Insolvenzstrafrecht. Gerhard Dannecker
Abweisung der Eröffnung mangels Masse erfolgt gem. § 26 Abs. 2 S. 1 InsO ein Eintrag des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis – die so genannte „schwarze Liste“[17] – bzw. eine Mitteilung von Amts wegen an das Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister gem. § 31 Nr. 2 InsO, wenn der Schuldner dort als juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit verzeichnet ist.
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Mit Rechtskraft des Abweisungsbeschlusses werden Gesellschaften kraft Gesetzes aufgelöst.[18] Die Abweisung mangels Masse führt in der Praxis zu der problematischen Situation, dass kein geordnetes Insolvenzverfahren mehr durchgeführt werden kann[19], auch wenn der insolvenzrechtliche Begriff der Masseunzulänglichkeit nicht mit demjenigen der Vermögenslosigkeit gleichgesetzt werden kann.[20] Eine beschränkt haftende Gesellschaft ist nach der Lehre vom „Doppeltatbestand“ erst in dem Zeitpunkt voll beendet, in dem sie nicht nur vermögenslos ist, sondern auch im Register gelöscht wurde.[21] So ist – unabhängig von der Schwierigkeit einer solchen Prüfung ohne konkrete Einblicke in die Geschäftsunterlagen der Gesellschaft[22] – stets zu kontrollieren, ob noch Vermögenswerte – etwa in Form von Ansprüchen gegen Dritte – auf Seiten der Gesellschaft vorhanden sind, da eine Gesellschaft, die zwar gelöscht wurde, aber noch über Vermögen verfügt, als Rechtsträger weiterexistiert. Der insolvenzrechtliche Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gilt für die Liquidatoren nicht, so dass die Gläubiger regelmäßig resignieren, sobald die GmbH im Handelsregister gelöscht wurde.[23] Dies wiederum stellt eine Chance für die ehemaligen Geschäftsführer und jetzigen Liquidatoren dar, nach eigenem Ermessen das verbleibende Restvermögen zu verteilen.[24]
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Verläuft die Massevorprüfung positiv, so ergeht ein Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts.[25] Hiergegen steht dem Schuldner gem. § 34 Abs. 2 InsO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu. In dem Eröffnungsbeschluss ernennt das Insolvenzgericht gem. § 27 Abs. 1 InsO einen Insolvenzverwalter und bestimmt nach § 29 InsO Termine für eine Gläubigerversammlung. Den erforderlichen Inhalt eines solchen Beschlusses gibt § 27 Abs. 2 InsO wieder. Zugleich sind die Gläubiger gem. § 28 InsO aufzufordern, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist von mindestens zwei Wochen und höchstens drei Monaten[26] unter Beachtung von § 174 InsO beim Insolvenzverwalter anzumelden. Daneben sind die Gläubiger durch § 28 Abs. 2 InsO zur Mitteilung etwaiger Sicherungsrechte an Teilen des schuldnerischen Vermögens aufzufordern. Dieser Aufforderung sollte der Gläubiger im eigenen Interesse nachkommen. Ansonsten setzt er sich der Gefahr aus, eigene Forderungen nicht (mehr) realisieren zu können. Zudem macht er sich gegebenenfalls gem. § 28 Abs. 2 S. 3 InsO für entstehende Schäden ersatzpflichtig. Schließlich sind Drittschuldner im Rahmen des § 28 Abs. 3 InsO aufzufordern, nicht mehr an den insolventen Schuldner zu leisten, sondern nur noch an den Verwalter. Unter anderem aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben ist der Eröffnungsbeschluss gem. § 30 Abs. 1 S. 1 InsO sofort öffentlich bekanntzumachen und den Gläubigern, dem Schuldner und dessen Schuldnern zeitgleich gem. § 30 Abs. 2 InsO besonders zuzustellen. Schließlich ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 32 Abs. 1 InsO in das Grundbuch einzutragen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt nach § 155 Abs. 2 S. 1 InsO ein neues Geschäftsjahr.
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Die allgemeinen Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergeben sich aus den §§ 80 ff. InsO. Zunächst gehen die Rechte des Schuldners bezüglich der Verwaltung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens und zu entsprechenden Verfügungen gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Mit seiner Ernennung leitet dieser regelmäßig die Abwicklung der Insolvenz.[27] Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot hat im Verfahren jedoch keine Wirkung, wenn es nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt.[28] Künftige Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der Insolvenzmasse sind gem. § 81 Abs. 1 S. 1 InsO unwirksam. Die wichtigste Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird in der Insolvenzordnung nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich aber aus § 80 Abs. 1 InsO: Die Beschlagnahme der Insolvenzmasse umfasst nach § 35 InsO nicht nur das vorhandene Vermögen, sondern auch Neuerwerbungen des Schuldners während des Verfahrens.[29]
3. Strafrechtliche Konsequenzen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
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Bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie bei der Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse handelt es sich um formalrechtliche Akte des Insolvenzrichters, die Tatbestandswirkung für die objektive Strafbarkeitsbedingung des § 283 Abs. 6 StGB haben, sofern nicht bereits Zahlungseinstellung bejaht wurde.[30] Der Strafrichter ist an die insolvenzrechtlichen Vorgaben und an die Rechtskraft der Verfahrensakte gebunden; er darf die Berechtigung dieser Verfahrensakte nicht mehr seiner richterlichen Kontrolle unterziehen.[31] Für den Strafrichter sind Entscheidungen, die ein bereits eröffnetes Verfahren nachträglich einstellen, mit der Konsequenz unbeachtlich, dass es beim Vorliegen der objektiven Bedingung der Strafbarkeit bleibt.[32] Nach der Verfahrenseröffnung besteht die Möglichkeit der Einstellung, wenn eine der in den §§ 207 ff. InsO beschriebenen Voraussetzungen vorliegt.[33]
Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › E. Das Insolvenzverfahren › II. Insolvenzgericht
II. Insolvenzgericht
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In der Insolvenzordnung finden sich Vorschriften zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts.[34] Im Regelfall ist für das Insolvenzverfahren gem. § 2 Abs. 1 InsO sachlich das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat. Hierbei handelt es sich um einen ausschließlichen Gerichtsstand.
§ 2 Abs. 2 InsO beinhaltet eine Ausnahme von diesem Grundsatz. So werden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung andere oder zusätzliche Amtsgerichte zu Insolvenzgerichten zu bestimmen und die Bezirke der Insolvenzgerichte abweichend festzulegen, soweit dies der sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren dient.
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Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 3 InsO. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 InsO ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Dieser Ort wird gem. § 4 InsO i. V. m. §§ 12, 13 ZPO durch den Wohnsitz des Schuldners bestimmt. Liegt der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist nach § 3 Abs. 1 S. 2 InsO ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt.
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Ergibt sich die Zuständigkeit mehrerer Gerichte, so gilt der Prioritätsgrundsatz. Gemäß § 3 Abs. 2 InsO schließt das Gericht, bei dem die Eröffnung des Hauptverfahrens erstmalig beantragt wurde, die Zuständigkeit anderer Gerichte aus.
Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › E. Das Insolvenzverfahren › III. Insolvenzverwaltung
1. Verwaltung und Verwertung
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Die Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse ist im vierten Teil der Insolvenzordnung gesetzlich normiert.