Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
rel="nofollow" href="#ulink_e44553bb-e2c6-519f-a676-57a31dc3c7f7">[26]
BayObLG wistra 2002, 438, 439 m.w.N.
cc) Unerlaubte Einreise (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG)
187
Reist ein Ausländer ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel[1] oder den erforderlichen Pass – entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1, 2 AufenthG – in das Bundesgebiet ein, erfüllt er bereits mit dem Überschreiten der Hoheitsgrenze den Tatbestand der unerlaubten Einreise; sind die Kontrollstellen von Grenzschutz und Zoll räumlich getrennt, sind sie insgesamt als „Grenzübergangsstelle“ anzusehen, so dass die Einreise erst vollendet ist, wenn der Einreisende die letzte Kontrollstelle passiert hat.[2]
Hinweis
Reist ein Asylbewerber ohne die erforderlichen Dokumente ein, kann der Strafbarkeit § 13 Abs. 3 AsylG entgegenstehen. Die Straffreiheit tritt selbst dann ein, wenn der Asylbewerber aus einem sicheren Drittland einreist, sofern er dieses lediglich als Durchgangsland nutzt, ohne schuldhaftes Zögern verlässt und keine Schleuserdienste zur Umgehung der Grenzkontrollen in Anspruch genommen hat.[3]
188
Ob ein Fall der unerlaubten Einreise vorliegt, wenn der Ausländer zwar im Besitz des erforderlichen Visums (sog. Negativstaater) ist, aber bereits im Zeitpunkt der Einreise die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beabsichtigt und damit das Visum der Zustimmung der Ausländerbehörde bedurft hätte (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV),war bis zur Einführung von Abs. 6 heftig umstritten.[4] Da die Regelung des Abs. 6 nunmehr ein Handeln unter Verwendung des unlauter erlangten Titels einem Handeln ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel gleichstellt, wird der frühere Meinungsstreit als überholt angesehen; der erschlichene Titel vermag nach nun h.M.[5] den Aufenthalt des Negativstaaters nicht zu legalisieren, weshalb eine Strafbarkeit gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG gegeben sei.[6]
Anmerkungen
Zur Strafbarkeit nach Erlöschen der Duldung durch Ausreise und anschließender Wiedereinreise vgl. BayObLG NStZ-RR 2005, 20.
OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 280, 281 m.w.N.
OLG Düsseldorf StV 2009, 138.
Zum früheren Streitstand vgl. VGH Kassel NVwZ-RR 1993, 213; OVG Münster InfAuslR 1991, 232; OVG Münster NVwZ-RR 2001, 538, 539; OVG Schleswig InfAuslR 1992, 125; VGH Mannheim InfAuslR 1993, 14; BGH NStZ-RR 2006, 86/87;BGH NStZ 2000, 657, 658 ff. m. Anm. Lauer; OLG Celle StV 2015, 360.
Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 11a; MK-Gericke § 95 Rn. 50 jeweils m.w.N.
Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 11a.
dd) Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Auflage oder Anordnung (§ 95 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG)
189
Wird der Aufenthaltstitel oder die Duldung mit einer Auflage versehen, die die politische Betätigung einschränkt oder verbietet, macht sich der Ausländer im Falle des Verstoßes gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG strafbar; in gleicher Weise ist der Tatbestand erfüllt, wenn der Ausländer einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 AufenthG – Ausreiseverbot – zuwiderhandelt.
190
In beiden Fällen setzt die Strafbarkeit das Vorliegen einer vollziehbaren Auflage bzw. Anordnung[1] voraus. Wird die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels abgelehnt, haben Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung (§ 84 Abs. 1 AufenthG), weshalb die Vollziehbarkeit in diesen Fällen sofort gegeben ist; in den übrigen Fällen ist die Vollziehbarkeit nur gegeben, wenn der Ausländer keine Rechtsmittel einlegt, der Rechtsweg erschöpft ist oder die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit i.S.d. § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ergeht.
Wird dem Ausländer die Ausreise untersagt (vgl. § 46 Abs. 2 AufenthG), macht er sich bei Verlassen des Bundesgebietes ebenfalls gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG strafbar, wenn das Ausreiseverbot vollziehbar ist.
Anmerkungen
Vgl. BayObLG StV 2003, 566.
ee) Fehlerhafte Angaben zur Identität (§ 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG)
191
Macht der Ausländer entgegen § 49 Abs. 1 AufenthG fehlerhafte Angaben hinsichtlich seiner Identität ist er gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG zu bestrafen, sofern die Tat nicht in § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG mit Strafe bedroht ist; von der Vorschrift erfasst werden fehlerhafte „Angaben“ i.S.d. § 49 Abs. 1 1. Alt. AufenthG, nicht aber „Erklärungen“ i.S.d. § 49 Abs. 1 2. Alt. AufenthG gegenüber den Auslandsvertretungen.[1] Fehlerhafte Angaben zum Personenstand erfüllen grundsätzlich nicht den Tatbestand.[2]
Hinweis
Der Tatbestand ist subsidiär gegenüber § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.
Hat der Ausländer in nicht rechtsverjährter Zeit fehlerhafte Angaben gemacht, verstößt es nach Auffassung des LG Berlin[3] gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit, wenn an der Verpflichtung aus § 49 Abs. 2 AufenthG festgehalten wird, weshalb eine Strafbarkeit unter diesen Voraussetzungen entfällt.
Anmerkungen
OLG Celle StV 2007, 361/362; OLG Koblenz StV 2010, 251/252.
OLG Hamm NStZ-RR 2008, 154, 155; a.A. Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 30 m.w.N.
LG Berlin StV 2015, 704, 704; einschränkend GK-AufenthG-Mosbacher § 95 AufenthG Rn. 135 ff., der in diesem Zusammenhang ein Verwertungsverbot diskutiert.
ff) Weigerung, erkennungsdienstliche Maßnahmen zu dulden (§ 95 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG)
192
Nach § 95 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG macht sich ein Ausländer strafbar, wenn er entgegen § 49 Abs. 8 AufenthG erkennungsdienstliche Maßnahmen nicht duldet. Rein passives Verhalten genügt nicht, wohl aber das Nichterscheinen zum festgesetzten Termin.[1]
Anmerkungen
Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 95 AufenthG Rn. 72.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст