Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
§ 34 StGB gerechtfertigt sein.[20]
Hinweis
Nach Ansicht des LG Hamburg[21] kann der Strafbarkeit Art. 6 GG als „ungeschriebener Strafausschließungsgrund“ entgegenstehen, wenn der Ausländer illegal nach Deutschland einreist oder sich illegal im Bundesgebiet aufhält, um die elterliche Sorge betreffend seiner Kinder auszuüben.
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Ist der Ausländer weder im Besitz eines Aufenthaltstitels noch einer Duldung, entfällt gleichwohl die Strafbarkeit gem. § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, wenn die Ausländerbehörde im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zugesichert hat, die Abschiebung bis zur Entscheidung des Gerichts auszusetzen; aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes folgt, dass dieser nicht durch Strafdrohungen unterlaufen werden darf, so dass § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Fall einer behördlichen Zusicherung verfassungskonform, d.h. einschränkend auszulegen ist.[22]
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Die früher vorherrschende Rechtsprechung[23], wonach eine strafbare Beihilfe zum illegalen Aufenthalt regelmäßig dann nicht vorliegen soll, wenn der Täter zur Fortsetzung des illegalen Verbleibs fest entschlossen ist, hat jüngst eine erhebliche Einschränkung erfahren; eine strafbare Beihilfe soll danach bereits dann vorliegen, wenn die gewährte Hilfe – z.B. Gewährung von Unterkunft und Verpflegung – die Haupttat, sprich den unerlaubten Aufenthalt, fördert.[24] Wird mit dem Handeln allein die Herstellung einer Lebensgemeinschaft bezweckt, ist nach zutreffender Ansicht eine Beihilfestrafbarkeit nicht gegeben.[25]
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Im Fall der Verurteilung muss aus dem Urteil ersichtlich sein, wie lange sich der Angeklagte unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten hat; andernfalls unterliegt das Urteil mangels ausreichend festgestelltem Schuldumfang der Aufhebung.[26]
Anmerkungen
RL 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABlEU Nr. L 348 v. 24.12.2008, S. 98.
Ausführlich MK-Gericke § 95 Rn. 29 ff.
OLG Hamburg NStZ-RR 2012, 219/220; KG NStZ-RR 2012, 347/348.
Hörich/Bergmann NJW 2012, 3339, 3340; kritisch auch Kretschmer NStZ 2013, 570, 571/572.
KG NStZ-RR 2012, 347, 348.
S. KG NStZ-RR 2012, 347, 348.
Vgl. Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 95 AufenthG Rn. 46.
BGH NJW 2016, 419, 420.
Vgl. zur Frage der Erwerbstätigkeit im internationalen Speditionsverkehr BayObLG NStZ-RR 2002, 342 f.; BayObLG NStZ-RR 2004, 181 f.
GK-AufenthG-Mosbacher § 95 AufenthG Rn. 53.
Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 1.
OLG Nürnberg StV 2013, 311/312.
BayObLG MDR 1995, 627.
BGH NStZ 1997, 444/445 m. Anm. Lutz; so nun auch BVerfG StV 2002, 300 f.
KG StV 1999, 95, 96; KG NStZ-RR 2002, 220/221; vgl. auch GK-AufenthG-Mosbacher § 95 AufenthG Rn. 69 ff.; a.A. AG Tiergarten StV 1999, 260, 261.
BVerfG DVBl. 2003, 662, 664; so nun auch LG Freiburg StV 2005, 28/29; vgl. aber auch BGH StV 2005, 24, 25, wonach eine Strafbarkeit gegeben ist, sofern der Ausländer untertaucht und aus diesem Grunde eine Duldung nicht erteilt werden kann.
BGH StV 2005, 24, 25; OLG Frankfurt NStZ-RR 2009, 257, 258.
OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 307; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 308; OLG Frankfurt NStZ-RR 2009, 257, 258.
OLG Frankfurt StraFo 2014, 169, 170/171.
Vgl. BayObLG NStZ 1996, 395, 396; OLG Frankfurt StV 1988, 301, 302; a.A. Abramenko NStZ 2001, 71 ff.
LG Hamburg StV 2010, 253/254; a.A. Gericke NStZ-RR 2010, 331, 332.
Vgl. VerfGH Berlin NStZ-RR 2003, 181 ff.
Vgl. BayObLG NJW 2002, 1663 f.; OLG Düsseldorf StV 2002, 312; a.A. OLG Köln NStZ-RR 2003, 184, 185; zur Straflosigkeit des Konzessionsinhabers einer Gaststätte bei illegalem Aufenthalt von Ausländern vgl. auch OLG Oldenburg StV 2005, 26, 27.
BGH NStZ-RR 2006, 86, 87; BGH StV 2010, 247, 248; offengelassen OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2005, 184, 186; vgl. auch KG StV 2006, 585, das die Gewährung von Verpflegung und Unterkunft nur dann als ausreichend erachtet, wenn dies den Haupttäter in seinem Tatentschluss bestärkt und ihm ein „erhöhtes Gefühl der Sicherheit“ vermittelt.