Kapitalmarktrecht. Petra Buck-Heeb
für Unternehmen, die häufig Wertpapiere begeben) vereinfacht sein. Prospekte werden künftig v.a. in elektronischer Form vorliegen, wobei der Anleger auf Verlangen diese auch weiterhin in Papierform erhält. Die ProspektVO soll auch den kleineren und mittleren Unternehmen (sog. KMU) Erleichterungen bieten[14].
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Prospekte, die vor dem 21. Juli 2019 gebilligt wurden, unterlagen bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit bzw während eines Zeitraums von 12 Monaten noch dem „alten“ Recht (Art. 46 Abs. 3 ProspektVO).
a) Pflicht zur Erstellung eines Prospekts
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Die Pflicht zur Erstellung eines Prospekts ist in Art. 3 Abs. 1 ProspektVO geregelt. Danach ist ein öffentliches Angebot von Wertpapieren nur nach vorheriger Prospektveröffentlichung gestattet.
→ Definition:
„Öffentliches Angebot“ von Wertpapieren meint eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden (Art. 2 lit. d ProspektVO).
„Angebot“ meint das Vorliegen eines Verkaufs- oder Tauschangebots. Ein Kaufangebot ist nicht von der ProspektVO erfasst, da es nicht auf den (nationalen) Begriff des Angebots iS des § 145 BGB ankommt[15]. Art. 2 lit. d ProspektVO erwähnt nur die Möglichkeit des Anlegers, sich aufgrund der gegebenen Informationen zum Kauf zu entscheiden, nicht, dass es möglich sein muss, diese Entscheidung unmittelbar durch einen Kauf umzusetzen[16]. Daher reicht es, wenn das Publikum zur Angebotsabgabe aufgefordert wird (invitatio ad offerendum)[17].
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Das Angebot muss öffentlich sein, dh sich an einen unbestimmten Personenkreis richten (Angebot im Internet, in der Zeitung, allgemeines Rundschreiben). Der Gegensatz zum öffentlichen Angebot ist die Privatplatzierung (private placement). Dort besteht zwischen Anbieter und Anleger bereits vor Abgabe des Angebots eine persönliche Verbindung[18]. Die Abgrenzung zwischen einem „öffentlichen Angebot“ und einer Privatplatzierung kann schwierig sein[19].
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Eine Prospektpflicht besteht nicht nur bei einem öffentlichen Angebot, sondern auch dann, wenn ein Handel an einem geregelten Markt (Art. 2 lit. j ProspektVO; Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 MiFID II) erfolgen soll (Art. 3 Abs. 3 ProspektVO). Dem entspricht in Deutschland der regulierte Markt[20].
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Ein Verstoß gegen die Prospektveröffentlichungspflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 3 Nr. 1 WpPG dar und führt zu einer Untersagung des Angebots (Verwaltungsakt) durch die BaFin (§ 18 Abs. 4 WpPG). Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung (§ 20 Nr. 1 WpPG). Zudem droht eine Prospekthaftung[21].
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Für bestimmte Fälle ist die freiwillige Erstellung eines Prospekts möglich (Art. 4 Abs. 1 ProspektVO). Davon wird v.a. Gebrauch gemacht, wenn grenzüberschreitende Emissionen geplant sind. Dann sind sämtliche Bestimmungen der ProspektVO und des WpPG zu beachten (Art. 4 Abs. 2 ProspektVO). Der Prospekt wird wie ein solcher nach Art. 3 Abs. 1 ProspektVO angesehen und unterliegt allen Anforderungen der ProspektVO. Er ist also von der BaFin zu billigen und zu veröffentlichen. Für diesen Prospekt wird wie für einen Pflichtprospekt gehaftet (Art. 4 Abs. 2 ProspektVO)[22].
b) Ausnahmen von der Prospektpflicht
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Da eine Prospekterstellung für den Emittenten regelmäßig mit hohen Kosten verbunden ist, kommt den Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts große praktische Bedeutung zu. Dabei gibt es drei verschiedene Ausnahmekategorien. Hinzu kommen für bestimmte Fälle Schwellenwerte, ab derer die ProspektVO anzuwenden ist und damit eine Prospektpflicht besteht.
aa) Ausnahmekategorien
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Art. 1 Abs. 2 ProspektVO enthält eine Ausnahme für bestimmte Arten von Wertpapieren. So findet die Verordnung etwa keine Anwendung auf bestimmte OGAW-Anteilsscheine (Art. 1 Abs. 2 lit. a ProspektVO).
