Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
•
Hinweis
Besondere Beachtung verdient die Möglichkeit (mutmaßlichen) Opfern bestimmter Straftaten gemäß § 25 Abs. 4a, Abs. 4b AufenthG aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, die im Einzelfall sogar nach Beendigung des Strafverfahrens verlängert werden kann;[1] zu Recht wird gemutmaßt, dass die damit verbundenen Vorzüge Zeugen motivieren können den Beschuldigten falsch zu belasten.[2]
• | Niederlassungserlaubnis; die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Sie berechtigt – zeitlich und räumlich unbeschränkt – zur Erwerbstätigkeit und darf grundsätzlich nicht mit Nebenbestimmungen versehen werden (§ 9 Abs. 1 AufenthG). Die Niederlassungserlaubnis wird unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 AufenthG – u.a. fünfjähriger Besitz einer Aufenthaltserlaubnis – erteilt. |
• | Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU; die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU dient der Verfestigung des Aufenthalts eines Ausländers in Deutschland. Die Erlaubnis stellt die stärkste Form des Aufenthaltsrechts dar, die unter den Voraussetzungen des § 9a Abs. 2 AufenthG erteilt wird. Durch den Verweis in § 9a Abs. 1 AufenthG gelten die Bestimmungen zur Niederlassungserlaubnis, soweit das Gesetz nichts anderes regelt, d.h. die Erlaubnis berechtigt u.a. zur Ausübung einer Erwerbestätigkeit. |
Kein Aufenthaltstitel ist,
• | die Duldung; die Duldung wird erteilt, solange die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist (vgl. § 60a AufenthG); der geduldete Aufenthalt ist kein rechtmäßiger Aufenthalt.[3] |
Hinweis
Beachtenswert ist die zum 19.8.2007 erfolgte Neuregelung des § 60a AufenthG; die Vorschrift ist erheblich erweitert worden und lässt die Duldung u.a. zu, wenn eine „vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre.“ Vom Wortlaut erfasst wird nicht nur der Zeuge, sondern auch der Angeklagte.[4]
• | die Aufenthaltsgestattung; einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, ist der Aufenthalt zur Durchführung des Asylverfahrens gestattet (§ 55 AsylG). |
Anmerkungen
Vgl. BT-Drucks 18/4097, S. 41.
Jung StV 2015, 723/724.
Vgl. GK-AufenthG-Discher § 55 AufenthG Rn. 1276.
Jung StV 2007, 663, 664; GK-AufenthG-Funke-Kaiser § 60a Rn. 275.
Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe › 3. Ausweisung
3. Ausweisung
15
Die Ausweisung stellt das an den Ausländer gerichtete Gebot dar, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen; liegen Ausweisungsgründe vor, stellen diese – in der Regel – zugleich Ausschlussgründe bei der Erteilung (§ 11 Abs. 1 AufenthG), Verlängerung eines Aufenthaltstitels (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) oder bei der Einbürgerung § 11 Nr. 2 StAG) dar.[1] Die Ausweisung hat allein ordnungsrechtlichen Charakter. Sie soll nicht bestimmtes menschliches Verhalten sanktionieren, sondern allein der zukünftigen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorbeugen.[2] Die Ausweisung darf also nicht als Instrument zusätzlicher Bestrafung missverstanden werden. Gleichwohl wird sie aufgrund ihrer einschneidenden Folgen – Verlust der inländischen Existenz – vom Betroffenen oft härter empfunden als die strafrechtliche Sanktion selbst. Dieses Umstandes muss sich der Verteidiger stets bewusst sein.
Anmerkungen
Bergmann/Dienelt-Bauer Vorb §§ 53–56 AufenthG Rn. 16.
BVerwGE 42, 133, 138 m.w.N.
Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › I. Ausländerrechtliche Grundbegriffe › 4. Abschiebung
4. Abschiebung
16
Abschiebung ist die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht. Sie setzt neben der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht die fehlende Gewähr für deren freiwillige Erfüllung voraus. Außerdem muss in der Regel zuvor eine Abschiebungsandrohung mit der Bestimmung einer Ausreisefrist ergehen. Schließlich darf der Abschiebung kein Abschiebeverbot oder -hindernis entgegenstehen.
Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › II. Verteidigungsstrategien zur Vermeidung der Ausweisung
II. Verteidigungsstrategien zur Vermeidung der Ausweisung
17
Da das Strafurteil oftmals die einzige Entscheidungsgrundlage der Ausländerbehörde bildet,[1] stellt es einen schweren Verteidigungsfehler dar, wenn der „Kampf um die Ausweisung“ – wie so oft – erst im verwaltungsrechtlichen (Vor-)Verfahren aufgenommen wird. Ist der Ausweisungsgrund durch das strafrechtliche Urteil „festgeschrieben“, ist der Handlungsspielraum erheblich eingeschränkt. Die Chancen, ausländerrechtliche Maßnahmen zu vermeiden, können dagegen beträchtlich erhöht werden, wenn der Verteidiger bereits im Strafverfahren gestaltend tätig wird und mit Blick auf die drohende Ausweisungsentscheidung verteidigt.[2] Die Frage der drohenden Ausweisung sollte daher bei Festlegung der Verteidigungsstrategie (vgl. Rn. 459) stets Berücksichtigung finden.
Anmerkungen