Das Verhältnis des Vermögensnachteils bei der Untreue (§ 266 StGB) zum Vermögensschaden beim Betrug (§ 263 StGB) unter besonderer Berücksichtigung des Gefährdungsschadens. Steffen Evers
das Verhältnis der Begriffe Vermögensnachteil und Vermögensschaden in Betracht kommenden Möglichkeiten. Nach einer ersten Analyse kommen vier mögliche Varianten in Betracht.
Den Ausgangspunkt bildet die herrschende Vorstellung eines Gleichlaufs der beiden Begriffe (Rn. 24 ff.). Diese wird im Rahmen der Untersuchung wegen ihrer scheinbaren Unumstößlichkeit und Absolutheit als „Dogma der Identität“ bezeichnet. Bei der Darstellung des status quo wird mit der Untersuchung des Begriffs des Vermögensschadens als Angelpunkt des „Dogmas der Identität“ begonnen (Rn. 25 ff.). Dabei wird in einem ersten Schritt die Grundlage einer Begriffsdefinition gelegt, der Vermögens- und Schadensbegriff erläutert sowie das Prinzip der Gesamtsaldierung eingeführt. In einem zweiten Schritt werden dann die Sonderformen der Schadensermittlung, individueller Schadenseinschlag und Zweckverfehlungslehre, kritisch gewürdigt und die Rechtsfigur der „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ eingeführt, deren vielschichtige Interpretationsmöglichkeiten und Unwägbarkeiten anhand der relevanten Fallgruppen dargelegt. Es wird zu zeigen sein, dass sich dabei ein diffuses Bild unklarer dogmatischer Strukturen und unterschiedlichster Kriterien in den verschiedensten Fallgruppen ergibt. Gleichsam wird auch die der Rechtsfigur innewohnende Extensionsanfälligkeit aufgezeigt. Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung des Begriffs des Vermögensnachteils (Rn. 211 ff.) werden die Schwächen der gegenwärtigen Dogmatik durch die Darstellung der relevanten Fallgruppen ebenfalls deutlich.
Die zweite Möglichkeit des Verhältnisses ist eine Ausweitung des untreuerechtlichen Nachteilsbegriffs über die Grenzen des Vermögensschadens hinaus (Rn. 276 ff.). Diese Entwicklung ist v.a. in einigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Untreue durch Bildung von sog. schwarzen Kassen festzustellen, die einer ausführlichen Prüfung unterzogen werden. Einen besonderen Schwerpunkt soll dabei aufgrund seiner Bedeutung das Urteil zur Siemens-Korruptionsaffäre darstellen.
Der darauf folgende Abschnitt widmet sich der Möglichkeit einer Restriktion (Rn. 324 ff.). Dabei werden zwei Restriktionsansätze unterschieden, wobei der erste zur Aufrechterhaltung des „Dogmas der Identität“ führt, während der andere dieses aufgibt.
Als dritte Möglichkeit des Verhältnisses kommt zunächst eine beiderseitige Einschränkung der Begriffe auf einen klar fassbaren Begriffskern unter Beibehaltung des „Dogmas der Identität“ in Betracht. Im Mittelpunkt steht hier eine Untersuchung des Verfassungsrechts (Rn. 326 ff.). Dabei werden zunächst die relevanten verfassungsrechtlichen Prinzipien dargestellt und ihre jeweiligen Auswirkungen auf die Begriffe Vermögensnachteil und Vermögensschaden sowie die Anerkennung einer Tatvollendung durch Vermögensgefährdung untersucht. Unter der Federführung des Verfassungsrechts wird dann eine verdeutlichende Definition der Begriffe entwickelt. Im Anschluss wird deren Notwendigkeit auch aus wirtschaftspolitischer (Rn. 432 ff.) und strafrechtspolitischer Perspektive (Rn. 448 ff.) nachgewiesen.
Als vierte und letzte Möglichkeit des Verhältnisses kommt, ausgehend von der restriktiven Definition, abschließend noch ein engeres Verständnis des Begriffs des Vermögensnachteils in Betracht (Rn. 484 ff.).
