Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist.
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Der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG setzt eine rechtskräftige Verurteilung voraus. Voraussetzung ist ein einziges Urteil[9]. Unerheblich ist, ob die Strafe wegen einer einzelnen Tat verhängt oder im Wege einer (nachträglichen[10]) Gesamtstrafe gebildet worden ist.[11] Unbeachtlich ist auch, ob die Strafe zu Bewährung ausgesetzt worden ist,[12] was gegenüber dem alten Recht eine erhebliche Verschärfung darstellt.
Hinweis
Wird die Strafe gemäß §§ 56, 57 StGB zur Bewährung ausgesetzt, ist diese Tatsache jedoch im Rahmen der Gefahrenprognose zu berücksichtigen[13]; da bei positiver Sozialprognose die Ausweisung regelmäßig nicht auf spezialpräventive Gründe gestützt werden kann (vgl. Rn. 84), fällt die Gefahrenprognose zum Vorteil des verurteilten Ausländers aus, sofern generalpräventiv motivierte Erwägungen (ausnahmsweise) unzulässig sind (vgl. Rn. 92 f.). In diesem Fall wird also im Ergebnis der Generalprävention die entscheidende Bedeutung zukommen.
Ist eine Gesamtfreiheitsstrafe (nachträglich) zu bilden, gilt es § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB zu beachten, wenn neben der Freiheitsstrafe eine Geldstrafe ausgeurteilt worden ist; in diesem Fall kann ausnahmsweise von der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen werden, was zum Fortfall des Ausweisungstatbestandes führen kann, wenn die Einsatzstrafe zwar eine Freiheitsstrafe darstellt, aber (knapp) unterhalb der Jahresgrenze liegt. Wird durch die Einbeziehung der Geldstrafe das für den Verurteilten kritische Strafmaß erreicht, so z.B. bei drohendem Verlust der Beamteneigenschaft,[14] ist anerkannt das die (Nicht-)einbeziehung der Geldstrafe einer besonderen Begründung bedarf. Die hierzu ergangene Rechtsprechung sollte in geeigneten Fällen auch im Hinlick auf § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG fruchtbar gemacht werden.
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Weitere Voraussetzung ist die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat.
Dies ist bei in Tateinheit begangenen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten der Fall, wenn in den Urteilsgründen ausdrücklich ausgesprochen oder nach den Tatumständen oder den verletzten Straftatbeständen offensichtlich ist, dass das Gericht die Freiheitsstrafe von mind. einem Jahren schon allein im Hinblick auf die Vorsatztat(en) verhängt hat (vgl. 53.1.1.1 Anwendungshinweise zum AufenthG). Lässt sich der auf die fahrlässig begangenen Tat(en) entfallende Strafanteil nicht in Abzug bringen, scheidet der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG aus.[15]
Hinweis
Angesichts dieser Rechtslage stellt es eine nur scheinbare Wohltat dar, wenn das Gericht den bzw. die fahrlässig begangenen Tatteil(e) gemäß § 154a StPO einstellt. Obwohl die Zustimmung der Verteidigung nicht erforderlich ist, sollte der Verteidiger auf die daraus resultierenden, gravierenden ausländerrechtlichen Folgen aufmerksam machen.
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Ist wegen in Tatmehrheit begangener vorsätzlicher und fahrlässiger Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe verhängt worden, ist der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG erfüllt, wenn
• | wegen einer Vorsatztat eine Einsatzstrafe von mind. einem Jahr ausgesprochen worden ist, |
• | aus den für die Vorsatztaten verhängten Einzelstrafen ausdrücklich eine gesonderte Gesamtfreiheitsstrafe von mind. einem Jahr gebildet worden ist oder |
• | nach den Strafzumessungserwägungen des Gerichts, den Tatumständen oder den verletzten Straftatbeständen offensichtlich ist, dass das Gericht auch allein wegen der Vorsatztaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von mind. einem Jahr verhängt hätte (vgl. 53.1.1.1 Anwendungshinweise zum AufenthG). |
Hinweis
Ist der ausländische Mandant wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Taten angeklagt und eine die 1-Jahres-Grenze übersteigende Freiheitsstrafe zu erwarten, kann es ratsam sein, den „Weg der Verständigung“ zu suchen, um so den auf die Vorsatztaten entfallenden Strafanteil auf ein unterhalb der kritischen Grenze liegendes Strafmaß zu reduzieren.
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Die Vorschrift des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG sieht keinen bestimmten Zeitpunkt vor, in dem die Straftat begangen worden oder die Verurteilung erfolgt ist. Das Ausweisungsinteresse ist also auch in Fällen gegeben, in denen die Straftat vor dem Inkrafttreten der Regelung bzw. ihrer Änderungen[16] begangen worden ist, wenn die Norm in dem für die gerichtliche Beurteilung maßgebenden Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung Geltung beanspruchte und ihre Voraussetzungen vorlagen.[17]
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§ 54 Abs. 2 Nr. 1a. Das Ausweisungsinteresse wiegt gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jungendstrafe schwer, wenn diese wegen einer vorsätzlichen Straftat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verhängt wird, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gewalt für Leib oder Leben oder List begangen worden ist; liegt der Verurteilung wegen eines Eigentumsdeliktes eine serienmäßige Begehung zugrunde, ist der Tatbestand auch dann erfüllt, wenn der Täter keine Gewalt, Drohung oder List angewendet hat.
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§ 54 Abs. 2 Nr. 1a. § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG erweitert den Anwendungsbereich des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ganz erheblich, da hier bereits die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe genügt, ungeachtet ihrer Höhe und/oder der Frage einer Strafaussetzung; es reicht bereits die Verhängung einer kurzeitigen, zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe. Daneben wird – anders als in Abs. 2 Nr. 1 – auch die Jugendstrafe erfasst.
Hinweis
Soweit § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat verlangt, ist beim Zusammentreffen von Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten auch hier zu prüfen, ob der auf die Vorsatztat entfallende Strafteil ermittelt werden kann (vgl. oben Rn. 25 f.); gleiches gilt, soweit der Ausweisungstatbestand die Verurteilung wegen einer bestimmten Tat fordert, z.B. einer solchen wegen eines Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit. Trifft die Tat tateinheitlich mit einem anderen Delikt zusammen, welches in § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG keine Erwähnung findet – z.B. (gefährliche) Körperverletzung in Tateinheit einem Verstoß gegen das WaffG – ist ebenso zu prüfen, ob der auf das benannte Delikt entfallende Strafteil ermittelt werden kann. Ist dies nicht möglich, findet der Ausweisungstatbestand keine Anwendung (vgl. Rn. 25 f.).
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Angesichts der erheblichen Verschärfung gegenüber der alten Rechtslage ist der Verteidiger daher insbesondere im Bereich der (drohenden) kurzzeitigen Freiheitsstrafe (§ 47 StGB) gefordert, vor allem dann, wenn diese – wie so oft im Bereich des Ausländerstrafrechts – auf die Notwendigkeit der „Verteidigung der Rechtsordnung“ gestützt werden soll.
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§ 54 Abs. 2 Nr. 2. Die Regelung in § 54 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfasst die Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr, die in § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG nicht genannt wird. Anders als § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG setzt die Regelung eine Verurteilung ohne Strafaussetzung zur