Recht des geistigen Eigentums. Thomas Ahrens
Rahmen der Erschließung der Grundlagen dieses Rechtsgebietes auch das Wesen der zentralen Kategorien schöpferischer Leistungsergebnisse zu vergegenwärtigen.3 Das Abstellen auf die Ergebnisse schöpferischer Leistung trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass das Immaterialgüterrecht nicht an den menschlichen Schaffensprozess an sich – sei es etwa die Erfindertätigkeit des Ingenieurs oder den persönlich-geistigen Schöpfungsvorgang des Urhebers (z.B. Autors, Komponisten) –, sondern an das Ergebnis des Schaffens selbst – also etwa die technische Erfindung oder das Werk des Urhebers (z.B. den Roman, die Komposition) – anknüpft; denn erst in diesem Ergebnis entfaltet sich der Wert des Schaffens.4 Ausgehend von einem Begriff „schöpferischer Leistung“ im weitesten Sinne lassen sich die folgenden, für das Verständnis der wichtigsten Immaterialgüterrechte bedeutsamen Kategorien unterscheiden:5
Kategorie 1: Ergebnisse, die in der Entdeckung einer Realität bestehen, die in der Natur oder Gesellschaft zwar vorhanden, jedoch bisher noch nicht bekannt waren.
Kategorie 2: Ergebnisse, die in der Lösung eines Problems bestehen, die zwar durch die objektiven Realitäten vorbestimmt, als Lösung jedoch neu sind.
Kategorie 3: Ergebnisse, die in der Schaffung eines neuen Gutes bestehen, das ein persönlicher, d.h. individueller Ausdruck des Schaffenden ist.
II. Ergebnisse, die in der EntdeckungEntdeckung einer Realität bestehen
1. Entdeckungen
Mit dieser Kategorie geistigen Schaffens sind insbesondere die Ergebnisse menschlicher Leistung angesprochen, die dieser durch die Erforschung der Natur erlangt. Unter einer Entdeckung versteht man die Auffindung oder Erkenntnis bisher unbekannter, aber objektiv in der Natur schon vorhandener Gesetzmäßigkeiten, Wirkungszusammenhänge, Eigenschaften oder Erscheinungen.1 Obgleich Entdeckungen häufig auf langwieriger, mühevoller Forschungsarbeit beruhen und insoweit das Ergebnis großer Leistungen darstellen, denen zudem eine grundlegende wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung zukommt, werden sie nach ausdrücklicher patentrechtlicher Bestimmung (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG; Art. 52 Abs. 2 (a) EPÜ) nicht als Erfindungen im Sinne des Patentrechts angesehen und sind damit „als solche“ (§ 1 Abs. 4 PatG; Art. 52 Abs. 3 EPÜ) vom Patentschutz ausgeschlossen. Diesem ausdrücklichen Ausschluss der Entdeckungen kommt jedoch nur eine klarstellende Bedeutung zu. Ihre mangelnde Patentierbarkeit folgt bereits aus der Definition der dem Patentschutz allein zugänglichen technischen Erfindung als LehreLehretechnisches Handeln zum technischen Handeln, d.h. – nach der Definition der Rechtsprechung des BundesgerichtshofesBundesgerichtshof (BGHBGH)2 – einer Lehre „zur planmäßigen Benutzung beherrschbarer Naturkräfte außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges“. Während also für die Erfindung ein praktisches Zweckmoment charakteristisch ist, das darin zu erblicken ist, dass eine praktische Anwendungsmöglichkeit gegebener Naturkräfte oder Naturstoffe gelehrt wird, erschöpft sich die Entdeckung in der Vermittlung reiner Erkenntnis ohne die Angabe eines praktischen Zwecks.3 Der Unterschied zwischen einer Entdeckung und einer Erfindung lässt sich danach so umschreiben, dass die Entdeckung die Natur beschreibt, die Erfindung hingegen sich ihrer zum technischen Handeln bedient.4
2. Die Begründung der mangelnden Patentierbarkeit
Die insoweit gegebene Beschränkung des Patentschutzes auf den Bereich der technischen Erfindungen unter Ausschluss der Entdeckungen als bloße Erkenntnisse vom Anwendungsbereich des Patentschutzes wird zunächst damit begründet, dass die Entdeckung – anders als die Erfindung, die den Bestand der in der Welt vorhandenen geistigen Güter durch eine neue LehreLehre vermehre – lediglich etwas über das bereits Bestehende Aussage, ohne es zu vermehren.1 Gegen eine zeitweise Monopolisierung ergäbe sich insoweit das Bedenken, dass etwas schon Vorhandenes dem allgemeinen Gebrauch vorenthalten würde. Als weiterer, letztlich entscheidender Grund für die PatentPatent-unfährigkeitunfähigkeit von Entdeckungen wird jedoch geltend gemacht, dass ein PatentanspruchAnspruchPatent für eine wissenschaftliche Entdeckung infolge seiner Breite die gesamte darauf beruhende technische Entwicklung sperren und damit die Gefahr einer erfindungs- und fortschrittshindernden Wirkung begründen würde.2
