.
die Dauer als auch für die Höhe eines Verdienstausfallschadens von Bedeutung sein. Ebenso wie bei Prognoseschwierigkeiten wegen eines wenig strukturierten Erwerbslebens kann auch hier ein prozentualer Abschlag von den ohne derartige Risiken zu erwartenden Erwerbseinnahmen in Betracht kommen.[62]
121
Bei einer Begehrens- und Rentenneurose nimmt der Geschädigte den Vorfall in dem neurotischen Bestreben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass, den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen.[63]
Zur Abgrenzung führte der BGH aus: „Die Frage, ob das schädigende Ereignis eine Ausnahme von der grundsätzlich gegebenen Haftung des Schädigers auch für psychische Folgeschäden erlaubt, weil es ganz geringfügig war, nicht gerade speziell eine Schadenanlage des Verletzten getroffen hat, deshalb die psychische Reaktion des Geschädigten in einem groben Missverhältnis zum Anlass steht und schlechterdings nicht mehr verständlich ist oder weil eine Begehrensneurose vorliegt, bedarf zu ihrer Befürwortung einer Würdigung der Persönlichkeit des Betroffenen durch einen Sachverständigen“.[64]
Für eine Verneinung des Zurechnungszusammenhangs zwischen unfallbedingten Verletzungen und Folgeschäden aufgrund einer Begehrensneurose ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Beschwerden entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung geprägt sind. Dabei kann der Zurechnungszusammenhang auch dann verneint werden, wenn sich Folgeschäden aus Beschwerden entwickelt haben, die zunächst überwiegend dem Unfall zuzurechnen sind, jedoch ab einem bestimmten Zeitpunkt – einem nicht ungewöhnlichen Verlauf entsprechend – wesentlich durch eine Begehrenshaltung geprägt sind.[65]
d) Schockschäden
122
Schockschäden sind haftungsbegründende psychische Reaktionen auf ein Unfallgeschehen, die eine Gesundheitsbeeinträchtigung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB darstellen. Voraussetzung für einen ersatzpflichtigen Schockschaden ist das unmittelbare Miterleben eines Unfalls[66], insbesondere schwerer Verletzungen naher Angehöriger.[67] Nach dem neuen § 844 Abs. 3 BGB haben auch Hinterbliebene einen eigenen Anspruch gegen den Schädiger auf eine angemessene Entschädigung in Geld wegen des mit dem Tod des nahestehenden Menschen verbundenen seelischen Leids. Der anspruchsberechtigte Personenkreis ergibt sich aus § 844 Abs. 3 Satz 2 BGB. Auf die Ausführungen in Kap. 4 Rn. 227 wird verwiesen.
Maßgebliche Bedeutung bei der Beurteilung der psychischen Beeinträchtigungen infolge des Unfalltodes naher Angehöriger kommt dem Umstand zu, ob diese auf die direkte Beteiligung des „Schockgeschädigten“ oder dessen Miterlebens des Unfalls zurückzuführen sind oder ob die Beeinträchtigungen durch den Erhalt einer Unfallnachricht ausgelöst worden sind.[68]
Erleidet ein auf Anruf der Tochter zur Unfallstelle eilender Vater an der Unfallstelle einen Schock und wegen der Aufregung eine Hirnblutung, kann im Einzelfall die Haftung des Unfallverantwortlichen wegen fehlenden Zurechnungszusammenhangs ausgeschlossen sein. So, wenn die Hirnblutung durch eine Vorerkrankung (Anginom) verursacht war und eine wertende Betrachtung – Schwere des Unfalls und der Unfallfolgen, wie seiner Begleitumstände – ergibt, dass der erlittene Schock außer Verhältnis zum Unfallgeschehen steht (fehlender adäquater Zusammenhang zwischen Schock und Anlass). Eine Vorerkrankung entlastet den Schädiger zwar nicht; bei der Bewertung der Angemessenheit der Reaktion auf das Unfallgeschehen hat sie aber außer Betracht zu bleiben, weil bei der einschränkenden wertenden Betrachtung des Zurechnungszusammenhanges auf einen durchschnittlich empfindenden Geschädigten abzustellen ist.[69]
