Markenrecht. Jennifer Fraser
414 – Analgin; GRUR 2000, 1032, 1034 – EQUI 2000; GRUR 2004, 510, 511 – S 100; BPatGE 42, 130 – SSZ; 42, 139 – tubeXpert). Eine genaue Definition des Begriffs „Bösgläubigkeit“ ist schwer möglich (Grabrucker Mitt 2008, 532, 536; Meessen GRUR 2003, 672; Osterloh FS Ullmann 2006, 354). Die Bösgläubigkeit ist anhand der Umstände des Einzelfalls festzustellen (BPatG PAVIS PROMA27 W (pat) 3/12 – Diskothek Der Pferdestall).
2. Fallgruppen
101
In einigen europäischen Ländern genügte bisher die bloße Kenntnis von der Vorbenutzung, um eine Bösgläubigkeit zu bejahen (Jänich MarkenR 2009, 469). Bösgläubig iSd Nr 14 ist indes eine Markenanmeldung, wenn der Markeninhaber –unabhängig davon, ob bereits ein schutzwürdiger Besitzstand des Vorbenutzers besteht– die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (BGH GRUR 2001, 242, 244 – Classe E; GRUR 2003 2005, 414 – Russisches Schaumgebäck; GRUR 2008, 160 – CORDARONE; GRUR 2008, 621 – AKADEMIKS). Bösgläubig handelt auch, wenn die Marke „Gold-Teddy“ angemeldet wird, um gegen den Vertrieb von „Gold-Bären“ vorgehen zu können (BGH GRUR 2015, 1214 – Goldbären mit Anm Berlit GRUR 2015, 1222; Thiering GRUR 2016, 984). Auf das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses kommt es bei § 8 Abs 2 Nr 14 nicht an. Ausgangspunkt ist, dass nach dem Prioritätsprinzip derjenige den rangbesseren Schutz für eine Marke kraft Eintragung erhält, der zuerst anmeldet (§ 6). Daher handelt ein Anmelder nicht schon deshalb unlauter, weil er weiß, dass ein anderer dasselbe Kennzeichen im Inland für gleiche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben (BGH GRUR 1980, 110, 111 – Torch; GRUR 1998, 412, 414 – Analgin; GRUR 1998, 1034, 1036 f – Makalu; GRUR 2000, 1032, 1034 – EQUI 2000; GRUR 2004, 510, 511 – S 100; GRUR 2005, 581, 582 – The Colour of Elégance; v Linstow MarkenR 1999, 81 f). Weil der Schutz einer Bezeichnung nur unter den in den §§ 4, 5 genannten Voraussetzungen entsteht, verleiht die Vorbenutzung nicht ohne weiteres das Recht zur Weiterbenutzung gegenüber einer kollidierenden, später eingetragenen Marke oder gar ein Verbietungsrecht (OLG München NJW-WettbR 1999, 156 – Rialto). Etwas anders gilt aber, wenn auf Seiten des Anmelders weitere Umstände hinzutreten, welche die Erwirkung der Zeicheneintragung als rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erscheinen lassen. Solche Umstände liegen in einer längeren Geschäftsbeziehung des Anmelders zum Verwender der älteren Bezeichnung. Hieraus lässt sich schließen, dass die Anmeldung in erster Linie in der Absicht getätigt worden ist, die Marke im Streitfall rechtsmissbräuchlich als Druckmittel einzusetzen (BPatG BeckRS 2017, 113862). Die Anmeldung einer farbigen Marke durch eine neu gegründete Gesellschaft ist ersichtlich bösgläubig, wenn ihr Geschäftsführer auch Gesellschafter einer anderen Gesellschaft war, die rechtskräftig zur Löschung einer identischen älteren Marke verurteilt wurde (BPatG GRUR 2015, 798 – Bayern Event). Gegen eine Bösgläubigkeit spricht demgegenüber indiziell, dass der Anmelder die Marke schon vor der Anmeldung benutzt hat und danach auch weiter benutzt (BPatG GRUR 2011, 232, 239 – Gelbe Seiten). Wer Markentrends erkennt und dementsprechend Marken entwickelt, handelt nicht bösgläubig (BPatG GRUR 2007, 240 – SEID BEREIT; GRUR-RR 2008, 4 – FC Vorwärts Frankfurt (Oder); PAVIS PROMA 27 W (pat) 31/11 -– Bildmarke Ampelmann). Die Marke „Snowdown“ ist nicht ersichtlich bösgläubig angemeldet worden, obwohl die erhebliche Bekanntheit des Aufdeckers von amerikanischen Staatsgeheimnissen ausgenutzt wird, weil sich keine nachvollziehbare Verbindung zwischen der Aufdeckung des Geheimdienstskandals und den beanspruchten „Backwaren“ herstellen lässt; zudem fehlt der schutzwürdige Besitzstand Dritter bzw der Mitbewerber, die der Anmelder behindern könnte (BPatG BeckRS 2016, 07853).
