Das Verhältnis des Vermögensnachteils bei der Untreue (§ 266 StGB) zum Vermögensschaden beim Betrug (§ 263 StGB) unter besonderer Berücksichtigung des Gefährdungsschadens. Steffen Evers

Das Verhältnis des Vermögensnachteils bei der Untreue (§ 266 StGB) zum Vermögensschaden beim Betrug (§ 263 StGB) unter besonderer Berücksichtigung des Gefährdungsschadens - Steffen Evers


Скачать книгу
Rechtsmaterien dienend zugeordnet, sondern soll selbstständig regeln, regulieren und Ordnung schaffen. Es befindet sich nicht mehr im ruhigen Fahrwasser der Ahndung unvertretbarer Verletzungen von Individualrechtsgütern, sondern wird von der schnellen Strömung der gesellschaftlichen Entwicklung mitgerissen, indem es sich ausbreitet und in alle gesellschaftlichen Räume hineinzwängt. Ob es dieser Strömung Herr wird und sich wirklich als das richtige Instrument zur Lenkung und Regulierung der Gesellschaft entpuppt oder ob es notwendig ist, möglichst schnell einen Anker zu werfen,[8] gilt es abzuwarten.

      Teil 1 EinleitungA. Allgemeine Veränderungstendenzen im Strafrecht › II. Rechtssicherheit vs. individuelle Gerechtigkeit

      7

      Blendet man den Richtungsstreit zwischen Rechtsgüterschutz und Gesellschaftslenkung aus, soll das Strafrecht, wie das Recht insgesamt, zuvörderst gerecht sein. Jeder, der eine Straftat begangen hat, soll dafür eine dem Einzelfall konkret angepasste Strafe erhalten. Das ist gerecht i.S.e. individuellen Gerechtigkeit. Andererseits soll das Strafrecht vorhersehbar sein. Es ist notwendig, dass sich der Bürger vor der Begehung einer Straftat über die Strafbarkeit eines Verhaltens informieren kann. Auch das ist gerecht, hier i.S.d. Rechtssicherheit. Es stellt sich die Frage, ob sich beides realisieren lässt; ob man jedem für das konkrete Verhalten eine detailgenaue Bestrafung antragen kann, die gleichzeitig aber für jeden vorhersehbar ist.

      8

      Anmerkungen

       [1]

      Als Schöpfer des Begriffs „Rechtsgut“ gilt gemeinhin Birnbaum vgl. ders. Archiv des Criminalrechts 1834, 149 ff. Binding hat den Rechtsgutsbegriff dann zum Grundbegriff des Strafrechtssystems erhoben und dem Dogma vom Rechtsgüterschutz zum Durchbruch verholfen. Vgl. dazu Sina Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs Rechtsgut, 41 ff.

       [2]

      Vgl. Dierlamm StraFo 2005, 397, 398.

       [3]

      Auch bei Individualrechtsgütern ist die Sicht der Öffentlichkeit und Allgemeinheit maßgebend. Dies resultiert aus dem erforderlichen Gemeinschafts- und Sozialbezug, da Individualrechtsgüter dem Einzelnen erst die Möglichkeit verleihen, sich innerhalb der Gemeinschaft zu entfalten und erst durch ihre Beziehung zum Menschen Rechtsgüter werden, vgl. Vogel StV 1996, 110, 111. Dies wird z.B. anhand des Eigentums deutlich, da nicht die abstrakte Sache an sich, sondern erst ihre Bezogenheit auf einen Inhaber, den Eigentümer, das Eigentum ausmacht. Vgl. dazu Marx Zur Definition des Begriffs „Rechtsgut“, 64.

       [4]

      BGH NStZ 1993, 283.

       [5]

      LK/Tiedemann 12. Aufl., § 265b, Rn. 10 ff.; Schönke/Schröder/Perron 29. Aufl., § 265b, Rn. 3, jew. m.w.N.

       [6]

      Schönke/Schröder/Perron 29. Aufl., § 264, Rn. 4.

       [7]

      Beispielhaft fordert Kasiske die Einführung neuer Straftatbestände im Zuge der Finanzkrise, vgl. ders. Aufarbeitung der Finanzkrise durch das Strafrecht? Zur Untreuestrafbarkeit durch Portfolioinvestments in Collateralized Debt Obligations via Zweckgesellschaften, in: Schünemann, (Hrsg.), Die sogenannte Finanzkrise – Systemversagen oder global organisierte Kriminalität?, 13, 40 f.

       [8]

      So insbesondere Vertreter der sog. Frankfurter Schule, die eine Rückbesinnung des Strafrechts auf seinen ureigenen Kriminalitätsbereich verlangen, da sie ihm die Eignung zur Systemregulierung absprechen. Vgl. anstatt vieler Schilling Fragmentarisch oder umfassend?, 237 ff., 251.

       [9]

      In diese Richtung interpretiert Hamm NJW 2005, 1993 den Untreuetatbestand in seiner Handhabung durch die Rechtsprechung.

       [10]

      BVerfGE 4, 352, 358; 11, 234, 237; 28, 175, 183; 45, 363, 371; 47, 109, 120; 48, 48, 56.

      Teil 1 Einleitung › B. Das Wirtschaftsstrafrecht als Feld einer Richtungsentscheidung

      9

      10

      Ursache dafür ist die besondere Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung. Diese bringt immer neue Arten potentieller wie tatsächlicher Kriminalität hervor, die vermeintlich eine Reaktion durch das Strafrecht verlangen. Infolge der Entwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs schossen z.B. in der Finanzwirtschaft schier unzählige verschiedene Finanzprodukte sowie die verschiedensten Strategien zur Geldvermehrung mit neuartigen, vermeintlich unkalkulierbaren Risiken aus dem Boden. Zusätzlich sehen sich die Unternehmen in der Realwirtschaft durch die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung einem weltweiten Konkurrenz- und Innovationsdruck ausgesetzt, der die Ursache teils unseriöser oder zumindest unmoralischer Geschäftspraktiken bildet. Dadurch wird das Strafrecht auf den Plan gerufen. Es wird zur Wirtschaftslenkung eingesetzt, indem durch weite, generalklauselartig formulierte Tatbestände versucht wird, den nicht zu überblickenden Kriminalitätsbereich abzudecken.

      11

      Ausdruck


Скачать книгу