Markenrecht. Jennifer Fraser
f) Bezeichnung der Zeit der Herstellung oder der Erbringung der Dienstleistungen
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Derartige Angaben über die Zeit der Herstellung bzw der Erbringung der Dienstleistungen haben praktisch kaum Bedeutung. IdR wird sich allenfalls für Dienstleistungen ein Bedürfnis ergeben, auf den Zeitpunkt der Erbringung hinzuweisen. So kann der Begriff „Weekend“ geeignet sein, auf Dienstleistungen wie die Abhaltung von Wochenend-Seminaren hinzuweisen. „Station 24“ ist ein Hinweis auf einen 24-Stunden-Service (BPatG PAVIS PROMA 24 W (pat) 522/10 – Station 24).
g) Bezeichnung sonstiger Merkmale
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Dieser Auffangtatbestand hat in der Rspr eine bes Rolle insb durch die BGH-Entsch zu „PREMIERE“ gespielt. Unter Geltung des WZG hatte der BGH das fragliche Markenwort nicht als unmittelbar warenbeschreibend bezeichnet, gleichwohl aber als freihaltungsbedürftig vom Markenschutz ausgeschlossen, weil es sich als Hinweis auf die erstmalige Präsentation um die Beschreibung sonstiger, für die Abnehmer wichtiger Umstände handle (BGH GRUR 1993, 746 – PREMIERE I). Diese Auslegung hat der BGH in den späteren „PREMIERE“-Beschlüssen unter Hinweis auf PVÜ und MarkenG nicht aufrechterhalten, da eine erweiternde Auslegung mit den Bestimmungen der PVÜ, der MRL und § 8 Abs 2 Nr 2 nicht vereinbar sei (BGH GRUR 1999, 728, 729 – PREMIERE II). Die Entsch des BGH bedeuten allerdings nicht, dass das Tatbestandsmerkmal „zur Bezeichnung sonstiger Merkmale“ praktisch an Bedeutung verloren hätte. Die Ausführungen zum Freihaltungsbedürfnis sind zwar recht knapp gehalten, iVm der Begr zur Unterscheidungskraft ergibt sich indes, dass der BGH einen eindeutigen Begriffsgehalt vermisst hat. Deshalb war ein Freihaltungsbedürfnis mangels eindeutig beschreibender Angabe zu verneinen.
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Handelt es sich indes bei einer Bezeichnung um einen Hinweis auf einen für die Kaufentscheidung oder Inanspruchnahme der Leistung bedeutsamen Umstand, ist ein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs 2 Nr 2 gegeben. Derartige bedeutsame Umstände können ua Aussagen über den Preis wie „The price is right“ sein (BPatG PAVIS PROMA– 32 W (pat) 253/99). Dieser Hinweis auf den richtigen Preis ist für den Entschluss, die Ware zu kaufen oder die Leistung in Anspruch zu nehmen, ausschlaggebend und damit bedeutsam. Dies können auch werbemäßige Hinweise auf die Exklusivität der Waren oder die vorherrschende Stellung der Produkte als „Nummer 1“ sein. Ob es sich bei den sonstigen Merkmalen um wesentliche Eigenschaften oder unwesentliche Eigenschaften handelt, die beschrieben werden, spielt keine Rolle (Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele § 8 Rn 438). Sonstiges Merkmal kann etwa der Ort der Veranstaltung sein, soweit die angemeldete Marke nicht schon unter den Ort der Erbringung der Dienstleistung fällt (BPatG GRUR 2011, 79, 82 – Neuschwanstein; vgl BGH GRUR 2012, 1044).
