Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht. Peter Behrens
Elemente der EU-Assoziations-, Partnerschafts- und Nachbarschaftspolitik, EuR 2010, 746; Boysen Regionale Handelsabkommen, in: Hilf/Oeter (Hrsg.) WTO-Recht – Rechtsordnung des Welthandels (2. Aufl. 2010) § 31, 662; Bungenberg/Herrmann (Hrsg.) Die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union nach Lissabon, 2011; Müller-Ibold Die gemeinsame Handelspolitik nach Lissabon. Sekundärrechtsabhängigkeit der gemeinsamen Handelspolitik, in: Bungenberg/Herrmann (Hrsg.) Die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union nach Lissabon (2011) 75; Senti Regionale Freihandelsabkommen in zehn Lektionen (2013); Boysen Das System des Europäischen Außenwirtschaftsrechts, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 9, 447; Weiß Vertragliche Handelspolitik der EU, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 10, 515; Schmalenbach Assoziierung und Erweiterung, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 6, 321; Semertzi The preclusion of direct effect in the recently concluded EU Free Trade Agreements, CMLR 2014, 1125; Nowrot Regionale Wirtschaftsintegration, in: Tietje (Hrsg.) Internationales Wirtschaftsrecht (2. Aufl. 2015) § 2 D., 126; Bieber/Epiney/Haag Die Europäische Union (12. Aufl. 2016) § 36 Nachbarschaftsbeziehungen und Erweiterung der Union, 685; Bungenberg/Herrmann (Hrsg.) Die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union. Fünf Jahre nach Lissabon – Quo Vadis? (2016); Herrmann/Müller-Ibold Die Entwicklung des europäischen Außenwirtschaftsrechts, EuZW 2016, 646.
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Auch im Verhältnis zu Drittstaaten hat die EU schrittweise die Öffnung der Märkte vorangetrieben. Sie beruht auf einem abgestuften System völkerrechtlicher Verträge, die mit unterschiedlicher Intensität die Assoziierung der Vertragspartner vorsehen, dh deren Zugang zum bzw. Annäherung an den Europäischen Binnenmarkt. Gem. Art. 217 AEUV handelt es sich bei einer Assoziierung um ein Verhältnis „mit gegenseitigen Rechten und Pflichten, gemeinsamem Vorgehen und besonderen Verfahren“. Gemeint sind damit „besondere und privilegierte Beziehungen“ mit Drittstaaten, die „zumindest teilweise am Gemeinschaftssystem teilhaben“.[1] Der Umfang der besonderen Beziehungen und das Ausmaß der Teilhabe am Unionssystem hängen dabei von den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen ab. Demgemäß gibt es durchaus unterschiedliche Assoziierungstypen. Je nach dem Ausmaß der Annäherung und der wirtschaftlichen Integration von Auslandsmärkten und Europäischem Binnenmarkt lassen sich Beitritts-, Freihandels-, Nachbarschafts- und Entwicklungsassoziierungen sowie sonstige Handelsabkommen unterscheiden.[2] Den schwächsten Integrationsgrad weisen die multilateralen Abkommen auf, welche die Grundlage der wirtschaftlichen Globalisierung im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) darstellen. Allerdings lassen sich diese unterschiedlichen Assoziierungstypen nicht mit letzter Stringenz bestimmten geographisch definierten Gruppen von Vertragsstaaten, die gewissermaßen „Assoziierungsräume“ bilden würden, zuordnen. Vielmehr haben sich auch innerhalb bestimmter räumlich abgrenzbarer Gruppen von Vertragsstaaten unterschiedliche Assoziierungstypen herausgebildet. Dem trägt die folgende Übersicht Rechnung.
I. Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR)
Literatur:
Zäch/Thürer/Weber (Hrsg.) Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (1992); Jacot-Guillarmod (Hrsg.) Accord EEE (Commentaire et réflexions)/EWR-Abkommen – Erste Analysen (1992); Norberg u.a. (Hrsg.) The European Economic Area: EEA Law – A Commentary on the EEA Agreement (1993); Bright Business Law in the European Economic Area (1994); Streit Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, NJW 1994, 555; Friedrich Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, DB 1994, 313; Hummer Sonderbeziehungen EG-EFTA, in: Dauses (Hrsg.) Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts (Loseblatt), Abschnitt K.III; Bruha Binnenmarktassoziierungen, EuR 2002, Beiheft 3, 109; Baudenbacher/Tresselt/Örlygsson (eds.) The EFTA Court – Ten Years On (2005); Schmalenbach Assoziierung und Erweiterung, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 6, 321, Rn. 26 f.; Bieber/Epiney/Haag Die Europäische Union (12. Aufl. 2016) § 36 C: Der Europäische Wirtschaftsraum, 688; Baudenbacher The handbook of EEA law, 2016.
