, welche Relevanz die von der Autorin durchgeführte Studie für die Wissenschaft und die Praxis hat, sowie das Forschungsdesign und die Forschungsmethode erläutert. Im darauffolgenden Kapitel werden die Ergebnisse der von der Autorin durchgeführten Studie, an der 709 Personen teilnahmen, dargelegt und analysiert. Die Auswertungen erfolgen auch im Hinblick auf soziodemographische Aspekte wie etwa Alter, Geschlecht, Eigenschaft als Elternteil oder derzeit ausgeübter Job. Im Anschluss daran wird noch untersucht, welche weiterführenden Untersuchungen aufgrund der Studie der Autorin durchgeführt werden könnten. Im letzten Kapitel werden die wichtigsten Erkenntnisse aus der Literatur und der von der Autorin durchgeführten Studie zusammengefasst und Überlegungen für HR-Strategien angestellt.

      Aus Gründen der Lesbarkeit wurde in diesem Werk die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

2 Arbeitgeberattraktivität

       2.1 Bedeutung der Arbeitgeberattraktivität

      Unternehmen streben grundsätzlich nach nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen, um höhere Umsätze zu erzielen und am Markt konkurrenzfähig zu sein. Human Resource Management spielt hierbei eine entscheidende Rolle, da die Auswahl der richtigen Mitarbeiter den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen kann, dies insbesondere in wissensintensiven Unternehmen (Sivertzen et al., 2013, S. 473), wie etwa Rechtsanwaltskanzleien (https://www.deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/wissensmanagement-in-anwaltskanzleien/). In solchen wissensintensiven Unternehmen sind die Arbeitnehmer und deren intellektuelle Fähigkeiten das wichtigste Gut, da diese Organisationen dem Markt anspruchsvolles Wissen und wissensbasierte Produkte verkaufen (Alvesson, 2004, S. 17). Daher sollte es für jede Organisation die oberste Priorität sein, den richtigen Kandidaten für die gewünschte Stelle zu finden (Pingle & Sharma, 2013, S. 78). Speziell die Unternehmen, bei denen es auf das Wissen ihrer Mitarbeiter ankommt, stehen aufgrund des dauerhaften Mangels an qualifiziertem Personal vor einer großen Herausforderung; sie müssen sich von anderen Unternehmen unterscheiden, um für talentierte Arbeitnehmer attraktiver zu sein (Ewing et al., 2002, S. 3). In vielen Bereichen gibt es einen regelrechten Kampf um die besten und intelligentesten Talente (Cable & Turban, 2003, S. 2244).

      Das Vorliegen eines Fachkräftemangels bestätigt auch die von der ManpowerGroup jährlich durchgeführte Studie, in der über 39.000 Arbeitgeber in 43 Ländern und Territorien befragt wurden. Die Studie zeigt, dass Unternehmen in den letzten zehn Jahren immer mehr Probleme haben, offene Stellen zu besetzen. Im Jahr 2018 hatten 45 % (in großen Unternehmen mit einer Mitarbeiteranzahl von mehr als 250 sogar 67 %) und im Jahr 2019 54 % der Organisationen Schwierigkeiten, Mitarbeiter mit den benötigten Qualifikationen und Fähigkeiten ausfindig zu machen. Die Studie aus 2018 zeigt auch den Unterschied zwischen den einzelnen Ländern. Liegt der weltweite Durchschnitt 2018, wie erwähnt bei 45 %, wird Österreich mit 46 % und Deutschland mit sogar 51 % als überdurchschnittlich schwierig angesehen. Im Gegensatz dazu ist es für Arbeitgeber in der Schweiz im weltweiten Vergleich mit einem Wert von 33 % weniger problematisch Fachkräfte zu finden. Die Teilnehmer wurden auch nach den zehn gefragtesten Fähigkeiten und Qualifikationen befragt und gaben 2018 an Stelle acht Experten wie Juristen an. 2019 fanden sich diese jedoch nicht mehr in den Top Ten, was lediglich mit einem knappen Hinweis auf die steigende Automatisierung von Routineaufgaben begründet wurde (https://www.manpowergroup.de/fileadmin/manpowergroup.de/Studien/MPG_TalentShortage2018_DE_A4_LY1.pdf und https://www.manpowergroup.de/fileadmin/manpowergroup.de/Studien/MPG_Whitepaper_TSS_2019.pdf).

      Neben dem Fachkräftemangel zeigt sich auch, dass einzelne Branchen Probleme haben, Frauen langfristig zu halten, wie etwa die Anwaltei. Für Österreich kann dies sehr gut aufgezeigt werden: Ende 2020 lag das Verhältnis zwischen Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärtern bei etwa 50 %, doch beträgt der Frauenanteil bei Rechtsanwälten lediglich 23 % (https://www.rechtsanwaelte.at/kammer/kammer-in-zahlen/mitglieder/).

      Um trotz der geschilderten Schwierigkeiten dennoch den Kampf um die besten Talente zu gewinnen, der in Zukunft ebenso schwierig sein kann wie der Wettbewerb um Kunden (Berthon et al., 2005, S. 167), investieren immer mehr Unternehmen in employer branding-Maßnahmen (Ewing et al., 2002, S. 3). Die Hauptaufgabe von employer branding besteht darin, ein Unternehmen strategisch und langfristig als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren, und zwar sowohl für potenzielle als auch für bestehende Mitarbeiter. Mitarbeiterbindung ist für Unternehmen wesentlich, da Arbeitnehmer in der heutigen Zeit häufiger ihren Arbeitsplatz wechseln als in früheren Zeiten, in denen diese lediglich zwei oder dreimal in ihrer gesamten Karriere den Job wechselten (Pingle & Sharma, 2013, S. 78ff). Dass das Thema immer mehr an Aktualität und Wichtigkeit gewinnt, kann man sowohl an den zahlreichen wissenschaftlichen Artikeln als auch an den Artikeln für Praktiker zum Thema employer branding erkennen (Edwards in Bach & Edwards, 2013, S. 389ff). Auch ist es für Unternehmen immer wichtiger, ein „Best Employer“ (Pingle & Sharma, 2013, S. 82) bzw ein „Great place to work“ zu sein, dies unabhängig von der Unternehmensgröße (Jain & Bhatt, 2015, S. 634). Dies wird deutlich durch die Vielzahl an Unternehmensauszeichnungen wie etwa die Auszeichnungen als „Bester Arbeitgeber Österreichs“ bei „Great place to work“ (https://www.greatplacetowork.com/), „trend. TOP Arbeitgeber 2020 Österreich in Kooperation mit kununu und Statistik Austria“ (https://www.trend.at/branchen/karrieren/beste-arbeitgeber-2020-oesterreich-11413746) oder „Leading Employers Österreich“ (https://www.leading-employers.at/).

       2.2 Kriterien der Arbeitgeberattraktivität

      Das Konzept von employer branding wurde zum ersten Mal von Ambler und Barrow (1996, S. 187) definiert, und zwar als das Paket aus funktionalen, wirtschaftlichen und psychologischen Vorteilen, die eine Anstellung mit sich bringt und die mit dem anstellenden Unternehmen identifiziert werden („the package of functional, economic and psychological benefits provided by employment, and identified with the employing company“). Bei employer branding geht es darum, dass man für ein Unternehmen ein Image aufbaut, damit dieses am Arbeitsmarkt als „great place to work“ wahrgenommen wird (Ewing et al., 2002, S. 12). Das Konzept von employer branding ist eng mit dem Konzept der Arbeitgeberattraktivität verbunden (Bakanauskienė et al., 2011, S. 11). Um effektive employer branding-Maßnahmen zielgerichtet planen und durchführen zu können, müssen Unternehmen die tatsächlichen Faktoren kennen, die zu Arbeitgeberattraktivität führen (Arachchige & Robertson, 2011, S. 25; Sivertzen et al., 2013, S. 475). Berthon et al. (2005, S. 151) definieren Arbeitgeberattraktivität als die Vorteile, die sich ein potentieller Arbeitnehmer vorstellt, wenn er für ein bestimmtes Unternehmen arbeitet („the envisioned benefits that a potential employee sees in working for a specific organisation“). Arbeitgeberattraktivität ist insbesondere dann von grundlegender Bedeutung, wenn Unternehmen Arbeitnehmer für sich gewinnen wollen, die höherwertige Fähigkeiten und Wissen aufweisen und dadurch dem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil geben können.

      Um Arbeitgeberattraktivität messen zu können, entwickelten Berthon et al. (2005, S. 156ff) hierfür eine Skala. Letztsemestrige Studenten einer großen australischen Universität wurden in Fokusgruppen eingeteilt und Fragen zu ihrem idealen Arbeitgeber, zu den Faktoren, die sie als wichtig erachteten, wenn sie potenzielle Arbeitgeber in Betracht zogen und zu den Organisationen, für die sie am wenigsten gerne arbeiten würden, gestellt. Daraus wurden 32 Faktoren der Arbeitgeberattraktivität entwickelt, die in einer zweiten Studie mit 683 Studenten überprüft wurden. Daraus entwickelte sich die vielfach verwendete Skala, die aus 25 Elementen besteht.

      Die meisten Studien zur Arbeitgeberattraktivität basieren auf dieser Skala, weshalb sie bereits mehrfach international getestet wurde und eine gute Reliabilität aufweist (Grăjdieru (Coman) & Khechoyan, 2019, S. 98f). Sie ist eine Verfeinerung und Erweiterung der drei Dimensionen von Ambler und Barrow (1996, S. 185): die (i) psychologischen, (ii) funktionalen und (iii) wirtschaftlichen Vorteile. Die Skala von Berthon et al. (2005, S. 159ff) besteht wie erwähnt aus 25


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