Verteidigung in der Hauptverhandlung. Klaus Malek
– die Verteidigungsziele definiert und die Möglichkeiten gemeinsamer Verteidigung erörtert werden. Bei diesen „Verhandlungen“, aber auch bei der späteren Realisierung des Vereinbarten, empfiehlt sich bedingt kooperatives Verhalten. Dies bedeutet, dass der Verteidiger nur um den Preis der durch die Zusammenarbeit errungenen Vorteile von einer möglicherweise (!) erfolgreicheren Konfrontationsstrategie Abstand nimmt, diese aber durchaus einzuschlagen bereit ist, wenn die Seite des Mitangeklagten vom Verabredeten abweichen will. Kündigt beispielsweise der Mitangeklagte entgegen der gemeinsamen Absprache, wonach beide Angeklagte von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen, in der Hauptverhandlung unvermittelt an, er wolle ein Geständnis ablegen, um sich die Vorteile eines Geständnisses zu sichern, so wäre es in der Regel ein grober Fehler, sich weiterhin kooperativ zu verhalten und aus diesem Grund zu schweigen.
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Bei der Umsetzung der gemeinsamen Verteidigungsstrategie in der Hauptverhandlung sollte der Verteidiger allerdings keine Zurückhaltung üben: Er kann auch dann fragen, beanstanden, ablehnen und Beweisanträge stellen, wenn vorrangig nur der Mitangeklagte betroffen ist.[47] Dies ist eine Konsequenz daraus, dass die einheitliche Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung für und gegen alle Mitangeklagten wirkt.[48] Der Verteidiger muss dann selbstverständlich auch das Recht haben, umfassend auf das Prozessgeschehen einzuwirken.
Teil 2 Allgemeines › IV. Die Stellung des Verteidigers und sein Verhältnis zu den Prozessbeteiligten › 5. Die Medien in der Hauptverhandlung
5. Die Medien in der Hauptverhandlung
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Die Prozessberichterstatter und Vertreter der Medien sind im juristischen Sinne keine Prozessbeteiligten. Allerdings sind sie als Teil der Öffentlichkeit und über Art. 5 GG mit eigenen Rechten ausgestattet, ein gewichtiger Faktor im gesamten Strafverfahren, meist noch mehr im Ermittlungsverfahren als in der Hauptverhandlung. Der Verteidiger, der die Interessen seines Mandanten bestmöglich wahrnehmen will, darf sie nicht ignorieren.
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Die in Art. 5 GG garantierte Pressefreiheit schützt auch die Medienberichterstattung aus einem Strafverfahren, denn zum Kern der Meinungsäußerungsfreiheit der Presse gehört auch, dass die Medien nach eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht.[49] Dies gilt unabhängig davon, ob sie, der staatstheoretischen Begründung folgend, öffentliche Kontrolle und Schutz vor Willkür durch die Justiz bieten soll,[50] oder ob sie, wie heute überwiegend angenommen wird, dem Informationsinteresse der Allgemeinheit dient.[51] Der Verteidiger muss die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls in Grundzügen kennen, um argumentativ gewappnet zu sein, wenn es darum geht, die Interessen seines Mandanten in der Hauptverhandlung zu schützen.[52]
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§ 169 Satz 2 GVG verbietet Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen aus der Hauptverhandlung zum Zweck der Veröffentlichung und schränkt damit die Pressefreiheit ein. Die Vorschrift ist verfassungsgemäß,[53] ja sogar verfassungsrechtlich geboten,[54] und auch zwingend, ohne dass dem Vorsitzenden bei einer entsprechenden sitzungspolizeilichen Anordnung ein Ermessenspielraum zustünde. Der Verteidiger muss daher, um seinen Mandanten zu schützen, gegenüber dem Vorsitzenden auf strikter Einhaltung dieses Verbots bestehen.[55]
