Recht des geistigen Eigentums. Thomas Ahrens

Recht des geistigen Eigentums - Thomas Ahrens


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geistiger Schaffenstätigkeit des Menschen – erfinderischen Leistungen auf dem Gebiet der Technik, kreativen Leistungen im Bereich von Kunst und Kultur – getragen wurde, war der Gedanke eines Schutzes der geistigen Leistung als solcher, gar der Gedanke eines individuellen geistigen Eigentums dem sich entwickelnden Recht über die längste Zeit bis hinein in die Anfänge der Neuzeit weitgehend fremd.

      II. AntikeAntike und MittelalterMittelalter

      Die Wirtschaft der Antike war agrarisch, d.h. durch Ackerbau und Viehzucht sowie durch Handel und durch Handwerk geprägt. Die natürlichen Ressourcen waren noch nicht annähernd erkannt oder gar erschöpft und zur Verrichtung schwerer körperlichkörperlichArbeitener Arbeiten standen nicht nur Lasttiere, sondern vielfach Sklaven zur Verfügung. Es bestand mithin noch keine Notwendigkeit, die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz durch die gezielte Erforschung der Naturkräfte und die Entwicklung immer neuer Technologien zu gewährleisten. Vielmehr beschränkte sich der Einsatz der Technik überwiegend auf einfache, leicht beherrschbare Naturkräfte, deren Nutzung – wie etwa die des Windes, des Wassers oder der Schwerkraft – nicht als erfinderische Leistung eines Einzelnen hervortrat. Unter derartigen gesellschaftlichen Umständen war für die Frage nach einem Schutz technischer Erfindungen noch kein Raum. – Auch die Idee eines Rechtes an einem geistig-schöpferischen Werk und ein Recht des Urhebers ist zu dieser Zeit völlig unbekannt. Gleichwohl existiert bereits in der Antike ein Bewusstsein für „geistiges Eigentums“. Der römische Dichter Marcus Valerius Martialis (42 bis 104 n. Chr.) verglich seine Gedichte mit freigelassenen Sklaven und bezeichnete einen anderen Dichter, der seine Gedichte als eigene ausgab, scherzhaft als Menschenräuber (lat. plagiariusplagiarius) – was zugleich den Ursprung des Wortes „PlagiatPlagiat“ (franz. plagiaire) erklärt, das bis heute für die Kennzeichnung auf geistigem Diebstahl beruhender Werke geläufig ist.1 Derjenige, der den „Diebstahl“ begeht, ist mithin der PlagiatorPlagiat-or!2 Ein Autorenrecht, das dem Bestohlenen ein Klagerecht gegen den Plagiator gegeben hätte, war im Altertum jedoch noch nicht bekannt.

      Ein ähnlicher Befund wie für die Antike, ergibt sich auch für das Mittelalter. Denn auch der durch die strengen Ordnungen der Zünfte und Gilden geprägten mittelalterlichen Wirtschaft war die Idee eines Schutzes individueller technischer Erfinderleistungen noch fremd. In einer durch fehlende GewerbefreiheitGewerbefreiheit, geringen Wettbewerb und starke Reglementierungen durch Zunftordnungen und Zunftzwang geprägten Wirtschaftsordnung – die entwickelte Technik ist Gemeingut der Zunft – ergeben sich weder nennenswerte Anreize für den individuellen ErfindergeistErfinder-geist noch die Notwendigkeit, den Erfindergeist durch ein Verwertungs-Monopol zu stimulieren und zu belohnen.3 Auch im Bereich des religiös motivierten Kulturschaffens ist die materielle Existenz des Schaffenden durch die Zugehörigkeit zu einem Orden, einer Korporation oder durch adelige Herkunft gesichert. Für die Frage nach einem Schutz der geistig-schöpferischen Leistung des individuellen Urhebers, der – verstanden als bloßer Mittler zwischen Gott und Mensch – zudem häufig anonym bleibt, existiert noch keine Bewusstseinslage.4