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Auf der Grundlage von Art. 217 AEUV hat die Union durch das Abkommen vom 2.5.1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)[3] ein Assoziierungsverhältnis zu den damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (European Free Trade Association – EFTA) begründet. Ausgenommen blieb aufgrund eines ablehnenden Referendums über die Beteiligung am EWR nur die Schweiz. Finnland, Schweden und Österreich sind inzwischen von der EFTA in die EU gewechselt, so dass der EWR auf Seiten der EFTA heute nur noch Island, Liechtenstein und Norwegen umfasst. Auch Island hat inzwischen seinen Beitritt zur EU beantragt.
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Die durch das EWR-Abkommen begründete Assoziierung der EFTA-Staaten lässt sich am besten als Binnenmarktassoziierung kennzeichnen.[4] Das Abkommen enthält nämlich für den Wirtschaftsverkehr zwischen der EU und den EFTA-Staaten, die Vertragsparteien des EWR-Abkommens sind, wortgleich dieselben wirtschaftlichen Freiheiten wie sie nach dem AEUV für den innergemeinschaftlichen Binnenmarkt konstitutiv sind, nämlich
– | die Warenverkehrsfreiheit (Art. 8–16 EWRA), |
– | die Freizügigkeit für Arbeitnehmer (Art. 28–30 EWRA) sowie die Niederlassungsfreiheit für selbstständig Gewerbetreibende einschließlich Gesellschaften (Art. 31–35 EWRA), |
– | die Dienstleistungsfreiheit (Art. 36–39 EWRA), |
– | die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 40–45 EWRA). |
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Zwar ist der Wortlaut dieser Freiheiten im spezifischen Kontext des EWR-Abkommens auszulegen. Das EWR-Abkommen verfolgt jedoch das Ziel, zwischen der EU und den EFTA-Staaten „einen dynamischen und homogenen Europäischen Wirtschaftsraum zu entwickeln, der auf gemeinsamen Regeln und gleichen Wettbewerbsbedingungen beruht“.[5] Darüber hinaus haben die Vertragsparteien ihren „festen Willen“ zum Ausdruck gebracht, „für die weitestgehende Verwirklichung der Freizügigkeit und des freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs innerhalb des ganzen Europäischen Wirtschaftsraums“ zu sorgen.[6] Hieraus ist abzuleiten, dass die Ziele des EWR mit denen der EU jedenfalls insoweit übereinstimmen, als es um die Integration der nationalen Märkte zu einem Binnenmarkt geht. Allerdings sieht das EWR-Abkommen keinen gemeinsamen Außenzoll vor und bleibt insoweit hinter dem Integrationstyp des Gemeinsamen Markts zurück.
Die rechtliche Qualität des EWR-Rechts entspricht der des Unionsrechts: Es ist unmittelbar anwendbar und, soweit es mit dem Unionsrecht übereinstimmt, ist es gem. Art. 6 EWRA im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH auszulegen (Homogenitätsgebot).[7] Das Sekundärrecht der Union (acquis communautaire) wird in den EWR übernommen und hat gem. Art. 7 EWRA dieselben Wirkungen wie innerhalb der EU, dh Verordnungen gelten unmittelbar, Richtlinien müssen in einzelstaatliches Recht transformiert werden. Nach einem Zusatzprotokoll genießt EWR-Recht Vorrang vor nationalem Recht.[8] Eine Behörde, die der EU-Kommission vergleichbar ist, wacht auf Seiten der EFTA-Staaten über die Einhaltung des EWR-Rechts (EFTA-Überwachungsbehörde, Art. 108 Abs. 1 EWRA) und ein Gerichtshof (EFTA-Gerichtshof, Art. 108 Abs. 2 EWRA) erfüllt für die EFTA-Staaten eine dem EuGH vergleichbar Funktion.[9] Auch die Weiterentwicklung des EWR-Rechts erfolgt in voller Parallelität zur Entwicklung des Unionsrechts, sei es aufgrund entsprechender Beschlüsse in den gemeinsamen politischen Organen