Compliance-Handbuch Kartellrecht. Jörg-Martin Schultze
im Falle fahrlässigen Verhaltens (§ 17 Abs. 2, § 30 Abs. 2 OWiG).
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Auch die Bußgelder des Bundeskartellamts sind steuerlich nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig.73 Sie spielen zudem keine Rolle im Zusammenhang mit Schadensersatzforderungen, etwa indem sie auf diese angerechnet würden oder eine Bußgeldfreiheit – etwa im Rahmen eines Kronzeugenantrags – das Unternehmen von einer Schadensersatzpflicht befreien würde.74
2. Strafrechtssanktionen gegen Mitarbeiter
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Ein Verstoß gegen das europäische Kartellrecht ist keine Straftat.75
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Auch nach dem deutschen GWB sind Kartellrechtsverstöße Ordnungswidrigkeiten, jedoch keine Straftaten. Dies gilt mit einer Ausnahme, nämlich für wettbewerbswidrige Abreden im Zusammenhang mit Ausschreibungen. Der bereits 1997 in das deutsche StGB eingeführte Sondertatbestand der Submissionsabsprache nach § 298 StGB sieht vor, dass sich strafbar macht, wer bei einer Ausschreibung über Waren oder gewerbliche Leistungen ein Angebot abgibt, das auf einer Absprache beruht, die den Ausschreibenden zur Annahme eines bestimmten Angebots veranlassen soll. Ein Verstoß kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldbuße geahndet werden.76 Anders als die Kartellrechtsverstöße nach dem GWB kann ein Verstoß gegen § 298 StGB nur vorsätzlich erfolgen. Er kann nur durch eine natürliche Person, nicht dagegen durch ein Unternehmen begangen werden; diese werden wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot bebußt.77 Der kürzlich gescheiterte Regierungsentwurf des Verbandssanktionengesetzes sah auch die Möglichkeit vor, ein Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen § 298 StGB „strafrechtlich“ zur Verantwortung zu ziehen.78 Im Zusammenhang mit der Verwirklichung des § 298 StGB stellt sich zudem die Frage, ob auch der § 263 StGB in Form des Ausschreibungsbetrugs verletzt ist. Anders als die Verwirklichung des § 298 StGB, der als abstraktes Gefährdungsdelikt konzipiert ist, setzt dies jedoch voraus, dass ein Vermögensschaden nachweisbar ist.79
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Informationen zu konkreten Rechtsfolgen bei Submissionsabsprachen sind wegen ihrer uneinheitlichen statistischen Erfassung sporadisch.80 Die Rechtsfolgen selbst können dabei durchaus drastisch sein: So wurde im Jahr 2006 einer der Beteiligten im Fernwärmerohr-Kartell zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten sowie einer Gesamtgeldstrafe von EUR 100.000 verurteilt.81
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Seit Februar 2012 hat das Bundeskartellamt einen fortwährenden Austausch mit den Staatsanwaltschaften ins Leben gerufen, um dafür zu sorgen, dass die Behörden effektiver zusammenarbeiten. Kartellrechtswidrige Absprachen im Zusammenhang mit Ausschreibungen werden vom Bundeskartellamt automatisch an die zuständige Staatsanwaltschaft gemeldet. Diese verfolgt dann die handelnden Individualpersonen, während das Bundeskartellamt gemäß § 82 GWB für die Verfolgung und Ahndung der juristischen Person, sprich des Unternehmens zuständig bleibt, sofern das Bundeskartellamt gemäß § 82 S. 2 GWB das Verfahren nicht insgesamt an die Staatsanwaltschaft abgibt.
