Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
Information“ einzustufen, ist der EuGH[16] in der gebotenen Deutlichkeit begegnet. Informationen müssen zwar nicht durch eine staatliche Stelle übermittelt werden, diese müssen aber von einer solchen herrühren. Es muss sich also um Informationen einer staatlichen Stelle des Ausstellungsstaates handeln,[17] so dass Ermittlungen deutscher Behörden – allein – nicht genügen. Ebenso wenig sind Mitteilungen nichtstaatlicher Stellen des Ausstellungsstaates geeignet, wie z.B. des (mutmaßlichen) ausländischen Vermieters.[18] Als ausreichend angesehen wird jedoch, dass eine staatliche Information des Ausstellungsstaates durch Dritte[19] – z.B. die deutsche Botschaft[20] – übermittelt wird. Diesen Grundsätzen folgend wurden Angaben zum inländischen Wohnsitz im Antragsformular,[21] Mitteilungen des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zusammenarbeit[22] oder der Einwohnermeldebehörden des Ausstellungsstaates[23] als vom Ausstellungsstaat herrührend eingestuft. Nach Ansicht des OLG Stuttgart[24] sollen auch Angaben eines Zeugen, die dieser im Rahmen der Rechtshilfe in einer richterlichen Vernehmung im Ausland gemacht hat, als vom Ausstellungsstaat herrührende Informationen angesehen werden dürfen. Dies erscheint trotz des Hinweises auf die Qualität der richterlichen Vernehmung zweifelhaft, belegt die Vernehmung doch nur, dass diese durchgeführt worden ist, einen Beweis für die Richtigkeit vermag sie indes nicht zu begründen. Hält man sich vor Augen, dass die Forderung bzgl. des Ursprunges der Information gerade die Richtigkeit derselben im Blick hat(te), vermag die Ansicht des OLG Stuttgart im Ergebnis nicht zu überzeugen.
Hinweis
Unabhängig von der Frage, ob man der hier vertretenen Auffassung folgt, bleibt festzustellen, dass die neuere Rechtsprechung im Bereich der „unbestreitbaren Informationen“ einen gangbaren Ausweg aus dem Dilemma des Führerscheintourismus sieht. Es steht also zu befürchten, dass die Rechtsprechung auch zukünftig versuchen wird, Informationen aus dem Ausland als „vom Ausstellungsstaat herrührend“ einzustufen, was es insbesondere im Bereich der Präventivberatung zu beachten gilt. Konsultiert der Betroffene einen Rechtsanwalt, hat dieser ferner zu bedenken, dass der Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes zur Gültigkeit der Fahrerlaubnis möglich ist, d.h. der Betroffene bei der zuständigen Behörde einen Antrag stellen kann, seine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen festzustellen.[25]
Als ordentlicher Wohnsitz gilt der Ort, an dem der Führerscheininhaber aufgrund persönlicher und beruflicher Bindungen gewöhnlich, d.h. an mindestens 185 Kalendertagen, wohnt; umstritten[26] ist, ob die Aufenthaltsdauer bei Erteilung des Führerscheins bereits erfüllt sein muss oder ob die Prognose genügt, die notwendige Aufenthaltsdauer wird voraussichtlich erfüllt werden. Folgt man der letzten Auffassung bleibt aber zu berücksichtigen, dass in diesem Falle Probleme auftauchen können, wenn z.B. eine Meldebescheinigung vorgelegt wird, die eine lediglich kurze Aufenthaltsdauer bescheinigt und damit Argwohn der inländischen Behörden weckt.
Soweit § 7 Abs. 2 FeV Ausnahmen vom Wohnsitzerfordernis normiert, wenn der Führerscheinerwerber eine (Hoch-)schule besucht, steht dem die Ableistung eines Praktikums im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nicht gleich; die gesetzliche Sonderregelung ist abschließend und einer Analogie nicht zugänglich[27].
Fehlen im Strafurteil notwendige Feststellungen zum Wohnsitz des Angeklagten[28] oder Eintragungen einer Sperrfrist im Fahreignungsregister,[29] ist dieses lückenhaft, wenn ohne entsprechende Feststellungen dem Revisionsgericht eine Prüfung der Wirksamkeit der Fahrerlaubnis im Inland verwehrt ist.