Durch Auswertung der bezüglich der vier Möglichkeiten gewonnenen Erkenntnisse wird anschließend ein Gesamtergebnis zum Verhältnis der Begriffe Vermögensnachteil und Vermögensschaden formuliert, dieses Verhältnis sodann „neu“ interpretiert (Rn. 539 ff.), bevor im Anschluss die Auswirkungen dieser Neuinterpretation dargestellt werden (Rn. 543 ff.).
Dabei werden sowohl die eingangs erwähnten Veränderungstendenzen im Strafrecht, als auch die Vorteile der vorgenommenen Konturierung im Hinblick auf Wissenschaft und Praxis zusammenfassend erläutert. Letztlich wird auch die Frage nach der Existenzberechtigung der Figur der „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ beantwortet. Im Rahmen dessen wird auch ein Blick auf die Betrugs- und Untreuekodifikationen anderer europäischer Staaten geworfen. Abschließend werden die Ergebnisse auf die im Rahmen der Untersuchung behandelten Fallgruppen angewendet sowie ein Ausblick auf die zu erwartende strafrechtliche Aufarbeitung der Weltwirtschaftskrise gewagt.
Teil 4 (Rn. 632 ff.) beinhaltet dann abschließend eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung.
Teil 2 Das Verhältnis der Begriffe Vermögensschaden und Vermögensnachteil – die 4 Möglichkeiten einer Verhältnisbildung
Inhaltsverzeichnis
A. Heutiges Verständnis – Das „Dogma der Identität“ von Vermögensschaden und Vermögensnachteil (1. Möglichkeit)
B. Ausweitung des Begriffs des Vermögensnachteils durch die neuere Rechtsprechung (2. Möglichkeit)
C. Erfordernis restriktiver Anwendung der Begriffe Vermögensschaden und Vermögensnachteil (3./4. Möglichkeit)
D. Gesamtergebnis: Neuinterpretation des Verhältnisses der Begriffe Vermögensschaden und Vermögensnachteil
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Vermögensschaden und Vermögensnachteil sind die jeweiligen tatbestandlichen Erfolge der wirtschaftsstrafrechtlichen Tatbestände Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB). Einerseits muss der Täter das Vermögen eines anderen „beschädig[en]“, andererseits demjenigen, „dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufüg[en]“. Unklar ist, wie sich die beiden Begriffe zueinander verhalten, in welchem Verhältnis sie stehen. Dazu lassen sich zunächst drei Gestaltungsmöglichkeiten unterscheiden.
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Man könnte meinen, dass ausgehend von der rein sprachlichen Divergenz „Schaden“ auf der einen und „Nachteil“ auf der anderen Seite mit diesen nur etwas Unterschiedliches gemeint sein kann. So kann der Begriff des Nachteils entweder weiter oder enger als der des Schadens ausgelegt werden, wobei der Wortlaut wohl eher auf Ersteres hindeuten mag.[1] Trotz der begrifflichen Unterscheidung sind Rechtsprechung und Literatur aber seit jeher von einer Identität der beiden Begriffe ausgegangen.[2] Stimmt man dem zu, sind aber wiederum verschiedene Abstufungen der Begriffsinhalte möglich, da die Begriffe trotz ihrer Identität enger oder weiter interpretiert werden könnten. Letztlich kommt es aber auch dann, wenn man den Begriffen einen unterschiedlichen Inhalt beimisst, jeweils auf den Vergleichsmaßstab, den Inhalt des jeweiligen Konträrbegriffs an, so dass ausgehend davon unzählige Möglichkeiten des Verhältnisses der Begriffe existieren.
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Die vorliegende Untersuchung geht diesbezüglich von vier zentralen Möglichkeiten aus:
1. | Möglichkeit: Identität der beiden Begriffe in ihrer Auslegung durch die ganz herrschende Meinung: „Dogma der Identität“ (Rn. 24 ff.) |
2. | Möglichkeit: Ausweitung des Nachteilsbegriffs über die herrschende Dogmatik zum Begriff des Vermögensschadens hinaus (Rn. 276 ff.) |
3. |
Möglichkeit:
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