Arbeitgeberattraktivität: Die Rolle von Work-Life-Balance und flexiblen Arbeitszeitmodellen. Carina Stiglbauer

Arbeitgeberattraktivität: Die Rolle von Work-Life-Balance und flexiblen Arbeitszeitmodellen - Carina Stiglbauer


Скачать книгу
zu arbeiten, das den Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, das Gelernte anzuwenden und andere zu unterrichten, dies in einer Umgebung die sowohl kundenorientiert als auch menschenfreundlich ist.

       2. Entwicklung (E): misst die Anziehung an Organisationen, die Anerkennung, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, gepaart mit karrierefördernden Erfahrungen ermöglichen und die ein Sprungbrett für zukünftige Beschäftigungen sind.

       3. Interesse (I): zeigt das Ausmaß in dem sich Personen von Arbeitgebern angesprochen fühlen, die ein spannendes Arbeitsumfeld und neuartige Arbeitspraktiken bieten und die die Kreativität ihrer Mitarbeiter nutzen, um hochwertige und innovative Produkte und Dienstleistungen herzustellen.

       4. Soziales (S): misst die Anziehung von Personen im Hinblick auf eine Arbeitsumgebung, die Spaß macht, sowie eine gute Teamatmosphäre bietet und gute kollegiale Beziehungen ermöglicht.

       5. Wirtschaftlichkeit (W): untersucht das Ausmaß, in dem sich Personen von Unternehmen angezogen fühlen, die überdurchschnittliches Gehalt bzw Vergütungssysteme, Arbeitsplatzsicherheit und Aufstiegsmöglichkeiten bieten.

      Um Interessierten eine weiterführende Vertiefung in die Literatur der Arbeitgeberattraktivität zu ermöglichen, wird im Folgenden kurz dargestellt, in welchen Studien diese Skala herangezogen wurde: Roy (2008, S. 118ff) erweiterte die Skala um zwei Faktoren, nämlich um „starke und klare Unternehmenskultur“ sowie um „ethnische Organisation“. In seiner Studie wurden 150 Fragebögen von Studierenden in ihrem letzten Studienjahr an einer Wirtschaftsuniversität ausgefüllt. Die Befragten beantworteten Fragen zur Attraktivität von Unternehmen, die in der Liste der „best managed Indian companies of 2005“ geführt wurden. Arachchige und Robertson (2011, S. 31ff) konzentrierten sich auf Faktoren, die letztsemestrige Wirtschaftsstudenten in Sri Lanka anzogen. Auch sie erweiterten die Skala um sieben weitere Elemente, unter anderem „sehr profitable Unternehmen“ oder „Qualität des Managements“, wobei alle diese sieben Faktoren zu den von den Befragten am wenigsten bevorzugten zählten. In der Studie von Sivertzen et al. (2013, S. 473ff) wurden Ingenieurstudenten in Norwegen über drei bekannte norwegische Ingenieurbüros befragt. Des Weiteren untersuchte die Studie die Beziehungen zwischen den Dimensionen der Skala von Berthon et al. (2005) und der Nutzung von sozialen Medien in Bezug auf den Unternehmensruf und die Absicht, sich auf eine Stelle zu bewerben. Arbeitgeberattraktivität wurde in der Studie von Alnıaçık et al. (2014, S. 338ff) in Bezug auf Studenten in Lettland und der Türkei untersucht. Die Studie von Reis und Braga (2016, S. 107ff) analysierte Arbeitgeberattraktivität von Fachleuten, die hauptsächlich im Südosten Brasiliens arbeiten, wobei die Skala von Berthon et al. (2005) um fünf Elemente gekürzt wurde. Letztsemestrige Wirtschaftsstudenten in Tschechien waren die Zielgruppe von Eger et al. (2019, S. 523ff). Grăjdieru (Coman) und Khechoyan (2019, S. 99ff) analysierten die Hauptmerkmale von Arbeitgeberattraktivität für Studierende und Absolventen in Rumänien, Italien und Armenien. Auch diese Studie basiert auf der von Berthon et al. (2005) entwickelten Arbeitgeberattraktivitätsskala, wobei die Autoren ein paar wenige Elemente veränderten und unter anderem um die zwei Elemente „Work-Life-Balance“ und „Flexible Arbeitszeitgestaltung“ erweiterten. Grund für die Aufnahme dieser zwei Elemente war, dass diese Faktoren insbesondere für die jüngeren Generationen immer mehr an Bedeutung gewinnen und diese Entwicklung in der Skala von Berthon et al. aus 2005 noch nicht berücksichtigt werden konnte (Grăjdieru (Coman) & Khechoyan, 2019, S. 99; Twenge, 2010, S. 201). Daher wird für die Zwecke dieses Buchs die wissenschaftlich anerkannte Skala von Berthon et al. (2005) verwendet und auch um die zwei Elemente „Work-Life-Balance“ und „Flexible Arbeitszeitgestaltung“ von Grăjdieru (Coman) und Khechoyan (2019) erweitert. Die Themen Work-Life-Balance und flexible Arbeitszeitmodelle werden in den Kapiteln 3 und 4 ausführlich behandelt.