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Sind die Informationen als vom Ausstellungsstaat herrührend einzustufen, bedarf es schließlich der zusätzlichen Prüfung, ob diese als „unbestreitbar“ anzusehen sind. Nachdem die Rechtsprechung des EuGH in der Vergangenheit mehrfach den deutschen Gerichten die Grenzen aufgezeigt hatte, sieht die neuere (obergerichtliche) Rechtsprechung insbesondere in diesem Bereich einen wirksamen Angriffspunkt dem ungeliebten Führerscheintourismus einen Riegel vorzuschieben; insofern verdient nämlich die Tatsache Beachtung, dass der EuGH[30] die Prüfung der Frage, ob die vom Ausstellungsstaat herrührende Informationen als „unbestreitbar“ einzustufen sind, ausdrücklich der Rechtsprechung des Anerkennungsstaates überlassen hat. Liegen Informationen des Ausstellungsstaates vor, hat es also die deutsche Rechtsprechung zu klären, ob diese im Ergebnis der Anerkennung entgegenstehen, wobei Erkenntnisse aus Deutschland – z.B. die Beibehaltung eines deutschen Wohnsitzes[31] – „lückenfüllend“ herangezogen werden dürfen.[32] „Unbestreitbar“ ist eine Information, wenn das Fehlen des Wohnsitzes so sehr wahrscheinlich ist, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt.[33] Angenommen wird dies beispielsweise, wenn der im Führerschein angegebene Wohnsitz typischerweise als Scheinwohnsitz zum Zwecke des Führerscheintourismus verwendet wird oder die Meldeanschrift ein Hotel[34] oder eine Unterkunft für Obdachlose[35] darstellt, d.h. bereits dem äußeren Anschein nach Zweifel an einem dauerhaften Aufenthalt bestehen. Stuft das deutsche Gericht die Information dem folgend als „unbestreitbar“ ein, ist dem Betroffenen der Gegenbeweis jedoch nicht verwehrt;[36] gefordert wird in diesen Fällen jedoch ein „substantiierter Beweisantritt“, d.h. die bloße Behauptung des Gegenteils genügt nicht.
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Die Anerkennung kann weiter auch dann verwehrt werden, soweit die EU/EWR-Fahrerlaubnis während einer strafrechtlichen Sperrfrist oder eines Fahrverbots erteilt worden ist, sofern die Sperrfrist im Fahreignungsregister eingetragen und noch nicht getilgt ist.[37]
An diesen bereits seit längerem anerkannten Grundsatz anknüpfend hat der EuGH seine Rechtsprechung in den letzten Jahren wie folgt präzisiert:
• | wird die Fahrerlaubnis im Ausland nach Ablauf der inländischen Sperre erworben, muss diese im Inland auch dann anerkannt werden, wenn die Sperrfrist im Fahreignungsregister noch nicht getilgt ist, sofern im Führerschein ein ausländischer Wohnsitz eingetragen ist[38]; ob die Fahrerlaubnis vor oder nach Inkrafttreten der 3. Führerscheinrichtlinie am 19.01.2009 erworben worden ist, spielt entgegen früherer Ansicht[39] keine Rolle[40]. Hinweis Ist unter Hinweis auf das Inkrafttreten der 3. Führerscheinrichtlinie eine rechtskräftige Verurteilung ergangen, berechtigt die geänderte Rechtslage zwar nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens; in geeigneten Fällen sollte jedoch ein Gnadengesuch geprüft werden.[41] |
• | einer durch das deutsche Gericht verhängten Sperrfrist steht die isolierte Sperre nach § 69a StGB gleich, d.h. der in diesem Zeitraum erteilten Fahrerlaubnis kann die Anerkennung verweigert werden[42]. |
• | wird die ausländische Fahrerlaubnis nach einem verwaltungsrechtlichen Entzug in Deutschland ohne Anordnung einer Sperrfrist erteilt, darf dem Führerschein die Anerkennung nicht versagt werden;[43] ob dies auch dann gilt, wenn die Fahrerlaubnis wegen des Erreichens der Punktegrenze entzogen wird und Kraft Gesetzes eine Sperrfrist zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis gilt (vgl. § 4 Abs. 10 Satz 1 StVG) ist immer noch ungeklärt;[44] die Entwicklung der Rechtsprechung lässt indes vermuten, dass der EuGH auch in diesem Falle der innerhalb der Sperrfrist erteilten Fahrerlaubnis die Anerkennung verweigern wird. |
• | die Fahrerlaubnis ist auch dann nicht anzuerkennen, wenn die deutsche Fahrerlaubnis zwar nicht entzogen, der ausländische Führerschein jedoch während der Dauer eines Fahrverbotes ausgestellt worden ist. |
• | gleiches gilt, wenn die Fahrerlaubnis erteilt worden ist, während der deutsche Führerschein gemäß § 94 StPO[45] beschlagnahmt oder vorläufig entzogen (§ 111a StPO)[46] war und die Fahrerlaubnis später aufgrund des der Beschlagnahme zugrunde liegenden Sachverhalts entzogen worden ist. |
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ebenso bleibt dem Führerschein die Anerkennung versagt, wenn der Verkehrsverstoß nach Anordnung der Sperrfrist begangen wurde, das Urteil aber erst nach Erteilung der Fahrerlaubnis rechtskräftig |