Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
darstellen, wird schnell deutlich, dass bereits im Strafverfahren der Grundstein für die spätere Ausweisungsentscheidung gelegt wird. Verteidigung von Ausländern bedeutet daher auch bereits im Strafverfahren mit Blick auf die drohende Ausweisung zu verteidigen. Wird der „Kampf um die Ausweisung“ – wie so oft – erst nach Rechtskraft des Urteils aufgenommen, ist dieser häufig verloren ehe er überhaupt begonnen hat. Der Verteidiger hat daher bereits zu Beginn des Mandates die wesentlichen Eckdaten zu erfassen – siehe Checkliste (Rn. 122) –, die Gefahr ausländerrechtlicher Maßnahmen zu prüfen und diese als wesentlichen Bestandteil in seine Verteidigungsstrategie zu integrieren.
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Dass die verfahrensrechtlichen Besonderheiten, wie z.B. Dolmetscherbeiordnung, Pflichtverteidigung, Untersuchungshaft und Verfahrenseinstellungen gemäß § 154b StPO, erhöhte Aufmerksamkeit erfordern, wurde bereits ausgeführt. In besonderem Maße gilt dies auch für die Verteidigung in der Strafvollstreckung, da dem verurteilten Ausländer verschiedene Vollstreckungsalternativen offen stehen, deren (richtige) Wahl entscheidenden Einfluss auf die effektive Länge der Haftzeit haben kann. Die Kenntnis einer Vielzahl von Vorschriften – z.B. § 456a StPO –, Gesetzen – z.B. ÜAG –, bilateraler Abkommen – z.B. ÜberstÜbK – und anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen ist ebenso erforderlich, wie eine fundierte Beratung bzgl. der Vor- und Nachteile der einzelnen Vollstreckungsalternativen.
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Im Strafvollzug steht die restriktive Gewährung von Vollzugslockerungen im Vordergrund; ausländischen Gefangenen bleiben Lockerungen – z.B. Urlaub oder die Verlegung in den offenen Vollzug – in der Regel verwehrt. Die vorhandene Sprachbarriere, fehlende Besuche und die häufig empfundene Diskriminierung stellen nur einige Punkte dar, die den Vollzugsalltag des ausländischen Gefangenen zusätzlich belasten. Hier ist in erster Linie die Kenntnis der wenigen einschlägigen Gerichtsentscheidungen gefragt; daneben muss sich der Verteidiger auf den „Gang durch die Instanzen“ einstellen, da positive Vollzugsentscheidungen häufig erkämpft werden müssen.
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Einen weiteren Schwerpunkt bildet schließlich die Verteidigung in der Abschiebungs- und Auslieferungshaft. Droht dem ausländischen Mandanten die Auslieferung, bedarf es fundierter Kenntnisse des internationalen Rechtshilfeverkehrs; daneben können Recherchen bzgl. des im Heimatland des Mandanten geltenden Rechts erforderlich werden, die ein erhöhtes – oft nicht ausreichend bezahltes – Engagement des Verteidigers voraussetzen. Auch hier wird schnell deutlich, dass der Verteidiger ein besonders arbeitsintensives Mandat übernommen hat.
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Nach diesem einführenden „Problemaufriss“ sei noch der kurze Hinweis gestattet, dass das vorliegende Werk seiner Konzeption nach ein Praxishandbuch darstellt, dessen Schwerpunkt in der Darstellung der (obergerichtlichen) Rechtsprechung liegt; zahlreiche Arbeitshilfen – Tabellen, Übersichten, Checklisten, Musterschriftsätze, Gesetzestexte, Verwaltungsrichtlinien, völkerrechtliche Verträge[1] und praktische „Hinweise“ – sollen den Wert des Buches erhöhen. Auf eine Detaildarstellung weiterführender Literatur wurde bewusst verzichtet, da diese den Rahmen eines „Praxishandbuchs“ bei weitem sprengen würde; insoweit sei also der interessierte Leser auf die in den Fußnoten angegebene (Kommentar-)literatur verwiesen.
Anmerkungen
Musterschriftsätze, die wichtigsten Gesetzestexte, Verwaltungsrichtlinien und völkerrechtliche Verträge sind im Volltext auf der Homepage www.verteidigung-von-auslaendern.de unter der Rubrik „Download“ abrufbar.
Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht
Inhaltsverzeichnis
I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe
II. Verteidigungsstrategien zur Vermeidung der Ausweisung
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Obwohl der BGH – in ständiger Rechtsprechung[1] – der drohenden Ausweisung den strafzumessungserheblichen Charakter abspricht, wird die erfolgreiche Verteidigung von Ausländern nicht selten mit der Vermeidung ausländerrechtlicher Maßnahmen gleichgesetzt. Eine der ersten Fragen des ausländischen Mandanten lautet in der Regel: „Werde ich ausgewiesen?“
Hält man sich weiter vor Augen, dass die einschlägigen Rechtsvorschriften auf eine Vielzahl verschiedener Gesetze und bilateraler Abkommen verteilt sind und zudem das Strafurteil im späteren verwaltungsrechtlichen Verfahren oft die einzige Entscheidungsgrundlage darstellt,[2] wird schnell deutlich, dass auch der Verteidiger über ein solides ausländerrechtliches Basiswissen verfügen muss, will er den ausländischen Mandanten mit Blick auf die drohende Ausweisung sachgerecht verteidigen.
Anmerkungen
Vgl. BGH NStZ-RR 2000, 297, 298 m.w.N.
Vgl. BVerwGE 35, 291, 294.
Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe
I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe
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Auch die Verteidigung von Ausländern setzt daher zunächst die Kenntnis der ausländerrechtlichen Terminologie voraus:
Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe › 1. Ausländer
1. Ausländer
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Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher i.S.d. Grundgesetzes ist.
Wegen der negativen Abgrenzung in § 2 Abs. 1 AufenthG ist also allein darauf abzustellen, ob der Betreffende den Status des Deutschen nach Art. 116 Abs. 1 GG (nicht) besitzt. Der Staatenlose ist demnach kein Deutscher. Ist die deutsche Staatsangehörigkeit einer Person ungeklärt, wird sie grundsätzlich als Ausländer behandelt[1].
Anmerkungen
GK-AufenthG-Funke-Kaiser § 2 AufenthG Rn. 7 m.w.N.
Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe › 2. Aufenthaltstitel
2. Aufenthaltstitel
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