Gesellschaftsrecht I. Recht der Personengesellschaften. Ulrich Wackerbarth
die in eine OHG eintretenden Gesellschafter für alle vor ihrem Eintritt entstandenen Verbindlichkeiten haften. Der BGH[30] begründet die analoge Anwendung des § 130 HGB auf die GbR letztlich mit dem allgemeinen Grundsatz des Personengesellschaftsrechts, wonach die persönliche Haftung aller Gesellschafter in ihrem jeweiligen personellen Bestand dem Wesen der Personengesellschaft und ihren Haftungsverhältnissen entspricht, weil die Gesellschaft kein eigenes, zugunsten ihrer Gläubiger gebundenes garantiertes Haftkapital besitzt; ihr Gesellschaftsvermögen stehe dem Zugriff der Gesellschafter jederzeit und sanktionslos offen. Bei dieser Sachlage sei die persönliche Haftung der Gesellschafter nicht nur die alleinige Grundlage ihrer Wertschätzung und Kreditwürdigkeit; sie sei vielmehr das notwendige Gegenstück zu dem Fehlen jeglicher Kapitalerhaltungsregeln. Dagegen wird vor allem argumentiert, eine Haftung analog § 130 HGB stelle für beitretende Gesellschafter eine nicht durch ein schutzwürdiges Gläubigerinteresse zu rechtfertigende Belastung dar[31].
Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH[32] allerdings die Entscheidung darüber, ob der Grundsatz der persönlichen Haftung für Altverbindlichkeiten auch auf Verbindlichkeiten aus beruflichen Haftungsfällen – im konkreten Fall handelt es sich gerade darum – Anwendung finden soll, weil diese, wie die Bestimmung des § 8 Abs. 2 PartGG zeige, eine Sonderstellung einnehmen. Wenn man grundsätzlich eine analoge Anwendung des § 130 BGB auf die GbR bejaht, dürfte eine Differenzierung, die darauf abzielt, berufliche Haftungsfälle davon auszuschließen, nicht zulässig sein. Der Hinweis auf § 8 Abs. 2 PartGG überzeugt nicht. Wer die dort gesetzlich gewährte Haftungsprivilegierung in Anspruch nehmen möchte, muss die Partnerschaftsgesellschaft als Rechtsform wählen.
Demnach ist § 130 HGB im konkreten Fall analog anwendbar. Deshalb kann M den R aus aus §§ 280, 31 (analog) BGB i. V. m. §§ 128, 130 HGB analog auf Zahlung von 12.700 in Anspruch nehmen.
170
Lösung zu Fall 13:
V könnte gegen C einen Anspruch auf Zahlung von 5.200 € aus § 535 BGB i. V. m. § 128 HGB analog und § 736 Abs. 2 BGB i. V. m. § 160 HGB erworben haben.
Vertragspartner des V aus dem Mietvertrag ist die GbR. Die Gesellschaft schuldet dem V aus § 535 BGB die Zahlung des Mietzinses in Höhe von 5.200 €. Dabei handelt es sich um eine Verbindlichkeit der GbR, für die gem. § 128 HGB analog alle Gesellschafter persönlich mit ihrem Privatvermögen als Gesamtschuldner haften. Deshalb konnte V den C jedenfalls bis zu seinem Ausscheiden in Anspruch nehmen. Fraglich ist, ob V den Anspruch gegen C auch noch nach dessen Ausscheiden aus der GbR geltend machen kann. Ein Gesellschafter, der aus der BGB-Gesellschaft ausscheidet, haftet dem Gläubiger auch nach seinem Ausscheiden persönlich mit seinem Privatvermögen für alle Verbindlichkeiten, die bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens entstanden sind (§ 736 Abs. 2 BGB, § 160 HGB). Die Ansprüche gegen den ausscheidenden Gesellschafter verjähren nach dessen Ausscheiden grundsätzlich nach Maßgabe der §§ 736 Abs. 2 BGB und 160 HGB nach fünf Jahren, soweit sie nicht einer kürzeren Verjährungsfrist unterliegen. Wegen der fehlenden Registerpublizität der BGB-Gesellschaft ist Anknüpfungspunkt hinsichtlich des Fristbeginns für die Enthaftung des ausscheidenden Gesellschafters die Kenntnis jedes einzelnen Gläubigers vom Ausscheiden des BGB-Gesellschafters. Demnach kann V den C auch noch nach dessen Ausscheiden aus der GbR auf Zahlung von 5.200 € aus § 535 BGB i. V. m. § 128 HGB analog und § 736 Abs. 2 BGB i. V. m. § 160 HGB in Anspruch nehmen.
171
Lösung zu Fall 14:
Der zwangsweise Ausschluss eines Gesellschafters aus einer GbR ist nach § 737 BGB zulässig, wenn
– | der Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel enthält, also festlegt, dass für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird, und |
– | in der Person des Gesellschafters, der ausgeschlossen werden soll, ein wichtiger – sachlicher – Grund im Sinne des § 723 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegt. |
Der Gesellschaftsvertrag enthält im zu erörternden Fall eine typische Fortsetzungsklausel. Ein zum Ausschluss berechtigender Grund liegt nach § 723 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BGB insbesondere vor, wenn der Gesellschafter, der ausgeschlossen werden soll, eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende Verpflichtung vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. Der Gesellschaftsvertrag verpflichtete den C im Zweifel, Mandantengelder nicht ihrem Zweck zu entfremden, was er vorsätzlich getan hat. Im Übrigen liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 723 Abs. 1 S. 2 BGB dann vor, wenn den anderen Gesellschaftern bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände im Einzelfall nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Als wichtige Gründe kommen vor allem in Betracht die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses im geschäftlichen Bereich und schwerwiegende Treuepflichtverstöße. Indem C Mandantengelder für persönliche Zwecke nutzte, zerstörte er sowohl das Vertrauensverhältnis zu Mandanten als auch das zu seinen Mitgesellschaftern. Die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses als Auflösungsgrund wiegt besonders schwer, wenn sie, wie hier geschehen, schuldhaft herbeigeführt worden ist[33].
Nach alldem können die Gesellschafter A, B und D den C gem. §§ 737, 723 Abs. 1 BGB aus der Gesellschaft ausschließen. Das Ausschließungsrecht steht ihnen gemeinschaftlich zu. Die Ausschließung selbst erfolgt durch Erklärung gegenüber C (§ 737 S. 2 und 3 BGB).
Anmerkungen
BGHZ 146, 341, 358.
BGHZ 154, 370.
BGHZ 154, 370, 373.
BGHZ 154, 370, 373 f.
BGHZ 154, 370, 373 f.
BGH NZG 2014, 696.
BGHZ 154, 370, 377.
BGHZ 193, 193, 217.
BGH NZG 2014, 696.
Palandt/Sprau, BGB, § 723 Rn. 6.
MünchKomm-BGB/Ulmer, § 723 Rn. 31.
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 II 6.
BGHZ 68, 212 ff.; 81, 263 ff.