      Die Studie von Berthon et al. (2005) sowie alle oben angeführten Studien, die diese Skala verwendeten, kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen im Hinblick auf die Elemente, die die Befragten als am wichtigsten empfanden und somit welche Attribute für die Studienteilnehmer als attraktiv oder weniger attraktiv wahrgenommen wurden. Einzelne Studien zeigen, welche Elemente für die Befragten wesentlich waren (siehe Alnıaçık et al., 2014; Arachchige & Robertson, 2011), andere wiederum nur, welche übergeordnete Gruppe (z.B. Soziales oder Wirtschaftlichkeit; siehe Reis & Braga, 2016). Eine Erklärung für die unterschiedlichen Studienergebnisse lieferte bereits Berthon et al. (2005, S. 168): Arbeitgeberattraktivität kann aufgrund unterschiedlicher Kulturen in den jeweiligen Ländern anders wahrgenommen werden. Die Werteorientierung der einzelnen Arbeitnehmer unterscheidet sich jedoch nicht nur aufgrund von kulturellen, sondern auch aufgrund von zeitlichen Gegebenheiten (Sengupta et al., 2015, S. 307). Die Umfragen wurden in einem Zeitraum von fünfzehn Jahren durchgeführt, wodurch es auch zu Veränderungen in der Wahrnehmung von Arbeitgeberattraktivität kommen kann. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass Studien, die in einem einheitlichen Zeitraum in verschiedenen Ländern durchgeführt wurden, unterschiedliche Ergebnisse zwischen den Ländern ergaben, wie etwa die Studie von Grăjdieru (Coman) und Khechoyan (2019, S. 97ff; Rumänien, Italien und Armenien) und auch die Umfrage von Alnıaçık et al. (2014, S. 336ff; Lettland und Türkei).

      Nach diesem kurzen Abriss über Arbeitgeberattraktivität soll in den nächsten zwei Kapiteln auf die beiden zuvor erwähnten wichtigen Arbeitgeberattraktivitätsattribute Work-Life-Balance und flexible Arbeitszeitmodelle, näher eingegangen werden.

       3 Work-Life-Balance

      Ein Element der Arbeitgeberattraktivität, das in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist Work-Life-Balance. Daher widmet sich dieses Kapitel zunächst ihrer Wichtigkeit und der Definition dieses Begriffs. Im Anschluss daran werden Work-Life-Balance und die Gründe für ihren Mangel im juristischen Bereich analysiert. Den Abschluss dieses Kapitels bildet die Aufarbeitung der Auswirkungen von mangelnder Work-Life-Balance auf die Belegschaft und das Unternehmen, zunächst allgemein und danach im Hinblick auf Geschlechter- und Generationsunterschiede.

       3.1 Wichtigkeit von Work-Life-Balance

      Arbeitnehmer haben zunehmend Schwierigkeiten, berufliche und familiäre Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Gründe, die zu einem Mangel an Work-Life-Balance geführt haben, sind die steigende Zahl von Frauen im Berufsleben, die dadurch begleitete Zunahme von Doppelverdiener- und Alleinerzieherhaushalten, die sich verändernde Demographie der Erwerbsbevölkerung und die entsprechende kulturelle Verschiebung in der Bedeutung und dem Stellenwert von Familie (Wharton & Blair-Loy, 2002, S. 32f). Darüber hinaus gibt es eine rege Debatte über die zeitlichen Anforderungen und den Zeitdruck bei der Arbeit und deren Auswirkungen auf die Fähigkeit von Mitarbeitern, ihre privaten und beruflichen Verpflichtungen zu koordinieren (Walsh, 2019, S. 387).

      Viele Unternehmen haben sich aus diesen Gründen entschieden, HR-Richtlinien zu implementieren, die den Arbeitnehmern ermöglichen, ihren (privaten) Verpflichtungen nachzukommen (Carless & Wintle, 2007, S. 394). Auch sahen Unternehmen seit den 2000er Jahren Vereinbarungen, die die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter reduzieren, als Wettbewerbsvorteil (Friede et al., 2008, S. 710f), wodurch das Thema Work-Life-Balance für viele Organisationen ein immer wichtigerer Faktor wird. Dadurch, dass Richtlinien zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben oft auch in Stelleninseraten genannt werden, wächst mehr und mehr das Bewusstsein für die Bedeutung der Aufrechterhaltung eines ausgewogenen Lebens in der allgemeinen Bevölkerung (Carless & Wintle, 2007, S. 400).

      Auch Regierungen sind bei der Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zunehmend involviert (Walsh, 2019, S. 387). Work-Life-Balance – hier neu benannt als die ausgewogene Teilhabe von Frauen und Männern am Berufs- und Familienleben – ist aufgrund der Lissabon-Agenda, die darauf abzielt, die Erwerbsquote von Frauen auf dem Arbeitsmarkt in allen Ländern zu erhöhen, zu einem Ziel der europäischen Politik geworden. Somit darf das Problem von Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben nicht länger als ein ausschließlich privates Problem betrachtet werden, sondern auch als ein Problem der öffentlichen Politik (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=LEGISSUM:c10917&from=EN.; Wallace et al., 2007, S. 4).

       3.2 Definition


Скачать книгу