a) Störung eines schutzwürdigen Besitzstandes
102
Der Zeicheninhaber ist bösgläubig, wenn er in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers die gleiche oder eine ähnliche Bezeichnung ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren eintragen lässt und dabei beabsichtigt, den schutzwürdigen Besitzstand des Vorbenutzers zu stören (BGH GRUR 2000, 1032, 1034 – EQUI 2000; GRUR 2004, 510, 511 – S 100; GRUR 2004, 790, 793 – Gegenabmahnung). Allerdings muss ein schutzwürdiger Besitzstand nicht unbedingt gegeben sein, kann allerdings ein wichtiges Indiz hierfür sein (vgl BGH GRUR 2008, 621, 623 – AKADEMIKS; GRUR 2000, 1032 – EQUI 2000; BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 46/11 – Sa Trincha). Ob der Vorbenutzer einen schutzwürdigen Besitzstand erworben hat, ist eine Frage des Einzelfalles, die unter Berücksichtigung der Zeitdauer der Zeichenverwendung, der Bedeutung der damit erzielten Umsätze für die Geschäftstätigkeit des Vorbenutzers und der Bedeutung der Marke für den (speziellen) Abnehmerkreis zu beantworten ist (siehe hierzu den Beispielsfall BGH GRUR 2004, 510, 511 – S 100). Ein schutzwürdiger Besitzstand entsteht an gem § 8 schutzunfähigen Zeichen nur ausnahmsweise, wenn das Interesse des Vorbenutzers schutzwürdiger erscheint als gegenläufige öffentliche Interessen (offen gelassen von BPatG GRUR 2001, 744, 747 – S 100). An „Kö Bogen Zukunft für Düsseldorf“ als beschreibender, schutzunfähiger Bezeichnung kann kein schutzwürdiger Besitzstand entstehen, so dass eine Bösgläubigkeit zu verneinen ist (BPatG BeckRS 2017, 137164; Kortge/Mittenberger-Huber GRUR 2018, 467). Als ein die Anmeldung legitimierender sachlicher Grund kommt die Verteidigung eines eigenen schutzwürdigen Interesses, etwa der Erhalt eines eigenen Besitzstandes, in Betracht (vgl BGH GRUR 2005, 581, 582 – The Colour of Elégance; GRUR 2008, 917 – EROS; GRUR 2008, 621, 624 – AKADEMIKS; BGH GRUR 2004, 510, 512 – S 100; BPatG GRUR 2000, 809, 812 – SSZ; OLG München NJWE-WettbR 1997, 40, 41 – TubRobinson). Der Umstand, dass eine Marke gegen rein dekorative Verwendungsformen ins Feld geführt wird, begründet keine bösgläubige Anmeldung, wenn nicht weitere Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten hinzutreten (BGH GRUR 2016, 380 – GLÜCKSPILZ).
103
An den Nachweis der Kenntnis von der Existenz des schutzwürdigen Besitzstandes sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Bei einer langjährigen, den fraglichen Warenbereich betreffenden Geschäftsbeziehung der Beteiligten (BPatG GRUR 2001, 744, 748 – S 100, akzeptiert von BGH GRUR 2004, 510, 511 f – S 100), aber auch bei einer hohen werbemäßigen Präsenz des Zeichens für direkt konkurrierende Produkte (vgl OLG München NJW-WettbR 1999, 156, 157 – Rialto, im konkreten Fall sah das Gericht die Indizwirkung aber als widerlegt an) kann regelmäßig von einer solchen Kenntnis ausgegangen werden. Der schutzwürdige Besitzstand wird schon durch eine zeitranggleiche Markeneintragung, die an sich zu einer Koexistenz beider Zeichen führt, gestört (BGH GRUR 2004, 510, 511 – S 100).
b) Marke als zweckfremdes Mittel des Wettbewerbskampfes
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Bösgläubig meldet an, wer die Absicht hat, die mit der Eintragung entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen (BGH GRUR 1967, 304, 306 – Siroset; GRUR 1995, 117, 121 – NEUTREX; GRUR 1998, 1034, 1037 – Makalu; GRUR 2000, 1032, 1034 – EQUI 2000; GRUR 2001, 242, 244 – Classe E; GRUR 2003, 428, 431 – BIG BERTHA; GRUR 2005, 581, 582 – The Colour of Elégance; GRUR 2008, 621, 623 – AKADEMIKS). An diese sog Behinderungsabsicht sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie muss nicht der einzige Beweggrund sein; vielmehr genügt es, wenn diese Absicht das wesentliche Motiv ist (BGH GRUR 1986, 74, 76 – Shamrock III; GRUR 1998, 412, 414 – Analgin; GRUR 2000, 1032, 1034 – EQUI 2000; OLG Hamburg GRUR 1995, 816 – XTensions; OLG Köln GRUR-RR