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Bei bestimmten Arten öffentlicher Wertpapierangebote besteht keine Prospektpflicht (Art. 1 Abs. 4 ProspektVO). Das gilt zB bei allein an qualifizierte Anleger gerichtete Wertpapierangebote (lit. a), oder solche, die sich an weniger als 150 nicht qualifizierte Anleger pro Mitgliedstaat richten (lit. b).
→ Definition:
Qualifizierte Anleger sind v.a. Personen oder Einrichtungen, die in Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 – 4 MiFID II aufgeführt sind und damit als sog. professionelle Kunden iS der MiFID II bzw des WpHG gelten (Art. 2 lit. 3 ProspektVO).
Beispiele:
Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsgesellschaften, Pensionsfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften sowie große Unternehmen, die zwei der nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen erfüllen: 20 000 000 EUR Bilanzsumme, 40 000 000 EUR Nettoumsatz, 2 000 000 EUR Eigenmittel.
Auch wenn etwa ein Wertpapierangebot mit einer Mindeststückelung von 100 000 Euro vorliegt, besteht keine Prospektpflicht (lit. c). Art. 1 Abs. 5 ProspektVO schließt im Anschluss an Art. 1 Abs. 4 ProspektVO, der für Angebotsprospekte gilt, auch Zulassungsprospekte für bestimmte Instrumente aus.
bb) Prospektpflicht erst ab Erreichen eines Schwellenwerts
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Die ProspektVO gilt nicht bei öffentlichen Angeboten, die weniger als 1 000 000 Euro betragen (Art. 1 Abs. 3 ProspektVO). Hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Kosten für die Prospekterstellung in keinem Verhältnis zum gewollten Emissionserlös stehen[23].
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Art. 3 Abs. 2 ProspektVO enthält sodann eine Ausnahme, welche die Mitgliedstaaten für Wertpapiere vorsehen können, die u.a. den Wert von 8 000 000 Euro, berechnet über einen Zeitraum von zwölf Monaten, nicht überschreiten. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber schon mit dem Optionsgesetz von 2018 und nunmehr in § 3 Nr. 2 WpPG für solche sog. Kleinemissionen Gebrauch gemacht[24]. Voraussetzung hierfür ist aber nach deutschem Recht die Erstellung, Hinterlegung und Veröffentlichung eines Wertpapier-Informationsblatts (§ 4 Abs. 1 WpPG)[25]. Zudem ist eine solche Befreiung von der Pflicht zur Prospektveröffentlichung nur dann möglich, wenn ein Vertrieb ausschließlich über die Anlageberatung oder Anlagevermittlung erfolgt (§ 6 WpPG)[26].
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Das beratende oder vermittelnde Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist rechtlich verpflichtet, bestimmte Einzelanlageschwellen für die nicht qualifizierten Anleger zu prüfen. Der Höchstbetrag liegt nach § 6 Nr. 1 WpPG bei 1000 Euro. Ausnahmsweise ist eine Anlage in Höhe von 10 000 Euro möglich, sofern der Anleger nach Selbstauskunft mindestens frei verfügbares Vermögen in Höhe von 100 000 Euro hat. Alternativ kann der zweifache Betrag des durchschnittlichen Monatseinkommens nach Selbstauskunft, höchstens aber 10 000 Euro, angelegt werden (§ 6 Nr. 2 und 3 WpPG).
a) Prospektformen
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Die