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Diese ausschließliche Zuständigkeit der Kartellbehörden zur Bebußung des Unternehmens wegen Verstoßes gegen das Kartellrecht sollte durch das geplante, jedoch vorerst gescheiterte Gesetzesvorhaben zur Einführung eines Verbandssanktionengesetzes (VerSanG-E) Änderungen unterliegen. Da bei Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes in den meisten Fällen nur eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, ermittelt grundsätzlich die Kartellbehörde gegen das Unternehmen und setzt ein Bußgeld fest. Ist aber mit dem Wettbewerbsverstoß gleichzeitig ein Straftatbestand erfüllt, sah der VerSanG-E die Möglichkeit vor, dass bei Untätigkeit der Kartellbehörde die Staatsanwaltschaft nicht nur gegen die Mitarbeiter, sondern auch gegen das Unternehmen ermittelt und es zur Festsetzung einer Verbandssanktion durch ein Strafgericht käme.82
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In Kartellrechtsordnungen vieler Länder innerhalb und außerhalb von Europa sind Kartellrechtsverstöße – anders als nach europäischem und grundsätzlich auch nach deutschem Kartellrecht – Straftatbestände. Das US-Kartellrecht stuft Verstöße gegen den Sherman Act als Verbrechen ein, die mit Haftstrafen von bis zu zehn Jahren sanktioniert werden können. Vertreter des amerikanischen Department of Justice werden dabei nicht müde zu betonen, dass sie Haftstrafen gegen persönlich Verantwortliche als die wirksamste Abschreckungsmaßnahme bei Kartellverstößen ansehen. Laut Statistik des Department of Justice betrug die durchschnittliche Haftdauer für Kartellrechtsverstöße in Jahren 2010 bis 2018 19 Monate.83 Bereits im März 2010 kam es zu einer ersten Auslieferung eines englischen Managers an die US-Verfolgungsbehörde.84 Insgesamt sitzt eine große Zahl ausländischer Unternehmensvertreter Haftstrafen in den USA wegen Kartellrechtsverstößen ab.
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Auch in einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten85 sowie in Ländern außerhalb der EU86 sind Verstöße gegen das Kartellrecht Strafrechtstatbestände.
3. Zivilrechtliche Nichtigkeit
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Eine Vereinbarung, die gegen ein Kartellrechtsverbot verstößt, ist nichtig.87 Die Nichtigkeit nach deutschem und/oder EU-Kartellrecht im Rahmen einer Vertragsvereinbarung betrifft grundsätzlich nur die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln. Das Schicksal der restlichen Vereinbarung bestimmt sich nach nationalem Recht.88 Für die Frage nach den Konsequenzen für andere Vertragsklauseln wird salvatorischen Klauseln eine große Bedeutung beigemessen. Diese Bedeutung hat sich durch die BGH-Rechtsprechung in Sachen Tennishallenpacht zumindest für standardisierte salvatorische Klauseln jedoch deutlich abgeschwächt. Ist die salvatorische Klausel, wie oft üblich, als allgemeine Geschäftsbedingung vereinbart, bewirkt diese lediglich eine Beweislastumkehr zugunsten desjenigen, der sich auf die Wirksamkeit des Restvertrages beruft. Oder umgekehrt: Die Darlegungs- und Beweislast für die Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach § 139 BGB trifft diejenige Partei, die sich entgegen der Erhaltungsklausel auf die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages beruft.89
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Die zivilrechtliche Nichtigkeit kartellrechtswidriger Vereinbarungen ist im Kontext von Hard-core-Kartellen nur selten relevant. Die wenigsten Unternehmen sind heute noch derart unbedarft, den Versuch zu unternehmen, die Einhaltung dieser Abreden gerichtlich einzuklagen. Passiert es doch, wird sich auch das Bundeskartellamt der Sache annehmen: Gemäß § 90 i.V.m. § 87 GWB sind die Zivilgerichte verpflichtet, das Bundeskartellamt über Rechtsstreitigkeiten zu informieren, deren Ausgang ganz oder teilweise von Normen des deutschen oder europäischen Kartellrechts abhängt.
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Von besonderer Bedeutung ist die zivilrechtliche Nichtigkeit kartellrechtlicher Verträge dagegen im Zusammenhang mit Lizenzverträgen, Forschungs- und Entwicklungskooperationen, Liefer- oder Vertriebsverträgen oder auch im Transaktionskontext. Hier hat die Nichtigkeit beschränkender Klauseln oder gar des ganzen Vertrages (etwa bei einem Verstoß gegen das fusionskontrollrechtliche Vollzugsverbot) erhebliche kommerzielle Konsequenzen, da mit diesen Verträgen oft ein hohes Investitionsvolumen einhergeht.
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Auch der Verstoß gegen das Missbrauchsverbot ist verboten und ein entsprechendes Verhalten folglich nach § 134 BGB nichtig.
4. Wettbewerbsregister
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Am 29.7.2017 ist das Gesetz zur Einführung des Wettbewerbsregisters in Kraft getreten.90 Im März 2021 hat das Bundeskartellamt den Betrieb des Registers, das in Form einer elektronischen Datenbank geführt wird, aufgenommen; die Mitteilungs- und Abfragungspflichten sind jedoch erst anwendbar, sobald sie im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Öffentliche Auftraggeber sind