Markenrecht. Jennifer Fraser

Markenrecht - Jennifer Fraser


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aufweist, der in seiner Bedeutung den inländischen Verkehrskreisen nicht geläufig ist, aber für den Im- und Export benötigt wird (BGH GRUR 1994, 366 – RIGIDITE II), zwar freihaltungsbedürftig, gleichwohl aber unterscheidungskräftig sein. Jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, die Eintragung zu rechtfertigen (BGH GRUR 2017, 1262 – Schokoladenstäbchen III). Da kein Zusammenhang mit den olympischen Spielen besteht, ist „OLYMPIA“ in Verbindung mit Waren der Klasse 9 nicht sachbezogen und daher unterscheidungskräftig (BPatG GRUR-Prax 2018, 467 – Eintragungsfähigkeit des Wort-/Bildzeichens „Olympia“). In den meisten Fällen werden sich allerdings die Schutzversagungsgründe des § 8 Abs 2 Nr 2 und § 8 Abs 2 Nr 1 überschneiden. Ist eine Angabe objektiv beschreibend, wird der Verkehr idR diesen beschreibenden Gehalt auch erkennen. Bedeutung kommt deshalb dem Gesichtspunkt der fehlenden Unterscheidungskraft insb in den Fällen zu, in denen es sich nicht um eine die Ware oder Dienstleistung unmittelbar beschreibende Angabe (bzw insoweit ein enger sachlicher Zusammenhang besteht) handelt, der Verkehr aber wegen der möglichen Verwendung in der Werbung als – nicht beschreibendes – Schlagwort hierin kein auf einen bestimmten Betrieb hinweisendes Kennzeichen sieht (BGH GRUR 2001, 735, 736 – Test it; BPatGE 39, 40 – Supreme; PAVIS PROMA 26 W (pat) 508/12 – Glücksgefühle).

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      Der BGH und auch das BPatG sind in der Vergangenheit von einer Wechselbeziehung zwischen Freihaltungsbedürfnis – auch Allgemeininteresse – und Unterscheidungskraft ausgegangen (BGH GRUR 1991, 136 – NEW MAN; BPatGE 26, 258 – UND). Dies hat insb Bedeutung in den Fällen, in denen es eine geteilte Verkehrsauffassung zu der Frage gibt, ob ein Zeichen oder eine Angabe beschreibenden bzw anpreisenden Charakter hat. Besteht ein Freihaltungsbedürfnis, so sind nach dieser Rspr strengere Anforderungen an die Unterscheidungskraft zu stellen, so dass bereits ein geringer Teil, der in dem Zeichen kein Betriebskennzeichen sieht, zur Verneinung der Unterscheidungskraft ausreicht (BGH GRUR 1992, 514 – Olé).

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      Diese Konstruktion eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen einem Freihaltungsbedürfnis der Allgemeinheit und der Unterscheidungskraft (vgl auch BPatG GRUR 2006, 591, 592 – GEORG-SIMON-OHM, wonach auch das Allgemeininteresse bei der Unterscheidungskraft zu berücksichtigen ist, und unten Rn 19; Sahr GRUR 2008, 461, 464) ist rechtsdogmatisch nicht zu rechtfertigen. Die Frage, ob eine Angabe objektiv beschreibend ist, ist für die Frage, wie der Verkehr subjektiv die fragliche Marke auffasst, ohne Bedeutung, so dass kein Grund für eine Wechselbeziehung besteht (BGH GRUR 2001, 1042, 1043 – REICH UND SCHÖN; WRP 2006, 1121, 1125 – FUSSBALL m Anm Berlit GRUR 2006, 858; vgl auch Raab MarkenR 2006, 522 ff; BGH GRUR 2000, 722, 723 – LOGO; GRUR 2001, 161 – Buchstabe „K“; WRP 2001, 690, 693 – Test it; aA EuGH GRUR 2004, 428 – Henkel; GRUR 2004, 674, 677 – Postkantoor; Hacker GRUR 2001, 630, 633; vgl auch Kur GRURInt 2004, 755, 761; Ströbele GRUR 2005, 93, 96 und FS Ullmann, S 425, 433). Demgegenüber prüft der EuGH auch bei der Frage der Unterscheidungskraft das Freihaltungsbedürfnis (EuGH GRUR 2000,722, 723 – LOGO, GRUR 2004, 674, 677 – Postkantoor).

II. Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1

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      Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (BGH GRUR 1995, 408 f – PROTECH; GRUR 1999, 1093, 1094 – FOR YOU; GRUR 1999, 1089, 1091 – YES; WRP 2001, 692 f – Test it; GRUR 2010, 825, 826 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 – Die Vision; Eisenführ FS Ullmann, S 175 ff). Hierbei ist grds von einem großzügigen Maßstab auszugehen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 zu überwinden (amtl Begr zum RegE, Sonderheft BlPMZ 1994, 64; BGH GRUR 2010, 825, 826 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 – STREETBALL; BGH GRUR 2009, 778, 779 – Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 – My World; GRUR 2017,520 – MICRO COTTON; OLG München MarkenR 2018, 564 – BALLERMANN PARTY/Ballermann Party mit N). So ist die Unterscheidungskraft einer Wortmarke bereits dann zu bejahen, wenn der Bezeichnung kein für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann und es sich auch nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr – etwa auch wegen einer entspr Verwendung in der Werbung– stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (BGH GRUR 1999, 1089, 1091 – YES; WRP 2001, 692 f – Test it; GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; vgl auch EuGH GRUR 2004, 680, 681 – BIOMILD; GRUR 2004, 674, 675 – Postkantoor). Bei der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen so auffasst, wie es ihm entgegentritt (BGH GRUR 2000, 502 – St. Pauli Girl). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Anmelder an der fraglichen Bezeichnung ein Monopol hat, weil die Unterscheidungskraft unabhängig von der Person des Anmelders zu beurteilen ist (BGH WRP 2006, 475 – Casino Bremen; vgl auch BPatG PAVIS PROMA – 25 W (pat) 184/01 – Perinatalzentrum Osnabrück; 27 W (pat) 167/10 – beachers). Ein an sich für Armbanduhren nicht unterscheidungskräftiges Zeichen „SWISS ARMY“ kann nach Auffassung des BGH als Marke verstanden werden, wenn diese Wortfolge auf dem Ziffernblatt einer Armbanduhr an die Stelle gesetzt wird, auf der sich bei solchen Uhren üblicherweise eine Marke befindet (BGH GRUR 2001, 240, 242 – SWISS ARMY; vgl BGH GRUR 2010, 825, 826 – Marlene-Dietrich-Bildnis II). Indes ist grds die Unterscheidungskraft isoliert ohne Berücksichtigung einer konkreten Anbringung der Marke zu prüfen. Vielmehr ist die Unterscheidungskraft zu verneinen, wenn das Zeichen in seiner wahrscheinlichsten Verwendung keine Unterscheidungskraft hat (EuGH GRUR 2013, 519 – Deichmann – Umsäumter Winkel). So hat auch das BPatG zu Recht ausgeführt, dass die Positionierung einer Marke im Registerverfahren nicht berücksichtigt werden kann (BPatG PAVIS PROMA -29 W (pat) 85/07 – TOOR!; GRUR 2010, 73, 76 – Porträtfoto Marlene Dietrich II; vgl auch Heise GRUR 2013, 456, 458). Andernfalls könnte jede noch so beschreibende Angabe des Schutzhindernisses mangelnder Unterscheidungskraft dadurch überwinden, dass die fragliche Bezeichnung an der Stelle der Ware angebracht werden könnte, an der sich üblicher Weise die Marke befindet (vgl auch Ströbele GRUR 2001, 658, 664). So wird die Sachangabe „100 % Cotton“ nicht dadurch unterscheidungskräftig, dass sie bei Bekleidungsstücken an der für Marken vorgesehenen Stelle angebracht ist. Dem ist der BGH differenzierend entgegen getreten ( BGH GRUR 2010, 1100 – TOOOR!; Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele § 8 Rn 142). Danach soll bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft die Prüfung nur dann auf die wahrscheinlichste Verwendungsform zu beschränken sein, wenn die übrigen in Betracht kommenden Verwendungsformen nicht praktisch und bedeutsam sind (BGH GRUR 2014, 1204 – DüsseldorfCongress; GRUR 2018, 502 – #darferdas? Vorlageentscheidung an den EuGH; vgl auch Ströbele MarkenR 2014, 455, 458). Auch bei großzügiger Betrachtungsweise ist die Unterscheidungskraft indes zu verneinen, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl EuGH GRUR 2004, 674, 678 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 – Link economy; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard). Dies gilt auch, wenn die Marke aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache besteht, die


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