Ius Publicum Europaeum. Martin Loughlin

Ius Publicum Europaeum - Martin  Loughlin


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was ihren Status anbelangte, den gleichen Schutz wie Offiziere. Sie wurden vom König ernannt, nachdem sie entweder an ihren Vorgänger, der zu ihren Gunsten von seinem Amt zurückgetreten ist, oder an die königliche Finanzverwaltung eine Summe gezahlt hatten, die dem pekuniären Wert des zu übernehmenden Amtes entsprach. Sie konnten nicht ihres Amtes enthoben werden, außer im Falle einer Verurteilung wegen Amtsmissbrauchs. Der Wert ihres Amtes war Bestandteil ihres Vermögens und ging mit ihrem Tod auf ihre Erben über. Aufgrund dieses Status, der ihnen Unabsetzbarkeit garantierte, konnten sie den intendants trotzen.

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      Gravierendere Auswirkungen hatte es, dass die Parlements und die Cours des aides königlichen Reformunternehmungen Widerstand leisteten, indem sie der Krone Vorhaltungen machten, wenn ihnen ein Edikt zwecks Registrierung zugestellt wurde. Auf diese Weise gelang es ihnen, innovative Reformen, wie die Abschaffung des Frondienstes für den Bau und die Instandsetzung von Straßen, sowie Steuerreformen, die eine gerechtere Verteilung der direkten Steuerlast bewirken sollten, aufzuhalten. Sie verhinderten darüber hinaus Reformen, die von physiokratischen Ideen inspiriert waren und auf eine Liberalisierung der Wirtschaft sowie auf eine Modernisierung und Vereinheitlichung der Verwaltungsorganisation auf der Ebene der Kommunen und Provinzen abzielten. Die Situation der königlichen Finanzen entwickelte sich infolge der Ausgaben, die durch den Krieg gegen England an der Seite der amerikanischen Aufständischen verursacht wurden, kritisch, und Ludwig XVI. sah sich gezwungen, die Etats Généraux einzuberufen, die sich aus den Abgeordneten der drei Stände, welche die Gesellschaft des Ancien Régime bildeten, zusammensetzten: Klerus, Adel und Dritter Stand.

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      Diese Veränderungen und die mit ihnen einhergehenden Konflikte veranlassten die traditionellen Kräfte dazu, eine Trennung der Verwaltung von der Gerichtsbarkeit zu verlangen. Dass die intendants, die Minister und die Mitglieder des Conseil du roi die Befugnis besaßen, Verwaltungsangelegenheiten wahrzunehmen, und gleichzeitig anstelle der traditionellen Gerichte über Verwaltungsstreitigkeiten urteilen konnten, wurde in Übereinstimmung mit Charles-Louis Secondat Baron de Montesquieus L’Esprit des lois als Quelle des Despotismus angesehen. In den Beschwerdeheften von 1789 war häufig die Forderung zu finden, Verwaltung und Justiz voneinander zu trennen.

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      Die zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung aufgewerteten Etats Généraux nahmen eine radikale Revolution der Verwaltung in Angriff, die an den Verzicht auf sämtliche persönlichen und territorialen Privilegien anknüpfte, der im Enthusiasmus der Nacht des 4. August 1789 beschlossen worden war. Die traditionellen Institutionen wurden teils abgeschafft, teils grundlegend umgestaltet. Die örtlichen Verwaltungen waren als erste davon betroffen. Die Provinzen wurden aufgelöst. Die Kommunalverwaltungen wurden reorganisiert: Die Amtsträger wurden nunmehr durch Zensuswahl bestimmt. Die Ämter der königlichen Bediensteten, von denjenigen der prévôts bis hin zu denjenigen der intendants, wurden abgeschafft. Der Conseil du roi verschwand. Die zentralen Dienste wurden neu organisiert und neu geschaffenen Ministerien zugeordnet.

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      Was die neue territoriale Gliederung anbelangte, legte die verfassunggebende Versammlung ein wesentliches Augenmerk auf die Gleichheit. Um diese zu gewährleisten, baute sie auf völlige Uniformität. Sie ersetzte die Provinzen durch 83 neue Bezirke, die Departements, welche wiederum in Distrikte unterteilt waren. Alle Departements und Distrikte wurden mit den gleichen Organen ausgestattet, deren Mitglieder nach dem Zensuswahlsystem gewählt und deren Aufgabenbereiche identisch waren, nicht anders als dies bei den kommunalen Amtsträgern der Fall war. Das traditionelle System der Ämtervergabe wurde vollständig beseitigt. Die Hilfskräfte der gewählten Personen und der Minister besaßen lediglich einen Angestelltenstatus. Der König, der Inhaber der vollziehenden Gewalt, aber nicht mehr der Souverän war, blieb der „Leiter der allgemeinen Verwaltung des Reiches (chef de l’administration générale du royaume)“. Seine Rolle bestand insofern allerdings darin zu veranlassen, dass die von der gesetzgebenden Versammlung beschlossenen Gesetze durch die Minister angewendet wurden. Seine eigenen Handlungsmöglichkeiten waren begrenzt: Er hatte keine Autorität über die Generalanwälte (procureurs), welche die Anwendung der Gesetze durch das örtliche Verwaltungspersonal zu überwachen hatten; er ernannte sie nicht einmal.

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