      III. PrivilegienwesenPrivilegienwesen

      Erste Ansätze eines ErfinderErfinder-schutzschutzes brachte das sog. Privilegienwesen an der durch eine Vielzahl bedeutender Entdeckungen und Erfindungen gekennzeichneten Wende zur NeuzeitNeuzeit (ab dem 15. Jahrhundert). Die sich in unterschiedlicher Ausgestaltung entwickelnden Privilegien bestanden in einem vom jeweiligen Territorialherren gewährten, regelmäßig befristeten Monopolrecht, durch das im Interesse der Allgemeinheit der Unternehmer- und Erfindergeist gefördert und die Einführung eines neuen Gewerbes (GewerbeprivilegGewerbeprivilegien) bzw. die erfinderische Leistung (ErfinderErfinder-privilegprivilegien) belohnt werden sollte. Die Erteilung des Privilegs erfolgte durch eine landesherrliche Urkunde in Form von offenen Schutzbriefen (lat.: litterae patentes), durch die – im Falle des Erfinderprivilegs – der Erfinder vom Zunftzwang befreit, zur alleinigen gewerblichen Nutzung berechtigt und vor Nachahmung geschützt wurde. Auf die Erteilung eines Privilegs, dessen Gewährung Gnadensache des jeweiligen Landesherrn war, bestand kein Rechtsanspruch. Gleichwohl entwickelte sich aus den Privilegien im Laufe der Zeit eine feste Rechtspraxis, aus der heraus sich die wesentlichen Grundlagen des heutigen Patentrechts entwickelt haben.1 Nicht nur im Bereich der technischen Erfindungen, auch im Bereich der Geisteswerke entwickelte sich im ausgehenden 15. Jahrhundert das Privilegienwesen, als dessen Ausgangspunkt die Erfindung des Buchdrucks (um 1450) und das damit entstandene Bedürfnis nach einem rechtlichen Schutz gegen Nachdruck gesehen wird.2 Im Laufe der langen Geschichte des Privilegienwesens bildeten sich unterschiedliche Privilegientypen heraus, die – je nach Sachlage und gesellschaftlicher Situation – der Gewerbeförderung (sog. DruckprivilegienPrivilegienwesenDruckprivileg zugunsten der Drucker), dem Investitionsschutz (sog. BücherprivilegienPrivilegienwesenBücherprivileg zugunsten der Drucker/Verleger), dem Leistungsanreiz (sog. TerritorialprivilegienPrivilegienwesenTerritorialprivileg territorial begrenzte Nachdruckverbote zugunsten der Verleger) oder der Belohnung der geistigen Schöpfung (sog. AutorenprivilegienPrivilegienwesenAutorenprivileg) dienten. Obgleich die zuletzt genannten Autorenprivilegien die ideellen Interessen der Autoren schützten und bereits Ansätze enthielten, die Autoren materiell zu belohnen, sind auch diese noch nicht als Beginn des Urheberrechts im heutigen Sinne zu verstehen, da sie das Geisteswerk allenfalls mittelbar schützen und primär am Druck des privilegienwürdigen Werkes anknüpfen.3 In England führten sachfremde Auswüchse der Privilegienerteilung auf Waren des täglichen Bedarfs in einer Gegenbewegung schließlich zum Erlass einer einschränkenden gesetzlichen Regelung durch das AntimonopolstatutAntimonopolstatut von 1624 (Statute of Monopolies – einem Vorläufer der europäischeuropäischPatentgesetzgebungen Patentgesetzgebung), durch das Monopole als Eingriffe in die Gewerbefreiheit grundsätzlich für unzulässig erklärt und im Interesse der Allgemeinheit nur wirklichen neuen Gewerbeerzeugnissen und Verfahren vorbehalten wurden (sog. MonopoltheorieMonopoltheorie).4

      IV. Die TheorieTheorievom geistigen Eigentum vom geistigen Eigentum

      Ein völlig neues Verständnis in der Beurteilung der Ergebnisse geistiger Schaffenstätigkeit konnte sich erst auf der Grundlage der Philosophie der AufklärungAufklärung (ab dem 17. Jahrhundert) entwickeln, also jener Geistesströmung, die sich im Denken und Handeln auf die Vernunft beruft und sich als Selbstbefreiung von aller Bevormundung durch Tradition und kirchliche Autorität versteht. Nach der in dieser Zeit zur Blüte gelangenden NaturrechtNaturrecht-slehreslehreLehreNaturrechts- ist das NaturrechtNaturrecht das Recht, das sich aus der menschlichen Natur ableitet und das demgemäß aus der reinen Vernunft, die allen Menschen eigen ist, erkennbar ist.1 Die Naturrechtslehre führte zu der Überzeugung, dass der geistig Schaffende auf das Ergebnis seiner Schaffenstätigkeit ein natürliches, nicht von einem fürstlichen Gnadenakt abhängiges Anrecht habe, das ähnlich wie das Sacheigentum ohne weiteres anzuerkennen sei. Zur vollen Geltung kam die damit begründete Theorie vom geistigen Eigentum in der Französischen Revolution, in deren Zuge mit der Anerkennung der Menschenrechte auch die Anerkennung des geistigen Eigentums (propriété industrielle und propriété littéraire et artistique) erfolgte.2

      V. Die Entwicklung im 19. Jahrhundert/ReichsgesetzgebungReichsgesetzgebung

      Anders als in Frankreich und England – und den von diesen beiden Ländern beeinflussten Vereinigten Staaten von Amerika (USA) – konnte sich die Idee vom geistigen Eigentum in Deutschland, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch durch eine starke territoriale Zersplitterung und eine dadurch gehemmte industrielle Entwicklung gekennzeichnet ist, nur verzögert durchsetzen. So herrscht zu dieser Zeit in den deutschen Territorialstaaten – mit Ausnahme der linksrheinischen Gebiete, in denen französisches Recht gilt – allerorten weiterhin das Privilegienwesen.1 Um die Mitte des 19. Jahrhundert setzt zudem eine heftige Debatte ein, in deren Verlauf gewerbliche SchutzrechtSchutzrechte wegen der damit vermeintlich einhergehenden Beschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit als schädliche Überreste eines überholten


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