Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn
lediglich ihre Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz festgestellt.[45] Weil die tragenden Gründe einer Entscheidung des BVerfG Bindungswirkung auch über den konkreten Fall hinaus entfalten (§ 31 Abs. 1 BVerfGG), betrifft die Entscheidung indessen nicht nur das ZDF, sondern ist für den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk von grundlegender Bedeutung.[46]
17
Der in Umsetzung dieses BVerfG-Urteils am 1.1.2016 in Kraft getretene ZDF-Staatsvertrag[47] regelt nunmehr eine Verkleinerung des ZDF-Fernsehrates von 77 auf 60 Sitze. Dort sollen 20 statt der bisherigen 34 Sitze an Parteivertreter gehen. Die Landesregierungen der beteiligten Länder entsenden hierfür je einen Vertreter, § 21 S. 1 lit. a ZDF-StV; darüber hinaus werden je zwei Vertreter von Bund und Kommunen gestellt, § 21 Abs. 1 S. 1 lit. b, c ZDF-StV. Zudem werden 24 Vertreter von Verbänden und Organisationen gesandt, § 21 Abs. 1 S. 1 lit. d–p ZDF-StV), 16 Sitze werden von Vertretern aus den Ländern zugeordneten gesellschaftlichen Bereichen entsendet, § 21 Abs. 1 S. 1 lit. q ZDF-StV.[48]
18
Für den Verwaltungsrat gilt: Die Mitglieder werden bis zum Sommer 2017 teils gemeinsam von den Ministerpräsidenten der Länder berufen und teils vom Fernsehrat gewählt. Letztere dürfen weder einer Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft angehören. Hinzu kommt ein Vertreter des Bundes, der von der Bundesregierung berufen wird. Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrates ist der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck. Als Vertreter der Länder sind weitere Mitglieder der ehemalige Ministerpräsident Brandenburgs, die Ministerpräsidenten Sachsens und Bayerns sowie der Erste Bürgermeister der Hansestadt Hamburg. Für den Bund gehört dem Gremium ein ehemaliger Staatsminister an.[49] Als Folge des Urteils des BVerfG vom März 2015[50] wird sich der Verwaltungsrat zu Beginn der Amtsperiode im Sommer 2017 nach den neuen Regelungen des ZDF-StV vom 1.1.2016[51] zusammensetzen, um so der Vorgabe des BVerfG nach einer Senkung der Zahl der „staatsnahen“ Mitglieder des Verwaltungsrates auf maximal ein Drittel nachzukommen.[52] Nach § 24 Abs. 1 ZDF-StV besteht der Verwaltungsrat dann aus zwölf Mitgliedern, nämlich vier Vertretern der Länder, die von den Ministerpräsidenten gemeinsam berufen werden und acht weiteren Mitgliedern, die vom Fernsehrat mit einer Mehrheit von drei Fünfteln seiner gesetzlichen Mitglieder gewählt werden. Nicht wählbar sind die Mitglieder des Fernsehrates nach § 21 Abs. 1 S. 1 lit. a) bis c) ZDF-StV.
1.3.3 Gleichheitssatz
19
Probleme bereitet ferner eine vor dem Gleichheitssatz gerechte Besetzung der Gremien. Nach der Rspr. des BVerfG engt der Gleichheitssatz nicht die von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gelassene Freiheit der Wahl eines bestimmten Kontrollsystems ein. „Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt aber, dass der Gesetzgeber das von ihm gewählte Kriterium gleichmäßig anwendet und nicht den sachlichen Grund verlässt. Art. 3 Abs. 1 GG (ist) dann verletzt (…), wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.“[53] Die Auswahlkriterien für die künftige Zusammensetzung der Aufsichtsgremien öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten müssen daher gleichmäßig und willkürfrei angewandt werden und unter Beachtung weiterer grundgesetzlicher Vorgaben wie derjenigen des Art. 3 Abs. 2 GG erfolgen.[54]
2. Intendant
20
Der vom Fernsehrat zu wählende Intendant ist rechtlich und im Hinblick auf das Programm für die Anstalt verantwortlich und vertritt diese (§ 27 ZDF-StV). Die Berufung von Programm-, Verwaltungsdirektor und Chefredakteur kann nur im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat erfolgen. § 28 ZDF-StV zählt Rechtsgeschäfte auf, die der Zustimmung des Verwaltungsrates bedürfen. Dem Intendanten stehen dazu in der Regel[55] Direktoren für die Bereiche Fernsehen, Hörfunk, Produktion und Technik, Verwaltung und rechtliche Belange zur Seite.[56]
3. Prozessuale Fragen
21
Wenn der Rundfunkrat eine Programmentscheidung gegen den Intendanten durchsetzen will oder umgekehrt, der Intendant sich gegen die Beanstandung einer Programmentscheidung durch den Rundfunkrat wehren möchte, liegt eine Organstreitigkeit mit anstaltsinterner Kontrolle vor. Statthafte Klageart ist für die Organe der Anstalt die allgemeine Leistungsklage. Die Rechte des Intendanten ergeben sich aus dessen Verantwortung für die Programmgestaltung,[57] die er als Träger eigener Rechte wahrnimmt.[58] Der Rundfunk- bzw. Fernsehrat hat demgegenüber eigenverantwortlich[59] das Recht, die Einhaltung der Programmgrundsätze zu überwachen.[60]
III. Programmauftrag
22
Der Programm- und Versorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist in den §§ 11 und 19 RStV einfachgesetzlich konkretisiert.[61] Jedenfalls seit Gründung des privaten Rundfunks ist er Anlass für Meinungsverschiedenheiten über seinen Umfang.[62]
1. Klassischer Programmauftrag
23
Nach § 11 Abs. 1 S. 1 RStV haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten „durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen.“[63] Im dualen System tritt die in § 11 Abs. 1 S. 2–6 und Abs. 2 RStV niedergelegte und dynamisch interpretierte Aufgabe der Grundversorgung[64] hinzu. Hier besteht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Pflicht, im Interesse von Informationsfreiheit und Demokratie, ein vielfältiges, umfassendes und ausgewogenes mediales Angebot zu sichern.[65] Um dieser Aufgabe nachkommen zu können, sieht § 12 RStV einen Finanzgewährleistungsanspruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor. Die frühere Gebühren- und nunmehrige Beitragsfinanzierung verpflichtet ihn, ein umfassendes Programm anzubieten, das die Bereiche Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung zu beinhalten hat (§ 11 Abs. 1 S. 4 RStV). Es muss die gesamte Bandbreite des gesellschaftlichen Lebens und der kulturellen Vielfalt[66] widerspiegeln, sich an jeden richten und technisch für jeden erreichbar sein.
24
Im dualen System bedingen Funktionsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Freiräume der privaten Veranstalter. Der umfassende Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten rechtfertigt die geringeren Programmanforderungen an nicht beitragsfinanzierte private Veranstalter, die lediglich ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung bieten müssen. Grund hierfür ist, dass sie aufgrund ihrer Werbefinanzierung zielgerichtet besonders kapitalkräftige Zielgruppen bedienen müssen und dabei nur bedingt auf Breite, Ausgewogenheit und Vielfalt achten können.[67] Diese geringeren Anforderungen können aber wiederum nur akzeptiert werden, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Maßgaben des Rundfunkstaatsvertrages für seinen Programmauftrag erfüllt.[68] Betrachtet man indes die Anforderungen in den Bundesländern[69] an Programmauftrag und -grundsätze im Hinblick auf private Vollprogramme, so dürfte jedenfalls in der Praxis die Abweichung weit weniger deutlich sein.
25
Durch den 12. RÄStV wurde § 19 RStV neu gestaltet. Danach steht es den in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, dem ZDF und dem Deutschlandradio frei, zur Erfüllung ihres Auftrags nach § 11 RStV geeignete Übertragungswege zu nutzen. Erfasst werden von der Vorschrift alle Angebote, die im Rahmen des gesetzlichen Auftrags erbracht werden.[70] Zu den Übertragungswegen zählen analoge und digitale Satellitenverbreitung, analoge und digitale Kabelverbreitung sowie die analoge und digitale Terrestrik. Außerdem fällt die Verbreitung von Rundfunkprogrammen über