Verteidigung in der Hauptverhandlung. Klaus Malek
in der Hauptverhandlung fordert (§ 226). Die Besetzung des Gerichts darf daher bis zur Urteilsverkündung nicht wechseln; andernfalls muss die ganze Hauptverhandlung wiederholt werden.[27] Allerdings können gem. § 192 Abs. 2 GVG bei Verhandlungen von längerer Dauer Ergänzungsrichter zugezogen werden, die der Verhandlung beiwohnen und im Falle der Verhinderung eines Richters für ihn eintreten. Dies gilt auch für Schöffen (§ 192 Abs. 3 GVG). Allerdings müssen die Ergänzungsrichter, um wirksam eintreten zu können, von Anfang an der Hauptverhandlung beigewohnt haben.[28] Staatsanwälte und Urkundsbeamte der Geschäftsstelle können dagegen nebeneinander und nacheinander tätig werden (ausdrücklich für die Staatsanwaltschaft: § 227). Die (ununterbrochene) Anwesenheit eines Verteidigers ist nur in den Fällen der notwendigen Verteidigung zwingend.[29] Ergeben sich deren Voraussetzungen erst während der Hauptverhandlung, und wird nunmehr ein Verteidiger bestellt, so muss die Hauptverhandlung in dessen Anwesenheit in ihren wesentlichen Teilen wiederholt werden.[30] Hierzu gehören jedenfalls die Vernehmung des Angeklagten zur Person und Sache,[31] die Verlesung des Anklagesatzes und des Eröffnungsbeschlusses,[32] die Beweisaufnahme,[33] die Feststellung der Vorstrafen,[34] die Schlussvorträge[35] und die Verlesung der Urteilsformel.[36] Für andere Verfahrensbeteiligte, etwa Nebenkläger, Dolmetscher oder Sachverständige ist die ununterbrochene Anwesenheit nicht vorgeschrieben.
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3. Unmittelbarkeitsgrundsatz
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Der Grundsatz der Unmittelbarkeit im Strafprozess gebietet, dass das erkennende Gericht die Beweise selbst erhebt, um von ihnen durch eigene Wahrnehmung Kenntnis zu erlangen, und dass es zu seiner Überzeugungsbildung solche Beweismittel verwendet, deren Benutzung an die Ermittlung des Sachverhalts am nächsten heranführt. § 250, der nur für Wahrnehmungen von Zeugen und Sachverständigen im Strengbeweisverfahren gilt,[37] postuliert den grundsätzlichen Vorrang des Personalbeweises vor dem Urkundenbeweis.[38] Eine wesentliche Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes stellt die gemäß § 255a bestehende Möglichkeit dar, unter bestimmten Voraussetzungen in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder gegen das Leben oder wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung zu ersetzen (vgl. hierzu im einzelnen Rn. 626 ff.).
Anmerkungen
Vgl. Franke StraFo 2014, 362.
BGH NStZ 2002, 106.
BGH NStZ 1996, 398.
BGH NJW 2006, 1220.
BVerfG NJW 2002, 814; BGH 21, 72, 73.
BayObLG StV 1982, 62; OLG Köln NStZ 1984, 282.
BGH StV 1995, 116.
BGHSt 5, 75, 83.
BGH NJW 2006, 1220 = JR 2006, 389 m. Anm. Humberg.
BGH NStZ 1981, 311; OLG Hamm StV 2000, 659; StV 2002, 474.
BGH NStZ-RR 2006, 261.
BGH NStZ 1998, 53 m. abl. Anm. Eisenberg NStZ 1998, 53.
BGH NStZ 1998, 315.
BGH StV 1996, 134.
BGH NStZ 1999, 92.
BGH NStZ 2016, 118.
BGH StV 1993, 460; OLG Braunschweig StV 1994, 474.
BGH NStZ 2013, 51.
KK-Diemer § 171b GVG Rn. 5.
BGH NJW 2006, 1220; BGH B. v. 17.9.2014, 1 StR 212/14.
BGH NStZ 2016, 180 (2. Senat); zur Beruhensfrage bei Nichtausschluss während Zeugenvernehmung dagegen eher kritisch BGH StV 2016, 788 (4. Senat).
Roxin § 44 A I.
Vgl. BGH NStZ 1990, 229; Pfeiffer Einl. Rn. 7.
So jedoch BGH StV 1997, 450 m. – zurecht – abl. Anm. Lunnebach StV 1997, 452.
OLG Jena StraFo 2007, 65.
Eine Ausnahme stellen die Ausführungen von König in Strafverteidigung im Rechtsstaat, S. 623 ff. 627 f., dar, der als Folge des „Absprachewesens“ völlig zu Recht eine Abwertung des Schöffensystems