Insolvenzstrafrecht. Gerhard Dannecker
bestimmt wird. Bei der Schlussverteilung zurückbehaltene Beträge hat der Insolvenzverwalter nach § 198 InsO für Rechnung der Beteiligten bei einer geeigneten Stelle zu hinterlegen. Einen trotz vollständiger Befriedigung aller Insolvenzgläubiger übrig gebliebenen Überschuss hat der Insolvenzverwalter nach § 199 S. 1 InsO dem Schuldner herauszugeben.
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Mit Vollzug der Schlussverteilung beschließt das Insolvenzgericht gem. § 200 InsO die Aufhebung des Insolvenzverfahrens und gibt dies unter Angabe der Gründe für die Aufhebung öffentlich bekannt.[37] Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hindert die Gläubiger kraft § 201 Abs. 1 InsO jedoch nicht daran, ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt in dem in § 201 Abs. 2 InsO beschriebenen Weg vor dem gem. § 202 InsO zuständigen Vollstreckungsgericht geltend zu machen. Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung[38] bleiben hiervon nach § 201 Abs. 3 InsO unberührt. Nach § 203 InsO besteht die Möglichkeit der Nachtragsverteilung.
c) Einstellung des Insolvenzverfahrens
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Kristallisiert sich erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens[39] die Unzulänglichkeit der Masse heraus, so stellt das Insolvenzgericht das Verfahren gem. § 207 Abs. 1 InsO ein, wenn nicht ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten des Verfahrens nach § 4a InsO gestundet werden. Vor dieser Entscheidung sind die Gläubigerversammlung, der Insolvenzverwalter und die Massegläubiger nach § 207 Abs. 2 InsO zu hören. Sind Barmittel in der Insolvenzmasse vorhanden, so hat der Insolvenzverwalter kraft § 207 Abs. 3 InsO vor der Einstellung die Kosten des Verfahrens und von diesen zuerst die Auslagen nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu berichtigen. Eine Pflicht zur Verwertung von Massegegenständen trifft ihn zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.
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Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens zwar gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch (voraussichtlich) nicht aus, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, so muss der Insolvenzverwalter dies als Masseunzulänglichkeit dem Insolvenzgericht gem. § 208 Abs. 1 InsO anzeigen. Das Insolvenzgericht muss diese Anzeige nach § 208 Abs. 2 InsO öffentlich bekanntmachen und sie den Massegläubigern besonders zustellen. Die fortlaufende Pflicht des Insolvenzverwalters zur Verwaltung und Verwertung der Masse bleibt hiervon nach § 208 Abs. 3 InsO unberührt. Die Rangordnung zur Befriedigung der Massegläubiger ergibt sich aus § 209 InsO. Die Vollstreckung einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist mit Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 210 InsO unzulässig.
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Nach normgemäßer Verteilung der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter stellt das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren gem. § 211 Abs. 1 InsO ein. Eine Einstellung kann nach § 212 InsO auf Antrag des Schuldners bei entsprechender Glaubhaftmachung auch wegen des Wegfalls des Eröffnungsgrundes vorgenommen werden. Mit Hinweis auf die entsprechende Zustimmung sämtlicher Insolvenzgläubiger enthält § 213 InsO einen weiteren Einstellungsgrund. Das Verfahren innerhalb der aufgezeigten Wege der Einstellung regelt § 214 InsO, der u. a. eine öffentliche Bekanntmachung und eine Niederlegung des Antrages zur Einsicht vorschreibt. Vor der Einstellung hat der Insolvenzverwalter nach § 214 Abs. 3 InsO unstreitige Masseansprüche zu berichtigen und für die streitigen Masseansprüche Sicherheiten zu leisten. § 215 InsO regelt schließlich die Bekanntmachung und die Wirkungen einer solchen Einstellung. Als Rechtsmittel steht jedem Insolvenzgläubiger und dem Schuldner gem. § 216 InsO die sofortige Beschwerde zur Verfügung.