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Das Verbot des § 169 Satz 2 GVG umfasst allerdings nicht das Anfertigen von einfachen Bildaufnahmen (einerlei, ob in analoger oder digitaler Form) im Gerichtssaal während der Hauptverhandlung[56] (was nicht bei allen Gerichten bekannt ist) und außerhalb des Gerichtssaals,[57] und gilt auch nicht für Ton- und Filmaufnahmen außerhalb der Hauptverhandlung.[58] Allerdings kann der Vorsitzende alle diese Aufnahmen im Rahmen seiner sitzungspolizeilichen Befugnisse unterbinden. Die Zulässigkeit eines solchen Verbots richtet sich nach den §§ 22, 23 KUG. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Eine Ausnahme besteht dann, wenn es sich um ein Bild aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (§ 23 Abs. 1 KUG), wozu die Verhandlung schwerwiegender Fälle, etwa im Schwurgerichtsverfahren, gehören, und wenn nicht berechtigte Interessen des Abgebildeten entgegenstehen (§ 23 Abs. 2 KUG). Bei der Anordnung des Vorsitzenden hat eine umfassende Abwägung öffentlicher und privater Interessen stattzufinden, bei der das Gewicht des strafrechtlichen Vorwurfs ebenso zu berücksichtigen ist wie die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten.[59] Bei schwersten Straftaten wird in der Regel das öffentliche Interesse vorgehen, ebenso bei Verfahren gegen sogenannte Personen der Zeitgeschichte. Für den Vorrang des öffentlichen Interesses ist auch ins Feld zu führen, dass der Angeklagte ein Geständnis abgelegt hat, wodurch die Unschuldsvermutung an Gewicht verliert.[60] Zu sehen ist aber auch, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit regelmäßig nicht allein auf den Angeklagten und die ihm zur Last gelegten Taten, sondern auch auf diejenigen Personen gerichtet ist, die in dem Fall als Mitglieder des Spruchkörpers, als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft oder als Strafverteidiger an der Rechtsfindung mitwirken.[61] Allerdings wird sich der Verteidiger, wie auch die Richter und der Staatsanwalt, mit einem geringeren Schutz seiner Persönlichkeitsrechte abfinden müssen als der Angeklagte, da die Teilnahme an einer öffentlichen Hauptverhandlung zu deren beruflichen Aufgaben gehört, und nicht, wie beim Angeklagten, primär Privatangelegenheit ist.[62] Der Vorsitzende hat die für die Entscheidung maßgebenden Gründe offenzulegen,[63] so dass der Verteidiger zunächst einmal Gegenvorstellungen vorbringen kann. Da die Handhabung bei den Vorsitzenden nicht einheitlich ist, sollte der Verteidiger in den entsprechenden Fällen (insbesondere wenn sich die Presse „angemeldet“ hat) bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung mit diesem Kontakt aufnehmen, um das Procedere abzuklären. So kann mit dem Vorsitzenden vereinbart werden, dass der Angeklagte erst dann den Gerichtssaal betritt, wenn die Pressevertreter ihre Aufnahmen aus dem Gerichtssaal und gegebenenfalls von den übrigen Prozessbeteiligten gefertigt haben.[64] Hierfür kann es angebracht sein, dem Angeklagten einen separaten Zugang zum Gerichtssaal zur Verfügung zu stellen, wenn die baulichen Gegebenheiten dies zulassen, oder einen frühzeitigen Aufschluss des Verhandlungssaales zu gewährleisten.[65] Der Vorsitzende kann auch anordnen, sofern Bildaufnahmen vom Angeklagten gestattet werden, dass diese so zu „verpixeln“ sind, dass dessen Anonymität gewahrt bleibt.[66]
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Der formellere Weg ist derjenige über einen Antrag an den Vorsitzenden, bestimmte Verhaltensweisen von Pressevertretern zu untersagen, etwa Bild- und Filmaufnahmen in der Zeit unmittelbar vor und nach der Hauptverhandlung sowie in den Verhandlungspausen anzufertigen.
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Gegen sitzungspolizeiliche Anordnungen des Vorsitzenden ist grundsätzlich nicht die Beschwerdemöglichkeit gegeben, [67] sondern die Herbeiführung eines Gerichtsbeschlusses nach § 238 Abs. 2.[68] Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Anordnung Rechtspositionen des Betroffenen über die Hauptverhandlung hinaus beeinträchtigt, was bei der Gestattung von Bild- oder Filmaufnahmen zum Zweck der Veröffentlichung stets der Fall sein dürfte. Dann ist die Beschwerde zulässig.[69]
Hinweis
Soweit die Versuche von Bildreportern, den Angeklagten zu fotografieren oder zu filmen, gesetzwidrig sind (etwa § 169 Satz 2 GVG verletzen) oder gegen eine gerichtliche Anordnung verstoßen, darf durch den Angeklagten Notwehr in der Form ausgeübt werden, dass er dem Photographen die Kamera gewaltsam aus den Händen schlägt. Er muss sich nicht darauf beschränken, sein Gesicht zu verdecken, sondern darf die Art der Verteidigung wählen, die den Angriff sofort und endgültig beendet.[70] Was für die Notwehr des Mandanten gilt, wird für die Nothilfe des Verteidigers nicht anders zu beurteilen sein.
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