Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
Anm. Oehler; OLG Stuttgart NJW 1977, 1601 f.; OLG Saarbrücken NJW 1978, 2460 ff.; AG Rosenheim NJW 1981, 2653; BayObLG NJW 1982, 1243 f.; OLG Stuttgart NJW 1985, 1299; a.A. OLG Karlsruhe NJW 1978, 1754 ff.; Kunz NJW 1980, 1201 ff.
Fischer StGB, § 170 Rn. 3a.
e) Doppelehe (§ 172 StGB)
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Im Ausland geschlossene Ehen sind nach dem dortigen Recht zu beurteilen, so dass die Auslandsbigamie auch dann nicht unter das Verbot der Doppelehe (§ 172 StGB) fällt, wenn die gültige Doppelauslandsehe im Bundesgebiet fortgeführt wird[1]; Auslandsehen im Inland unterstehen dagegen den deutschen Gesetzen, so dass auch für Mohammedaner die Eingehung einer polygamen Ehe unzulässig ist.[2]
Anmerkungen
StA München NStZ 1996, 436.
Fischer StGB, § 172 Rn. 4 m.w.N.
f) Zwangsheirat (§ 237 StGB)
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War die „Zwangsverheiratung“ früher strafrechtlich nur als Nötigung erfasst, sollte die „Nötigung zur Ehe“ durch Einführung des § 237 StGB eine gesonderte Regelung erfahren. Geschütztes Rechtsgut ist das Recht auf selbstbestimmte Partnerwahl (vgl. Art. 12 EMRK)[1]. Folgerichtig wird die Regelung in mehrfacher Hinsicht kritisiert, so ist vor diesem Hintergrund z.B. schwer nachvollziehbar, weshalb die Nötigung eine bestimmte Person nicht zu heiraten ebenso wenig unter den Anwendungsbereich der Norm fällt, wie die Nötigung zum Unterlassen einer Scheidung,[2] obwohl beide Fallgestaltungen einen breiten Anwendungsbereich fänden. Auch die fehlende Anwendbarkeit auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften[3] und die Beschränkung auf wirksam geschlossene Ehen wird gerügt, letzteres deswegen, da nach dem Selbstverständnis der Betroffenen auch andere Verbindungen – wie z.B. die Imam-Ehe – als absolut verbindlich angesehen werden.[4] Findet § 237 StGB in diesen Fällen keine Anwendung, verbleibt allein eine Strafbarkeit wegen Nötigung (§ 240 StGB).
Anmerkungen
Fischer StGB, § 237 Rn. 3.
Fischer StGB, § 237 Rn. 3.; Renzikowski NJW 2014, 2539, 2541.
Hilgendorf StV 2014, 555, 560, 562.; Renzikowski NJW 2014, 2539, 2541.
Renzikowski NJW 2014, 2539, 2541.
g) Entziehung Minderjähriger
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Von praktischer Relevanz sind immer wieder Fälle der Kindesentziehung, häufig in der Weise, dass Minderjährige in das Heimatland eines Elternteils verbracht werden, um sie dort dem Einflussbereich des anderen Elternteils zu entziehen. Die einschlägigen Tathandlungen stehen unter den in § 235 Abs. 2 StGB genannten Voraussetzungen unter Strafe. Beachtung verdient insoweit eine neuere Entscheidung des Bundesgerichtshofes,[1] wonach eine längere Abwesenheit vom ursprünglichen inländischen Aufenthaltsort einer Strafbarkeit insbesondere dann nicht entgegensteht, wenn das betroffene Kind stets davon ausgegangen ist nach Deutschland zurückzukehren. Wegen der weiteren Einzelheiten sei auf die einschlägige Kommentarliteratur verwiesen.
Anmerkungen
BGH NStZ 2015, 338 ff.
Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht › II. Straftaten nach dem Aufenthalts-, FreizügG/EU und Asylgesetz
II. Straftaten nach dem Aufenthalts-, FreizügG/EU und Asylgesetz
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Erhebliche praktische Bedeutung haben auch die Strafvorschriften des AufenthG, FreizügG/EU und AsylG; einem Großteil der sog. „Ausländerkriminalität“ liegen Verstöße gegen die zuvor genannten Vorschriften zugrunde, weshalb der Verteidiger zumindest über entsprechendes Grundlagenwissen verfügen sollte.
Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht › II. Straftaten nach dem Aufenthalts-, FreizügG/EU und Asylgesetz › 1. Strafbarkeit gemäß § 95 AufenthG
1. Strafbarkeit gemäß § 95 AufenthG
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§ 95 Strafvorschriften
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. | entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält, |
2. | ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn a) er vollziehbar ausreisepflichtig ist, b) ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und c) dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist, |
3. | entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist, |
4. | einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt, |
5. | entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist, |
6. | entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet, |
6a. | entgegen § 54a wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet, |
7. | wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder |
8. |
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder |