Arbeitgeberattraktivität: Die Rolle von Work-Life-Balance und flexiblen Arbeitszeitmodellen. Carina Stiglbauer

Arbeitgeberattraktivität: Die Rolle von Work-Life-Balance und flexiblen Arbeitszeitmodellen - Carina Stiglbauer


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in globalen Branchen wie der Finanzbranche häufig (Wharton & Blair-Loy, 2002, S. 33). „Extreme Jobs“, die zum Zweck der Untersuchung von Hewlett & Luce (2006, S. 51) als Jobs mit einer mindestens 60-Stundenwoche und weiteren Kriterien wie etwa 24/7 Erreichbarkeit, knappen Deadlines und unvorhergesehenen Arbeitsmengen definiert wurden, sind über die gesamte Wirtschaft verteilt. Man findet diese ebenso in großen Produktionsunternehmen, im Bereich Unterhaltung und Medien, an der Wall Street sowie in Medizin, Buchhaltung, Beratung und Recht. Die Studie von Boiarintseva und Richardson (2019, S. 873) zeigt, dass von Anwälten erwartet wird, dass ihre Arbeit an erster Stelle steht und die Familie erst an zweiter Stelle kommt. Im Gleichklang führen Wharton und Blair-Loy (2002, S. 33) aus, dass Unternehmen von Managern und Fachleuten erwarten, dass diese ihr Engagement so unter Beweis stellen, dass sie lange arbeiten und die Arbeit zum Mittelpunkt ihres Lebens machen (Wharton & Blair-Loy, 2002, S. 33). Auch Epstein (1999, S. 19) stellte fest, dass es von Rechtsanwälten seit langem erwartet wird, dass sie die Arbeit zu ihrer Priorität machen und ihre berufliche Arbeit von konkurrierenden Anforderungen aus anderen Lebensbereichen nicht beeinträchtigt wird.

      Mit dem Aufkommen von neuen Technologien hat sich diese Erwartung weiter verstärkt und dadurch das Verhalten von Mitarbeitern geändert. Mobile Kommunikationstechnologien fördern die Möglichkeit der Arbeit in mehreren Zeitzonen, wodurch sowohl die Reisetätigkeit als auch die Länge des Arbeitstages erhöht wird (Hewlett & Luce, 2006, S. 58). Auch tragen sie zu der „always on“-Mentalität von leitenden und fachkundigen Arbeitnehmern bei. Obwohl E-Mails das Gefühl der individuellen Kontrolle erhöhen, scheinen sie auch zu einer Verlängerung der Arbeitszeit und Erhöhung des Arbeitsdrucks zu führen (Walsh, 2019, S. 390). In der US-Studie von Hewlett und Luce (2006, S. 55) sagten 67 % der Befragten, die einen „extremen Job“ ausüben, dass es für ihren Erfolg entscheidend ist, dass sie für ihre Klienten 24/7 erreichbar sind. Auch Mitarbeiter im professionellen Dienstleistungssektor, wie Rechtsanwälte, Berater, Investmentbanker und Steuerberater gehen davon aus, dass es wichtig ist, dass sie immer erreichbar sind, damit ihr Unternehmen am weltweiten Markt erfolgreich ist. Dies resultiert daraus, dass man von diesen Berufsgruppen – wie bereits näher ausgeführt – erwartete, dass Arbeit ihre oberste Priorität ist (Perlow & Porter, 2009, S. 102).

      Diese 24/7-Erreichbarkeit für Kollegen, Manager und Klienten verzerrt auch die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben (Walsh, 2019, S. 388). Somit ist die Erwartung der Klienten, die viel Geld für die Beratungsleistungen bezahlen, ein weiterer Faktor, den die Studienteilnehmer nannten, der Work-Life-Balance einschränkt. Auch glauben die Befragten, dass Work-Life-Balance mit der zunehmenden Konzentration auf den „Kundenservice“ in der zunehmend wettbewerbsorientierten Rechtsbranche wahrscheinlich noch weiter eingeschränkt werden wird. Laut den Befragten fordern Klienten von den Rechtsanwälten Perfektion, ungeteilte Aufmerksamkeit und Vorrang vor all ihren anderen beruflichen Aktivitäten und ihrem Privatleben (Boiarintseva & Richardson, 2019, S. 874). Von den Rechtsanwälten wird auch erwartet, dass sie neben ihrem Arbeitspensum auch Zeit damit verbringen, den Kontakt mit Mandanten zu pflegen (Boiarintseva & Richardson, 2019, S. 872). Diese Erwartungen können schon mit den verschiedenen beruflichen und erst recht mit privaten Verpflichtungen konfligieren (Epstein, 1999, S. 19).

      Ein weiterer Faktor, der zu langen Arbeitszeiten bei Fach- und Führungskräften führt, ist das Erfordernis der physischen Anwesenheit am Arbeitsplatz („physical presenteeism“). Grund dafür ist, dass eine Messung der Leistung der Mitarbeiter oft sehr schwierig ist, wenn das Unternehmen das Wissen ihrer Mitarbeiter und nicht ein produziertes Gut verkauft. Daher nutzen Organisationen face time bzw die physische Anwesenheit am Arbeitsplatz zur Beurteilung der Produktivität und des Einsatzes der Belegschaft (Walsh, 2019, S. 390), wodurch sich Mitarbeiter durch schlichte physische Anwesenheit im Büro einen persönlichen Vorteil verschaffen können. Die Studie von Elsbach et al. (2010, S. 735) zeigt, dass passive face time – definiert als Zeitraum, in dem jemand beobachtet wird ohne dass eine Interaktion stattfindet – beeinflusst, wie jemand in der Arbeit wahrgenommen wird. Personal, das während normalen Bürozeiten anwesend ist, wird als zuverlässig und Personal, das außerhalb von üblichen Bürozeiten anzutreffen ist, als engagiert wahrgenommen (Elsbach et al., 2010, S. 735). Die Schlussfolgerung dieser Studie ist, dass sich Führungskräfte schon alleine aufgrund der physischen Anwesenheit der Mitarbeiter im Büro Urteile über diese bilden (Walsh, 2019, S. 391).

      Ein Faktor der zu langen Arbeitszeiten führt und aus dem Verhalten der Arbeitnehmer selbst resultiert, ist dass sie ihre Zeit oft gerne am Arbeitsplatz verbringen. Sie sehen den Arbeitsplatz heutzutage nämlich oft als das Zentrum und die Quelle des sozialen Lebens. Dies stellt vielleicht die tiefgreifendste unter den kulturellen Veränderungen dar. Die Aussicht, bis spät in den Abend hinein zu arbeiten, wird als weniger beschwerlich angesehen, wenn die Kollegen auch beste Freunde sind und im Büro die anregendsten Begegnungen und der Austausch von Ideen und Wissen mit intellektuellen Kollegen auf Augenhöhe stattfindet (Hewlett & Luce, 2006, S. 54). Das Verhalten der Kollegen kann jedoch auch zu längeren Arbeitszeiten führen. Dies zeigt die Studie von Landers et al. (1996, S. 329), in deren Rahmen zwei große Rechtsanwaltskanzleien untersucht wurden. In Anwaltskanzleien wird jenes juristische Personal befördert, das die Tendenz hat, hart zu arbeiten. Als Messung hierfür werden verrechenbare Stunden herangezogen. Dadurch kommt es oft zu einem erbarmungslosen Wettkampf zwischen den Mitarbeitern, die deshalb zu lange arbeiten und dadurch ineffizient werden. Auch in der Studie von Boiarintseva und Richardson (2019, S. 874) nannten die befragten Rechtsanwälte, dass sie eine Zielvorgabe an verrechenbaren Stunden von im Durchschnitt 1.700 Stunden pro Jahr, somit 50 bis 60 Arbeitsstunden pro Woche haben. Ihnen ist bewusst, dass das Nichteinhalten dieser Ziele zu einem Verlust des Arbeitsplatzes führen kann. Auch gaben sie an, dass diese Vorgabe an verrechenbaren Stunden einen negativen Einfluss auf ihre Work-Life-Balance hat. Jedoch können nicht nur Kollegen, sondern auch Führungskräfte lange Arbeitszeiten fördern. Dies zeigt die Studie von Perlow (1998, S. 328) über die Arbeitsmuster von amerikanischen Software-Ingenieuren. Führungskräften können die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter unter anderem verlängern, indem sie ihnen Deadlines, Meetings und zusätzliche Arbeit auferlegen und sie kontrollieren.

      Es gibt viele Gründe, die zu einer mangelnden Work-Life-Balance von Juristen führen können. Ein wesentlicher Faktor sind lange Arbeitszeiten, welche durch Veränderungen im globalen wirtschaftlichen Umfeld, der Steigerung des Wettbewerbsdrucks, kulturellen Änderungen und einer Verbesserung der Kommunikationstechnologie bedingt werden.

       3.5 Auswirkungen von (mangelnder) Work-Life-Balance auf die Belegschaft und das Unternehmen

      Sowohl gute als auch schlechte Work-Life-Balance haben Auswirkungen auf das Personal und das Unternehmen, und zwar negative, aber auch positive. Diese werden zuerst im Allgemeinen dargestellt, bevor die Auswirkungen im Hinblick auf Geschlechter und Generationen analysiert werden.

       3.5.1 Allgemeine Auswirkungen

      Work-Life-Balance hat einen großen Einfluss auf die Arbeitnehmer und die Unternehmen, genauer gesagt auf Faktoren, wie Gesundheit, Stressfreiheit, Wohlbefinden, Lebensqualität, Organisationsleistung und nachhaltige menschliche und soziale Entwicklung (Sánchez-Hernández et al., 2019, S. 1). In der Studie von Boiarintseva und Richardson (2019, S. 872) wiesen die Befragten darauf hin, dass die Anforderungen des Rechtsanwaltsberufs die Beziehung zu Familienangehörigen, insbesondere zu Kindern, beeinträchtigt. Einige sahen dies aber nicht als problematisch an, sondern als Teil, den der Anwaltsberuf mit sich bringt. Die meisten Befragten empfanden die begrenzte oder fehlende Möglichkeit zur Work-Life-Balance jedoch als bedenklich, obwohl dies langfristig positive Auswirkungen auf die Karriereentwicklung haben kann, wie etwa Partner in einer Rechtsanwaltskanzlei zu werden (Boiarintseva & Richardson, 2019, S. 872). Auch die Studie von Hewlett und Luce (2006, S. 54) kam zu dem Ergebnis, dass es Auswirkungen auf die Kinder gibt, wenn Eltern in „extremen Jobs“ arbeiten. 33 % der Mütter und 65 % der Väter gaben an, dass ihre Arbeit ihre Fähigkeit beeinträchtigt, eine starke Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen. Neben den Kindern leiden auch die Lebens- und Ehepartner darunter. Etwa 45 % der befragten Mitarbeiter in einem globalen Unternehmen gaben an, dass sie am Ende eines mindestens zwölfstündigen Arbeitstages zu müde sind, um mit ihrem


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