Markenrecht. Jennifer Fraser

Markenrecht - Jennifer Fraser


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Dies betrifft aber nicht unbedingt politisch diffamierende, rassistische oder Frauen verachtende Äußerungen (vgl BPatG PAVIS PROMA 27 W (pat) 511/12 – Massaker). Allerdings verstößt eine Marke, die aus der Form eines Vibrators besteht, nicht zwangsläufig gegen die guten Sitten (BPatG GRUR 2004, 160). Gegen die guten Sitten verstoßen demgegenüber Marken, die religiös anstößig wirken (BPatGE 46, 66, 68 f – Dalailama; BPatG GRUR-RR 2012, 467, 468 f – Hl. Hildegard). Das religiöse Empfinden ist auch dann zu schützen, wenn die Glaubensrichtung eine Minderheit in den maßgeblichen Verkehrskreisen darstellt (BPatG GRUR-RR 2012, 8 – DAKINI). Dies ist auch der Fall bei einer Abkürzung „rcqt“ von „reconquista“, die islamfeindlich ist (BPatG PAVS PROMA 27 W (pat) 554/10). Dies ist auch dann zu bejahen, wenn die Schreibweise leicht abgewandelt ist, der Namensträger als religiöses Oberhaupt aber ohne weiteres identifizierbar ist (BPatGE 46, 66, 68 f – Dalailama). Auch Gestalten des buddhistischen Glaubens, also einer Minderheit, sind zu berücksichtigen (BPatG GRUR-RR 2012, 8 – DAKINI). Bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die guten Sitten ist auf die angemeldete Marke selbst abzustellen, nicht auf Umstände, die das Verhalten des Anmelders – wie zB bei der Bösgläubigkeit der Anmeldung – betreffen (EuG Mitt 2006, 275 – INTERTOPS – LS).

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      Diese Bestimmungen haben den Zweck, den Missbrauch von Hoheitszeichen einschließlich Gemeindewappen und Gewährzeichen, also amtlichen Zeichen, die das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften bestätigen (vgl Aufstellung bei Fezer § 8 Rn 388), zu verhindern. Hoheitszeichen sind in erster Linie Staatswappen als den Staat unmittelbar repräsentierende Staatssymbole (BPatG Mitt 2013, 468 – Schweizer-Kreuz; GRUR 2002, 337, 339 – Schlüsselanhänger; vgl auch HABM GRUR 2002, 620 f – Bildmarke ECA). Der Begriff der „anderen“ staatlichen Hoheitszeichen umfasst nicht ohne weiteres sämtliche Zeichen, deren sich der Staat zur Führung eines geordneten Gemeinwesens bedient, wie zB Banknoten, Briefmarken oder Verkehrszeichen (BPatG GRUR 2002, 337, 339 – Schlüsselanhänger). Nach § 8 Abs 4 S 1 erstreckt sich das Verbot auch auf Nachahmungen. Anders als bei der Frage der Schutzfähigkeit nach § 8 Abs 2 Nr 1–3, wonach ein schutzfähiger Bestandteil die Eintragung des Gesamtzeichens rechtfertigt, ist die Anmeldung auch dann nach Nr 6–8 zurückzuweisen, wenn die Kombinationsmarke ein Zeichen iS dieser Bestimmungen „als Bestandteil enthält“. Enthält eine komplexe Marke zwölf Sterne, angeordnet in einem Kreis und in ähnlicher Form besteht, ist eine Täuschung iSv § 8 Abs 2 Nr 6 gegeben, da nicht auszuschließen ist, dass das Publikum die Marke von einer Form mit der internationalen zwischenstaatlichen Organisationen in Verbindung bringen wird (BPatG Mitt 2012, 85, 87 – Euro Leergut; vergleiche auch Rapp Anm zu dieser Entscheidung in Mitt 2012, 88; insgesamt zu der Problematik Bender ELR 2012, 64 ff). Auch die Aufnahme der wesentlichen heraldischen Merkmale der Bundesflagge als Bestandteil einer Kombinationsmarke rechtfertigt den Ausschluss von der Eintragung als Marke. Dies gilt auch, wenn nicht nur die wesentlichen Merkmale der Bundesflagge, sondern auch diejenigen der Euroflagge in einem einzigen Bildbestandteil nachgeahmt werden (BPatG BlPMZ 2010, 229 – BSA Akademie). Erschöpft sich eine Marke oder ein Design in der Wiedergabe eines Hoheitszeichens, ist von einer Nachahmung auszugehen (BPatG GRUR 2015, 790 – DE-Flagge). Auch wenn die Schweizer Flagge ein „Weißes Kreuz auf rotem Grund“ zeigt, stellt eine Farbgebung in Schwarz-Weiß eine Nachahmung dar (BPatG PAVIS PROMA 29 W (pat) 509/13 – Weißes Kreuz auf schwarzem Grund). Schließlich ist die Bezeichnung „ONU“ als Hinweis auf die UN oder UNO nicht schutzfähig; eine Rückausnahme nach § 8 Abs 4 S 4 kommt nicht in Betracht, da zumindest der im Inland lebende Teil des Verkehrs mit romanischen Sprachhintergrund ONU als fremdsprachige Abkürzung der Vereinten Nationen verstehe und angesichts der Dienstleistungen – ua Berufsberatung – einen Bezug hierzu anstelle (BPatG 25 W (pat) 563 – ONU; kritisch Barth MarkenR 2018, 9, 14; Ströbele GRUR 1989, 84). Insgesamt dient die Vorschrift der Darstellung der Souveränität eines Staats, so dass eine Marke wie „Stadtwerke Bremen“, die lediglich auf die Führung eines Versorgungsunternehmens durch eine Kommune hinweist, nicht hierunter fällt (BGH MarkenR 2017, 186, 189 – Stadtwerke Bremen). Demgegenüber ist im Rahmen einer restriktiven Auslegung zugunsten der Anmelder eine Zurückweisung von Bezeichnungen, welche die wörtliche Benennung des Hoheitszeichens darstellen, nicht zulässig (BPatG GRUR 1993, 47, 48 – Shamrock).

