Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren. Steffen Stern
Die Gebührenregelung mitsamt der völlig unwägbaren Erhöhungsmöglichkeit des § 51 RVG[11] erweist sich im Ergebnis als kontraproduktiv und schafft zusätzliche Abhängigkeiten des Offizialverteidigers vom Gericht[12]. Der wirtschaftlich schwache Anwalt steht, wenn er nicht auf Vorschlag des Beschuldigten bestellt wurde, zuweilen im Verdacht, sich anzupassen, um nicht seine Chancen zu mindern, auch in künftigen Verfahren berücksichtigt zu werden. Vielleicht auch fällt die Wahl des Vorsitzenden eher auf wenig berufserfahrene oder tendenziell „anpassungsbereite“ Anwälte, weil deren Terminpläne nicht prall gefüllt und sie (deshalb) auf Pflichtverteidigungen angewiesen sind[13], sodass sich der Kreislauf leistungshemmender Faktoren zum Nachteil des Rechtsuchenden schließt.
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Anders als der Pflichtverteidiger kann der Wahlverteidiger gem. § 9 RVG die Mandatsübernahme oder -fortführung von einer großzügigen Honorarvereinbarung und angemessenen Gebührenvorschüssen abhängig machen. Ist der Mandant betucht, stehen der Verteidigung auch Gelder für entlastende Ermittlungen, insbesondere für die Konsultation von Experten zur Verfügung. Der Pflichtverteidiger hingegen, der dringenden Nachermittlungs- und Kontrollbedarf sieht, ist im Vorverfahren weitgehend auf das „Wohlwollen“ des Staatsanwalts angewiesen.
Anmerkungen
Sessar, Rechtliche und soziale Prozesse einer Definition der Tötungskriminalität, 1981.
Sessar ebenda, S. 177/178.
Sessar ebenda, S. 179.
Sessar ebenda, S. 179.
Nachweise bei Sessar ebenda, S. 175.
Vogtherr, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Strafverteidigung, 1991, S. 204; 240: durchschnittlich 3 1/2 Monate Zeitvorsprung des Wahlverteidigers.
Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts, BGBl. I, 2009, 2274 f.; dazu Bittmann, NStZ 2010, 13; Deckers, StraFo 2009, 441.
Backes (Fn. 338), S. 115 und 176, hat einen Anteil zwischen 30 und 40 % ermittelt.
Zur Höhe der gesetzlichen Gebühren siehe Rn. 2979.
Burhoff, RVG (2004), S. 281 Rn. 8 mwN.
Siehe hierzu Burhoff, StraFo 2011, 381; 2008, 192.
Krit. zu § 99 BRAGO Eisenberg/Classen, NJW 1990, 1023; Hannover, StV 1981, 487.
So auch Barton, StV 1984, 394 [401].
Teil 2 Der Tod und seine strafrechtliche Zurechnung
Inhaltsverzeichnis
B. Todesursächlichkeit einer Handlung
Teil 2 Der Tod und seine strafrechtliche Zurechnung › A. Todesbegriff
A. Todesbegriff
Teil 2 Der Tod und seine strafrechtliche Zurechnung › A › I. Menschenleben
I. Menschenleben
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Gegenstand des Kapitalstrafrechts sind gegen das geborene Menschenleben gerichtete bzw. verabredete Verbrechenstatbestände in vollendeter oder versuchter Form. Bei pränatalen Einwirkungen auf die Leibesfrucht scheiden Mord- und Totschlag (in Bezug auf den Fötus) aus. Maßgebender Zeitpunkt für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs zwischen den Abtreibungs- und Tötungsdelikten ist das tatsächliche Einsetzen der Eröffnungswehen[1].
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So bleibt etwa ein Arzt selbst bei postnataler Todesfolge mangels tatbestandsmäßiger Handlung im Sinne der Tötungsdelikte straflos, der fahrlässigerweise pränatale schwangerschaftsbegleitende Untersuchungen und die womöglich in Bezug auf den Fötus lebensspendende bzw. lebenserhaltende frühzeitige Entbindung per Kaiserschnitt unterlässt[2]. Wer eine Hochschwangere kurz vor der Niederkunft durch Schüsse oder Stiche in den Unterleib tötet, ist nicht etwa wegen zweifachen Totschlags zu bestrafen. Überlebt die Schwangere die Messerattacke, verstirbt jedoch das durch notoperativen Kaiserschnitt gerettete Kind nach 16 Tagen aufgrund seiner Frühgeburtlichkeit und eines infolge der Stichverletzungen seiner Mutter erlittenen Herz-Kreislauf-Stillstandes, ohne den das Kind eine sehr hohe Überlebenschance gehabt hätte, ist der Täter wegen des Tötungsdelikts zum Nachteil der Mutter in Tateinheit mit Schwangerschaftsabbruch zum Nachteil des Kindes zu bestrafen[3].
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Die schwangere Frau ist ihrerseits vom Einsetzen der Geburtswehen an (als Garantin) verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, um das Leben des Kindes zu erhalten. Ist für die Schwangere im Hinblick auf bekannte Vorerkrankungen oder sonstige Risiken absehbar, dass bei der Geburt Gefahren für Leib oder Leben des Kindes entstehen können, hat sie (ggf. ärztliche) Hilfe in Anspruch zu nehmen. Anderenfalls droht ihr – (bedingten) Tötungsvorsatz vorausgesetzt – schlimmstenfalls sogar die Verurteilung wegen Totschlags durch Unterlassen[4].
Teil 2 Der Tod und seine strafrechtliche Zurechnung › A › II. Todeseintritt
II.