3. Entdeckung als Grundlage eines PatentPatentGrundlages
Allerdings können Entdeckungen, was häufig der Fall ist, Grundlage einer Erfindung sein, wenn es gelingt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Technik dienstbar zu machen.1 Stellt etwa jemand eine Eigenschaft eines bekannten Materials oder Erzeugnisses fest, so handelt es sich lediglich um eine Entdeckung, die nicht patentierbar ist. Wird für die Eigenschaft jedoch eine praktische Verwertung gefunden, so handelt es sich um eine Erfindung, die möglicherweise patentierbar ist (s.u. § 8 I. 2 a). Die Umsetzung einer Entdeckung in eine technische Handlungsanweisung ist jedoch nur dann eine dem Patentschutz zugängliche erfinderische TätigkeitTätigkeiterfinderische, wenn sie vom FachmannFachmann nicht zu erwarten war, d.h. die Patentierung scheitert, wenn die Lösung für den Fachmann bei Kenntnis der Entdeckung nahe lag.2
4. Wissenschaftliche TheorieTheoriewissenschaftlichen und MethodeMethodeMethodewissenschaftlichen
Auf der gleichen Erwägung, die zum Ausschluss der Entdeckungen vom Patentschutz führt, beruht auch die ausdrückliche Ausnahme der wissenschaftlichen Theorien und mathematischenMethodemathematische Methodenmathematische Methode vom Patentschutz (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG; Art. 52 Abs. 2 (a) EPÜ).1 Auch die reinen wissenschaftlichen Erkenntnisse wie physikalischen Gesetze, Lehrsätze, chemische Formeln und sonstigen Prinzipien sind nämlich nicht-technischer Natur, da sie kein angewandtes Denken darstellen, sondern lediglich eine abstrakte Erkenntnis vermitteln.
III. Ergebnisse, die in der Lösung eines Problems bestehen
Während sich die zuvor genannten Ergebnisse geistiger Leistung in dem Erkennen in der Natur bzw. der Gesellschaft vorhandener Realitäten, d.h. in der Vermittlung von Erkenntnissen erschöpfen, stellen sich die Ergebnisse der hier behandelten weiteren Kategorie möglicher geistiger Schaffensergebnisse als durch die objektiven Realitäten vorbestimmte, neuartige Problemlösungen dar. Jede neuartige Problemlösung, gleichgültig ob es sich um eine auf technischem oder nicht-technischem Gebiet handelt, stellt sich als ein konkret fassbares Ergebnis geistiger Leistung und damit an sich auch als ein immaterielles Gut dar. Anders als im Recht der körperlichkörperlichGuten Güter – der beweglichen und unbeweglichen Sachen – ist es jedoch für das Verständnis des Immaterialgüterrechts von Bedeutung, dass von der Rechtsordnung, wie bereits eingangs dargelegt, nicht alle immateriellen Güter als Rechtsobjekte geistigen Eigentums anerkannt werden. Vielmehr hat der Gesetzgeber, wie bereits die vorerwähnten Ausführungen zur Freiheit der Entdeckungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse, an deren Wert für die Gesellschaft nicht zu zweifeln ist, verdeutlicht haben, den Schutz auf ganz bestimmte Kategorien geistiger SchaffensergebnisseKategorie geistiger Schaffensergebnisse beschränkt. Im Bereich der hier erörterten Kategorie von Ergebnissen geistiger Schaffenstätigkeit, die durch ihren Problemlösungscharakter bestimmt sind, ist der Schutz auf technische Problemlösungen beschränkt. Für nicht-technische Problemlösungen ist ein immaterialgüterrechtlicher SchutzImmaterialgüter-rechtlicher Schutz demgegenüber explizit ausgeschlossen.
1. Technische Problemlösungen
Wie bereits dargestellt (s.o. § 2 I. 1.), handelt es sich bei der dem PatentPatent-schutzschutz zugänglichen Erfindung um eine „LehreLehretechnisches Handeln zum technischen Handeln“, gestützt auf die ständige Rechtsprechung des BGHBGH definiert als eine „LehreLehrebeherrschbare Naturkraft zur planmäßigen Benutzung beherrschbarer NaturkräfteNaturkraftbeherrschbareNaturkraft außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges“. Bei der Erfindung handelt es sich also um die an den FachmannFachmann gerichtete Belehrung darüber, welche Naturkräfte