3. Der Insolvenzverwalter als Erkenntnisquelle
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Wie bereits dargelegt, hat der Insolvenzverwalter eine bedeutende Rolle innerhalb des Insolvenzverfahrens inne.[40] Vom Insolvenzrichter beauftragt, hat er regelmäßig im Vorfeld ein Gutachten zur Beantwortung der Frage zu erstatten, ob zur Deckung der Kosten eines Insolvenzverfahrens genügend freie Masse vorhanden ist (vgl. § 26 InsO). Auf Grund seines Einblicks in das insolvente Unternehmen stellt der Insolvenzverwalter eine wichtige Erkenntnisquelle der Ermittlungsbehörden dar.[41] Unabhängig davon, ob er als Gutachter gerade damit befasst ist, unternehmensbezogene Erkenntnisse zu sammeln und auszuwerten, oder ob er bereits ein schriftliches Gutachten vorgelegt hat, ist eine Kontaktaufnahme seitens des Staatsanwalts zu dem Insolvenzverwalter unerlässlich. Dadurch lassen sich gerade mit Blick auf eine möglicherweise „unsaubere“ Insolvenz wichtige Ansatzpunkte der Ermittlungsbehörden für weitere Untersuchungen gewinnen.[42] So werden oft entscheidende Feststellungen über Straftaten getroffen, die für den Verfall des Vermögens kausal waren oder in diesem Zusammenhang begangen wurden.
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Durch die ihm gem. § 152 InsO obliegende Verpflichtung zur Erstellung eines Gläubigerverzeichnisses verfügt der Insolvenzverwalter zudem über einen umfassenden Überblick über möglicherweise geschädigte Gläubiger und damit potenzielle Opfer einer Insolvenzstraftat. Die ihm erteilten Auskünfte und eingesehenen Geschäftsunterlagen ermöglichen es dem Insolvenzverwalter regelmäßig, den Ermittlungsbehörden wichtige Hinweise auf vorgenommene Vermögensverschiebungen und sonstige Bankrotthandlungen zu geben.[43] Hier zeigt sich die Wichtigkeit eines intensiven Gesprächs und Austauschs zwischen Staatsanwalt und Insolvenzverwalter, da Letzterer derartige Erkenntnisse auf Grund seines anders lautenden gerichtlichen Auftrages in der Regel nicht schriftlich fixiert, sondern sich oftmals nur auf die Frage der Masseunzulänglichkeit beschränkt.
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Die Zusammenarbeit funktioniert nicht immer reibungslos. Selbst in Anbetracht der Tatsache, dass gerade der Insolvenzverwalter häufig schon aus eigenem Interesse an einer entsprechenden Kooperation mit der Staatsanwaltschaft interessiert ist[44], steht mancher Insolvenzverwalter einer derartigen Zusammenarbeit kritisch gegenüber. Dies kann in der Praxis sogar dazu führen, dass Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bewusst behindert werden. In diesem Fall sollte sich der Staatsanwalt nach dem gescheiterten Versuch der Herbeiführung eines Einvernehmens nicht scheuen, die erforderlichen Maßnahmen gegen den womöglich die Herausgabe wichtiger Unterlagen verweigernden Insolvenzverwalter zu ergreifen.[45] Neben dem Instrumentarium der Beschlagnahme gem. § 94 Abs. 2 StPO ist in Extremfällen auch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den unkooperativen Insolvenzverwalter wegen des Verdachts der (versuchten) Strafvereitelung gem. § 258 Abs. 1 (bzw. 4) StGB in Erwägung zu ziehen (Rn. 1174).
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Der Insolvenzverwalter ist nicht zur Akteneinsicht in die Ermittlungsakten berechtigt,[46] weil er nicht Verletzter der Straftat ist und als solcher auch keine sonstigen Anträge im Verfahren stellen kann (bspw. keinen Adhäsionsantrag).[47] Diese formale Argumentation kann jedoch nicht überzeugen. Dem Insolvenzverwalter steht jedenfalls ein Einsichtsrecht nach § 475 StPO zu, soweit es um Straftaten zu Lasten des vom Verwalter vertretenen Unternehmens geht. Dem Insolvenzverwalter soll aber jedenfalls nach den §§ 111g Abs. 2, 111h Abs. 2 StPO ein Recht auf Verfahrensbeteiligung zustehen, wenn das geschädigte Unternehmen die Zwangsvollstreckung in das Tätervermögen durchführt.[48]
Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › E. Das Insolvenzverfahren › IV. Stellung der Gläubiger, insbesondere öffentlicher Stellen und der Sozialversicherung
1. Das Finanzamt als Gläubiger