Verteidigung in der Hauptverhandlung. Klaus Malek
Das Verhältnis des Verteidigers zu den Medien ist nicht unproblematisch. Die Schwierigkeiten wurzeln in erster Linie darin, dass hier ganz unterschiedliche Interessen und Sichtweisen aufeinandertreffen. Während sich das Gericht (idealerweise) über die streng rechtlich geregelte Wahrheitssuche zur Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit verpflichtet fühlen soll, und der Verteidiger einseitig den persönlichen Belangen seines Mandanten dient, orientiert sich die Presse im harten Kampf um Marktanteile ausschließlich an wirtschaftlichen Prinzipien,[71] d.h. der Zahl ihrer Leser und Zuschauer.[72] „Zentrales Kampfinstrument“ ist die neue interessante Nachricht.[73] Das Konsumenteninteresse gilt mehrheitlich jedoch nicht der Einhaltung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dessen Regeln überwiegend ohnehin nicht bekannt sind.[74] Hier regiert nicht die Unschuldsvermutung, sondern die „Schuldvermutung“.[75] Die Berichterstattung verkommt so zum Medienspektakel.
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Entsprechend schlecht ist häufig die Qualität der Berichterstattung. Dabei sind sachliche Entgleisungen wie die vom Verteidiger gegen die lebenslange Freiheitsstrafe angekündigte „Berufung“ oder die dreijährige Bewährungsstrafe noch leichter zu ertragen als die oft herabwürdigende und vorverurteilende Berichterstattung über die Person des Angeklagten. Der Verteidiger muss sich darüber im Klaren sein, dass die Presse die Macht hat, in existenzvernichtender Weise über das Verfahren und über seinen Mandanten zu berichten. Dies muss nicht mittels unwahrer Tatsachenbehauptungen geschehen, gegen die man immerhin, wenn auch häufig mit zweifelhaftem Erfolg, juristisch angehen kann. Schon eine süffisante Bemerkung über die Weigerung des Angeklagten oder seines Verteidigers, sich zur Sache zu äußern oder zumindest eine Stellungnahme gegenüber der Presse abzugeben, kann suggerieren, der Angeklagte werde wohl etwas zu verbergen haben.[76] Mit anderen Worten: „Angeklagte werden verbal bereits verurteilt, bevor das Gericht entschieden hat.“[77]
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Aus diesen Gründen sollte der Verteidiger neben der Beherrschung des strafrechtlichem Instrumentariums zumindest auch die Grundzüge des Presserechts kennen oder einen darin bewanderten Kollegen zur Seite haben, wenn es darum geht, Unterlassungs- oder Gegendarstellungansprüche geltend zu machen.[78] Nicht selten hilft in entsprechenden Fällen aber auch ein Gespräch mit dem verantwortlichen Redakteur oder dessen Vorgesetzten, wobei auch für ein solches Gespräch die Kenntnis des Presserechts von Vorteil sein wird.
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Die Gefahr schlechter oder verzerrender Berichtserstattung muss der Verteidiger im Auge behalten, wenn Pressevertreter mit Interviewwünschen oder der Bitte um eine Stellungnahme, etwa zu Beginn oder am Ende eines Hauptverhandlungstages, an ihn herantreten. Meist wird es, wenn ein Interview für einen Fernsehbericht gewünscht wird, lediglich darum gehen, diesen mit ein wenig Lokalkolorit aus dem Gericht anzureichern, wozu Statements der Akteure immer ein gutes Mittel sind.[79] Andererseits besteht im Kontakt mit der Presse auch die Möglichkeit, zugunsten des Mandanten gestaltend auf die Berichterstattung einzuwirken. So wie es im Ermittlungsverfahren nützlich sein kann, „flankierend“ zu verteidigen,[80] etwa durch Gespräche mit Pressevertretern oder durch Presseerklärungen, um vorverurteilender Berichtserstattung entgegenzuwirken, kann es auch noch bei laufender Hauptverhandlung von Nutzen sein, durch Stellungnahmen zum bisherigen Verlauf des Verfahrens die Position der Verteidigung zur Geltung zu bringen. In geeigneten Fällen sollte sich der Verteidiger (das Einverständnis des Mandanten wie immer vorausgesetzt) auch nicht scheuen, den interessierten Gerichtsreportern Kopien der in der Hauptverhandlung gestellten Anträge zur Verfügung zu stellen und diese ggf. zu erläutern. So steigt jedenfalls die Chance, dass die Verteidigung nicht falsch zitiert wird. Dasselbe gilt für Erklärungen zu Beginn der Hauptverhandlung oder für Stellungnahmen nach § 257 Abs. 2, sofern diese schriftlich vorliegen.
Anmerkungen
Ausführliche Darstellungen finden sich z.B. bei Barton § 4 Rn. 2 ff.; Salditt in: MAH Strafverteidigung § 1 und Beulke/Ruhmannseder Rn. 10 ff.; s.a. Beulke StV 2007, 261; Dornach S. 32 ff.; ders. NStZ 1995, 57.
BVerfGE 38, 105, 119; 53, 207, 214; BGH 9, 20, 22; 15, 326; Augstein NStZ 1981, 52; Beulke Strafprozessrecht Rn. 163 ff., 200; ders. Der Verteidiger im Strafverfahren, S. 163 ff., 200; Hellmann Strafprozessrecht § 6 Rn. 6; Roxin/Schünemann § 19 A II 3; Rückel NStZ 1987, 297, 299; Meyer-Goßner/Schmitt vor § 137 Rn. 1; Fischer StGB § 258 Rn. 7.
BVerfGE 34, 239, 302.
BGH 13, 337, 343; Hammerstein NStZ 1990, 261, 264.
Krekeler NStZ 1989, 146; Liemersdorf MDR 1989, 204.
Ostendorf NJW 1978, 1345 ff.; Gatzweiler StV 1985, 248 ff.; Lüderssen FS Dünnebier S. 263 ff.; LR-Lüderssen/Jahn vor § 137 Rn. 33 ff.
Völlig zurecht weisen Beulke/Ruhmannseder Rn. 10, darauf hin, dass die Rechtsstellung des Strafverteidigers nicht Ausgangspunkt, sondern Ergebnis der Analyse des Prozessrechts sein müsse. Dem ist beizupflichten.
Vgl. LR-Lüderssen/Jahn vor § 137 Rn. 77 unter Berufung auf Dahs NJW 1975, 1387.
BGH StV 1999, 153 ff.; dagegen Gillmeister FS Schiller, S. 184, der das Verbot auf die „Beratung zur Lüge“ begrenzen will.
Kleine-Cosack AnwBl. 2009, 495; dagegen fragt Gillmeister FS Schiller, S. 186 zu Recht, wer den „rechtsstaatlich vertretbaren Zweck“ definieren soll.
Z.B. Dahs StraFo 2000, 181; Krekeler NStZ 1989; Salditt StV 1999, 64.
Gillmeister FS Schiller, S. 187.
Gillmeister FS Schiller, S. 187.
OLG Nürnberg StV 1995, 287 m. Anm. Barton StV 1995, 290.
Vgl. Kohlmann FS Peters, S. 311 ff.; kritisch Steiner S. 204.