123
Bei völlig fremden, mit den eigentlichen Unfallbeteiligten nicht in einer näheren Beziehung stehenden Personen, begründet das bloße Miterleben eines schweren Unfalls noch keine Haftung des Schädigers für eine psychische Gesundheitsbeeinträchtigung. So vom BGH für den Fall entschieden, dass Polizisten nach erfolglos abgebrochenem Rettungsversuch mit ansehen mussten, dass eine Familie in ihrem Unfallfahrzeug verbrannte. Hier hat sich das nicht zu einem Schadensersatz führende allgemeine Lebensrisiko – solche schweren Unfälle als Verkehrsteilnehmer bzw. Zeuge mit ansehen zu müssen – realisiert.[70] Ebenso wenig kann die Rechtsprechung zu den psychisch vermittelten Gesundheitsbeeinträchtigungen (Schockschäden) auf die Fälle einer Verletzung oder Tötung von Tieren ausgedehnt werden.[71]
124
Aber auch eine Nachricht über den Tod eines nahen Angehörigen kann zu einem Fernwirkungsschockschaden führen.[72] Eine seelische Erschütterung, Trauer und Schmerz führt zu keinem ersatzpflichtigen Schockschaden. Vielmehr muss die Beeinträchtigung Krankheitswert besitzen, die zu psychopathologischen Ausfällen von einiger Dauer führt.[73] Einem bloßen Zuschauer stehen keine Ansprüche zu, da das „allgemeine Lebensrisiko“ nicht auf den „Schädiger“ abgewälzt werden kann.[74]
Bei schwerer oder nachhaltiger Schädigung der Leibesfrucht durch Schock der Mutter kann dem mit Gesundheitsschäden zur Welt gekommenen Kind ein Schadensersatzanspruch zustehen.[75]
125
Der Schockschaden muss unmittelbar auf das Unfallereignis zurückzuführen sein.[76] Es besteht kein Zurechnungszusammenhang, wenn der Geschädigte z.B. erst aufgrund der polizeilichen Unfallaufnahme in einen „Erregungszustand“ gerät.[77]
Das Verschulden des Schädigers muss sich auf die psychische Beeinträchtigung erstrecken.[78] Hierfür ist der Geschädigte beweispflichtig.
Trifft den Getöteten eine Mitschuld, muss sich der nahe Angehörige diese aus Billigkeitserwägungen gemäß §§ 254, 242 BGB analog anrechnen lassen.[79]
1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers › IV. Kausalität und Beweislast › 2. Beweislast im Rahmen der Gefährdungs- und Verschuldenshaftung
a) Zur haftungsbegründenden Kausalität
126
Der Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität (s. Rn. 105) unterliegt der strengen Anforderung des § 286 ZPO. Die Beweislast trägt der Anspruchsteller. Er hat den erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Betrieb des Kfz und der Verletzung des Rechtsgutes darzulegen und zu beweisen; Zweifel an der Ursächlichkeit gehen zu seinen Lasten.[80] Die Beweisführung muss jedoch nicht zu einer absoluten und unumstößlichen Gewissheit führen. Vielmehr ist ausreichend, wenn ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit unter Beweis gestellt wird.[81] Also ein unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung gewonnener, für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet.[82] Eine Beweislastumkehr aus Billigkeitsgründen ist im Einzelfall unzulässig.[83] § 287 Abs. 1 ZPO ist bei der Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität selbst dann nicht anzuwenden, wenn der Geschädigte den Beweis, dass eine zeitlich nach dem Unfall aufgetretene Erkrankung (Morbus Sudeck) unfallbedingt ist, nach dem strengen Maßstab des § 286 ZPO nicht führen kann.[84]
127
Der Anscheinsbeweis für Verschulden greift nur dann ein, wenn sich bei Betrachtung aller unstreitigen und festgestellten Einzelumstände des Verkehrsgeschehens ein Sachverhalt ergibt, der nach der Lebenserfahrung typischerweise auf einen Sorgfaltsverstoß hinweist.[85]
Bei Auffahrunfällen spricht z.B. der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden.[86] Zur Entkräftung