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      Nachdem aus § 8 Abs 2 Nr 9 nunmehr Nr 13 geworden ist, soll gleichwohl Nr 13 vor den jüngeren Nummern behandelt werden, um die Systematik des Kommentars nicht zu gefährden.

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      Nach dieser Bestimmung sollen Anmeldungen auch dann zurückgewiesen werden, wenn die Marke gegen andere, außerhalb des Markenrechts angesiedelte Vorschriften verstößt wie die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des Lebensmittelrechts oder des Heilmittelwerberechts (amtl Begr, Sonderheft BlPMZ 1994, 64), wobei die Nennung dieser Rechtsgebiete in der Begr zu § 8 Abs 2 Nr 1 nur beispielhaften Charakter hat. So fallen auch europäische Kennzeichnungsvorschriften vor allem betr Getränke und bilaterale Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben unter diese Bestimmung (BPatG Mitt 2007, 163, 165 f – Miss Cognac; PAVIS PROMA – Champaqua; vgl auch v Gamm FS für Brandner, S 375). So fällt zum Beispiel ein bilaterales Handelsabkommen wie das deutsch-französische im Staatsvertrag über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen vom 8.3.1960 unter die sonstigen Vorschriften (BPatG GRUR 2007, 789, 790 – Miss Cognac; Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele § 8 Rn 889). Indes ist die Prüfung derartiger außerkennzeichnungsrechtlicher Vorschriften nicht auf das summarische Registerverfahren vor dem DPMA zugeschnitten. Deshalb ist die Eintragung eines Zeichens insoweit nur zu versagen, wenn ein eindeutiger Verstoß vorliegt. Bei „OLYMPIA“ ist dies in Verbindung mit Waren der Klasse 9 nicht der Fall, da eine Verbindung mit einer Olympiade nicht auf der Hand liegt und mithin ein Verstoß nicht ersichtlich ist (BPatG GRUR-Prax 2018, 467 – Eintragungsfähigkeit der Wort-/Bildzeichens „Olympia). Ein Verstoß liegt nur vor, wenn der Verstoß – ohne Auslegung der außerkennzeichenrechtlichen Vorschrift durch die „fachfremde“ Patentbehörde – ohne weiteres ersichtlich ist (BPatG GRUR 1989, 353 – Leichte Linie; GRUR 2007, 789, 790 – Miss Cognac; PAVIS PROMA 26 W (pat) 106/09 – Schampaqua). Ein solcher Verstoß ist insb dann nicht ersichtlich, wenn eine gesetzeskonforme Benutzung der Marke möglich ist. Lassen die sonstigen im öffentlichen Interesse erstellten Vorschriften die Benutzung der Marke für einen Teil der Waren und Dienstleistungen zu, fehlt es am Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 13, da diese Bestimmung nur greift, wenn eine gesetzeswidrige Benutzung in jedem denkbaren Fall gegeben ist (BGH 2002, 540, 541 – OMEPRAZOK; WRP 2005, 99, 102 – Roximycin). In den Fällen, in denen ein Dritter den Namen oder das Bildnis einer Person der Zeitgeschichte anmeldet, ist nicht auszuschließen ist, dass er hierzu berechtigt ist, so dass ein Verstoß nicht ersichtlich ist; in solchen Fällen wird aber eine Löschung wegen bösgläubiger Anmeldung geboten sein, wenn die Nichtberechtigung nachträglich geltend gemacht wird (vgl BPatG PAVIS PROMA – 24 W (pat) 36/02 – Lady Di; Winkler FS v Mühlendahl, S 279,


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