Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1. Reinhart Maurach
ist ausschließlich objektive Strafbarkeitsbedingung mit weder objektiver noch subjektiver Bezogenheit auf den an der Schlägerei Schuldigen. Hieraus folgt, dass der Tod oder die schwere Körperverletzung (§ 226) nur durch die Schlägerei verursacht worden sein muss, ohne dass eine Kausalbeziehung zwischen dem Täter des § 231 und dem Erfolg nachgewiesen zu werden braucht; erst recht kommt es nicht darauf an, dass der Erfolg rechtswidrig herbeigeführt wurde: Haftung wegen Schlägerei (und zwar einschließlich des Notwehrtäters!) auch, wenn die ursächliche Handlung selbst in Notwehr begangen wurde[8].
Solange man die Angriffsalternative nicht ohnehin hinter den §§ 224, 226, 227 zurücktreten lassen will (s.o. Rn. 5), kann die Tötung eines Angreifers nicht als Verwirklichung der spezifischen Gefahr des Angriffs angesehen werden[9].
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Auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Eingreifen des Täters und dem Erfolg ist nicht zu verlangen: der Täter haftet sowohl dann, wenn die Verletzung bereits vor seiner Einmengung, als auch dann, wenn sie nach Aufgabe seiner Beteiligung erfolgt ist[10]. Dagegen keine Haftung des „Dritten Mannes“, der sich entfernt hat, bevor der schwere Erfolg verursacht wurde, denn jetzt fehlt es wiederum schon am Tatbestand der Schlägerei[11].
Anmerkungen
RG 59, 112; BGH GA 60, 213; BGH 39, 305 m.Anm. Stree JR 94, 370; Wagner JuS 95, 296; Rönnau/Bröckers JA 95, 549; BGH NJW 97, 2123.
S.o. § 9 Rn. 32; Günther JZ 85, 587. A.A. BGH 33, 100; Wagner JuS 95, 298.
Bestr.; wie hier RG 72, 75; BGH 14, 132; 16, 130; Wessels/Hettinger/Engländer 398 f.. A.M. Binding I 78; Krey/Hellmann/Heinrich 1 320 ff.; differenzierend Birkhahn aaO; Stree JuS 62, 93; Otto § 23 Rn. 6.
RG JW 38, 3157; OLG Köln NJW 62, 1688.
4. Rechtfertigung und Entschuldigung
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Abs. 2 verweist auf die allgemeinen Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe[12]; vorwerfbar ist auch das Verbleiben in der Schlägerei[13].
Anmerkungen
Nach BGH GA 60, 213; BGH 39, 307 ff. soll Notwehr bei § 231 als Delikt gegen die Allgemeinheit nicht anwendbar sein; ebenso Eckert aaO 141 (daher Strafausschließungsgrund). Dagegen Hirsch LK11 17.
BT-Dr 13/9064 S. 40; Eisele JR 01, 270.
5. Strafe – Konkurrenzen
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Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe. Der Anteil der Freiheitsstrafen liegt unverhältnismäßig hoch bei 60 % (Hund aaO S. 119).
Als Gefährdungsdelikt tritt § 231 hinter den entsprechenden Verletzungsdelikten (§§ 226, 227) und die Angriffsalternative außerdem hinter § 224 zurück (a.A. h.L.; für § 224 BGH 33, 104; abl. Montenbruck JR 86, 141). Im Verhältnis zu § 125 Abs. 1 ist Idealkonkurrenz anzunehmen (BGH 14, 132).
1. Entstehungsgeschichte – Wesen der Tat
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Die Vorschrift wurde bei der Großen Strafrechtsreform entwickelt (vgl. § 324 E 1962 m.Begr.) und zunächst in das AtomG vom 23.12.59 eingefügt (§ 41). Durch das EGStGB wurde sie 1975 wegen ihres schweren Unrechtsgehalts in das StGB übernommen. Die Einordnung in die gemeingefährlichen Straftaten (27. Abschnitt) beruht auf dem durch das Tatmittel gegebenen Zusammenhang mit dem Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie (§ 307), ist aber sachlich verfehlt: die Vorschrift ist fast völlig dem § 229 a.F. nachgebildet und erfasst wie er die konkrete Gefährdung[14] eines anderen mit gleichzeitiger überschießender Innentendenz, zu allem Überfluß auch noch als Unternehmensdelikt ausgestaltet. Nur in der Strafschärfung des Abs. 2 ergibt sich eine Verbindung mit den gemeingefährlichen Delikten. § 309 Abs. 6 ist eine qualifizierte Form der Sachbeschädigung (s.u. § 36 V)!
Anmerkungen
Wolters SK 2. A.A. Fischer 2: „potenzielles Gefährdungsdelikt“.
2. Der Tatbestand
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Tatmittel ist eine ionisierende Strahlung, d.h. eine Strahlung, die von natürlichen oder künstlichen radioaktiven Stoffen ausgeht, Neutronenstrahlung sowie künstlich erzeugte ionisierende Strahlung, vor allem Röntgenstrahlen. Der Tatbestand verlangt Schädigungsabsicht. Nur wissentliche oder fahrlässige sowie abstrakte Gefährdung sind in § 46 AtomG und § 116 StrahlenschutzVO (BGBl. 2001 I 1714) unter Geldbuße gestellt.
3. Strafe – Tätige Reue – Konkurrenzen
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Die Strafe ist Freiheitsstrafe von 1–10 Jahren, in minder schweren Fällen von 6 Monaten bis 5 Jahren (Abs. 5). Unternimmt es der Täter, eine unübersehbare Zahl von Menschen einer ionisierenden Strahlung auszusetzen (sog. Massengefährdung), so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren (Abs. 2). Bei der Verursachung schwerer Folgen erhöht sich die Mindeststrafe auf 2 bzw. 10 Jahre (Abs. 3, 4).
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Die Tat ist Unternehmensdelikt, d.h. der Versuch erfüllt den Tatbestand (§ 11 Abs. 1 Nr. 6); Strafmilderung und Straflosigkeit bei Rücktritt nach §§ 23, 24 kommen nicht in Betracht. S. aber stattdessen für § 309 Abs. 1 § 314a Abs. 2 Nr. 1, für Abs. 2 § 314a Abs. 1. Bei der Massengefährdung des Abs. 2 ist schon die Vorbereitung strafbar (§ 310 Abs. 1 Nr. 1 mit Straffreiheit bei tätiger Reue nach § 314a Abs. 3 Nr. 2). Möglichkeit der Führungsaufsicht nach § 321, der Einziehung nach § 322. Die Konkurrenzen sind die gleichen wie bei § 231 (s.o. Rn. 12).
4. Vorbereitung (§ 310 Abs. 1 Nr. 3)
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Das G z. Umsetzung des VN-Übereinkommens v. 13.4.2005 zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen von 2007 hat den Vorbereitungs-, insbesondere Besitztatbestand des § 310 auch auf § 309 Abs. 1 erstreckt (Abs. 1 Nr. 3).
IV. Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen zur Abwendung weiterer Körperverletzungen (§ 4 GewSchG)
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Das Gewaltschutzgesetz 2001 hat die Möglichkeit der Anordnung von Betretungs- und Kontaktverboten