Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. | entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1 a) in das Bundesgebiet einreist oder b) sich darin aufhält oder |
2. | unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. |
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.
(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.
(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.
(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.
a) Allgemeines
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Taugliche Täter i.S.d. § 95 Abs. 1, 2 Nr. 1 AufenthG können nur Ausländer sein, auf die die Vorschriften des AufenthG Anwendung finden;[1] andere Personen können nur als Teilnehmer bestraft werden, weshalb stets zu prüfen ist, ob der Ausländer zu dem in § 1 AufenthG genannten Personenkreis gehört. Zu nennen ist insoweit insbesondere § 1 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; danach findet das AufenthG keine Anwendung, wenn der Ausländer nach Europäischem Gemeinschaftsrecht Freizügigkeit genießt und durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Eine entsprechende Regelung enthält § 11 FreizügG/EU, welche die Straftatbestände des AufenthG in weiten Teilen für anwendbar erklärt. Ausnahmsweise können auch Deutsche[2] täterschaftlich handeln, § 95 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AufenthG findet auch auf diese Anwendung. Ändert sich aufgrund des Beitritts zur Europäischen Union der persönliche Anwendungsbereich des betroffenen Ausländers, soll die Rechtslage zum Zeitpunkt der Tatbegehung entscheidend sein; § 2 Abs. 3 StGB findet – so der BGH[3] – insoweit keine Anwendung.
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Die Verwaltungsakzessorität des Ausländerstrafrechts wirft zudem die Frage auf, ob die Strafbarkeit neben der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes auch die Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung – z.B. die Ausreiseverpflichtung – voraussetzt.[4]
Unbestritten bleibt der Verstoß gegen einen nichtigen Verwaltungsakt straflos;[5] umstritten ist jedoch, ob die Strafbarkeit rückwirkend entfällt, wenn der Ausländer im verwaltungsrechtlichen Verfahren obsiegt und der Verfügungsinhalt somit rückwirkend beseitigt wird. Während das OLG Frankfurt[6] den Verstoß gegen rechtswidrige, behördliche Anordnung als straflosen „verwaltungsrechtlichen Ungehorsam“ qualifiziert, geht der BGH in ständiger Rechtsprechung von dessen Strafbarkeit aus; für die Beurteilung der Widerrechtlichkeit sei stets auf die Verhältnisse zum Tatzeitpunkt abzustellen, so dass nachträgliche Änderungen der Rechtslage die Strafbarkeit nicht beseitigen können.[7] Folgt man dieser Ansicht, ist die Rechtswidrigkeit der Verfügung jedenfalls im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.
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Hinsichtlich § 95 Abs. 5 AufenthG darf auf die obige Darstellung (Rn. 126) verwiesen werden.
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Hinsichtlich der Anordnung von Verfall ist zu beachten, dass dieser ausschließlich bzgl. solcher Taten angeordnet werden kann, die Gegenstand der tatrichterlichen Feststellungen waren; eine Anwendung der Vorschrift (§ 73 StGB) kommt daher nicht in Betracht, wenn lediglich eine Verurteilung wegen eines ausländerrechtlichen Delikts erfolgt, die Geldmittel jedoch im Rahmen einer illegalen Beschäftigung erlangt worden sind.[8]
Anmerkungen
Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 1; a.A. Bergmann/Dienelt-Winkelmannt § 95 AufenthG Rn. 21.
OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 376, 377; Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 1.
BGH StV 2006, 577 mit ablehnender Anm. Herzog.
Vgl. auch Rn. 181.
Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 95 AufenthG Rn. 7 m.w.N.
OLG Frankfurt StV 1988, 301, 303 m. Anm. Wolf.
BGHSt 23, 86, 93; BGH NJW 1982, 189; so auch OLG Hamburg NJW 1980, 1007, 1008.
OLG Frankfurt StV 2002, 308, 309.
aa) Aufenthalt ohne Pass- und Ausweisersatz (§ 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG)
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Nach § 3 Abs. 1 AufenthG muss ein Ausländer, der in das Bundesgebiet einreist oder sich dort aufhält, einen gültigen Pass besitzen.
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§ 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG stellt allein den Aufenthalt ohne Pass und Ausweisersatz unter Strafe; die Einreise ohne Pass(-ersatz) wird dagegen von § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG erfasst.
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Weitere Voraussetzung ist das Fehlen eines Pass(-ersatzes). Verfügt der Ausländer über einen gültigen Pass, ist bei Verstößen gegen die ausweisrechtlichen Vorschriften des AufenthG lediglich eine Ordnungswidrigkeit gegeben (vgl. § 98 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG). Ebenso entfällt die Strafbarkeit, wenn ein Anspruch auf Ausstellung eines Passersatzes nach § 48 Abs. 2 AufenthG besteht.[1]
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Der Aufenthalt ohne Pass setzt das Vorliegen eines unerlaubten Aufenthaltes i.S.d. § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht voraus, weshalb der Tatbestand auch nach Erteilung einer Duldung erfüllt sein kann, wenn sich der Ausländer beharrlich weigert an einer Passbeschaffung mitzuwirken.[2]
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Schließlich ist