IV. Übliche Bezeichnungen (Abs 2 Nr 3)
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Das Freihaltungsbedürfnis ist darüber hinaus auch in § 8 Abs 2 Nr 3 geregelt. Die Auslegung dieser Bestimmung war zwischen BGH und BPatG strittig. Während das für Markenrecht höchste deutsche Gericht diese Bestimmung nur auf Gattungsbezeichnungen und sog Freizeichen (Marken, in denen die beteiligten Verkehrskreise im Laufe der Zeit nur noch einen Hinweis auf die beanspruchten Waren sehen, wie dies zB bei „Jeep“, „Tempo“ oder „Kleenex“ der Fall sein könnte; vgl BGH GRUR 2011, 1043 – TÜV II, wonach strenge Anforderungen an die Entwicklung zu einer gebräuchlichen Bezeichnung zu stellen sind; allein der Umstand, dass sich mit einer gewissen Häufigkeit auch eine beschreibende Verwendung der durch die als Marke geschützten Bezeichnung festzustellen ist, rechtfertigt noch nicht die Annahme eines Freizeichens; LG Düsseldorf GRUR 1990, 278, 279 – INBUS; BPatG GRUR 2006, 155, 157 – Salatfix) beschränkt, hat das BPatG demgegenüber § 8 Abs 2 Nr 3 zunächst auch auf werbeübliche, schlagwortartige Anpreisungen angewendet, die wie „Advantage“ keinen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt iSv § 8 Abs 2 Nr 2 aufweisen (BPatG GRUR 1999, 170 – ADVANTAGE; BPatG GRUR 2000, 424 – BRAVO; vgl allerdings demgegenüber BPatG PAVIS PROMA – 27 W (pat) 255/03 – Advantage, worin mangels Nachweis einer Verwendung in Alleinstellung die Schutzfähigkeit bejaht worden ist). Der EuGH hat demgegenüber einen Warenbezug gefordert, so dass nur Angaben unter Abs 2 Nr 3 fallen, die „zur Bezeichnung“ von Waren und Dienstleistungen üblich geworden sind (EuGH GRUR 2001, 1148, 1150 – BRAVO). Dementsprechend sind allg Werbeschlagworte nach Abs 2 Nr 1 unter dem Gesichtspunkt der Unterscheidungskraft zu prüfen (BPatG BlPMZ 2003, 219, 220 f – BRAVO; BGH GRUR 2016, 934 – OUI). Letztlich hat die Forderung des EuGH nach einem Sachbezug dazu geführt, dass § 8 Abs 2 Nr 3 seine Bedeutung verloren hat, weil DPMA und BPatG letztlich Werbeschlagworte wie „Bravo“ nach § 8 Abs 2 Nr 1 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückweisen (vgl oben Rn 24).
I. Allgemeines
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Fehlt der angemeldeten Marke die nach § 8 Abs 2 Nr 1 erforderliche Unterscheidungskraft oder besteht ein Freihaltungsbedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2, 3, ist eine Eintragung gleichwohl zulässig, wenn die Marke sich vor dem Zeitpunkt der Entsch über die Eintragung infolge ihrer Benutzung für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, in mindestens 50 % der beteiligten Verkehrskreisen im Bundesgebiet (vgl zur Problematik von in der DDR angemeldeten, aber zum 3.10.1990 noch nicht eingetragenen Marken BPatG PAVIS PROMA – 29 W (pat) 44/03 – Guter Rat!; Grabrucker/Fink GRUR 2007, 267, 277) durchgesetzt hat. Bei Gemeinschaftsmarken ist eine Durchsetzung im gesamten Hoheitsgebiet der Union erforderlich (EuGH GRUR 2018, 1141 – KitKat 4 Finger). Der Durchsetzungsgrad von 50 % ist zwar die unterste Grenze für eine Verkehrsdurchsetzung (BGH GRUR 1990, 360 f – Apropos Film II), idR geben aber DPMA (RL Markenanmeldungen BlMZ 1995 378, 389) und das BPatG (BPatGE 28, 44, 49 – BUSINESS WEEK; Ströbele GRUR 2008, 569, 573) von diesem Wert aus. Eine Abhängigkeit vom Grad des Freihaltungsbedürfnisses besteht hierbei nicht (EuGH GRUR 1999, 723, 727 – Chiemsee). Allerdings kann ein Wort, eine Form etc so offensichtlich beschreibend oder eine geographische Angabe so bekannt sein, dass der Gedanke an eine Marke sehr fernliegt. In diesen Fällen ist ein höherer Durchsetzungsgrad, eine lange und intensive Benutzung erforderlich (EuGH GRURInt 1999, 727 – Chiemsee; vgl auch Hackbarth MarkenR 1999, 329, 332). Die Durchsetzung setzt voraus, dass der Verkehr mit dem Zeichen einen bestimmten Betrieb verbindet. Hierfür ist nicht erforderlich, dass der Verkehr den Namen des Herstellers oder Anbieters kennt, da es bekannte Markenartikel gibt, bei denen der Hersteller nur Branchenkennern bekannt ist (Eichmann GRUR 1999, 939, 945; vgl aber Ströbele GRUR 2008, 569, 571). Deshalb sind auch die Verkehrskreise zu berücksichtigen, die die Anmeldemarke einem bestimmten Unternehmen zuordnen, den Anmelder aber nicht benennen können. Nicht dem Anmelder zuzurechnen sind indes die befragten Verbraucher,