Handbuch des Aktienrechts. Hans-Peter Schwintowski
oder unechte Satzungsbestimmungen genannt.[1] Diese grds. Unterscheidung ist für die Auslegung der Satzung,[2] ihre Änderung[3] und die Anfechtung[4] bedeutsam.
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Gilt eine Regelung in der Satzung für einen unbestimmten Personenkreis, also nicht nur für die bei ihrem Inkrafttreten vorhandenen Gesellschafter oder einzelne von ihnen, sondern sowohl für gegenwärtige als auch für künftige Aktionäre und Gläubiger der Gesellschaft, handelt es sich um eine Regelung mit körperschaftsrechtlichem Charakter.[5] Diese Bestimmungen regeln die Grundlagen der Gesellschaft, ihre Beziehungen zu den Aktionären und die Stellung ihrer Organe.[6] Dazu zählen insbesondere die zwingend in die Satzung aufzunehmenden Bestimmungen des § 23 Abs. 3 AktG. Ferner zählen zu den materiellen Satzungsbestimmungen solche, die ergänzend in die Satzung aufgenommen werden, wie z.B. die Festsetzungen über Sacheinlagen und Sachübernahmen nach § 27 Abs. 1 AktG,[7] Gerichtsstandsklauseln,[8] die Feststellung des Geschäftsjahres[9] oder auch Sonderrechte von Aktionären wie z.B. das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 AktG.[10] Zunehmend gehören hierzu auch einige Empfehlungen und Anregungen des DCGK, die mittels Regelung in der Satzung für die Gesellschaft, ihre Aktionäre und Dritte rechtlich verbindlich werden. Zu nennen sind zum Beispiel die Aufforderungen, den Aktionären die persönliche Wahrnehmung ihrer Rechte zu erleichtern.[11] Echte Satzungsbestimmungen können nur durch die Änderung der Satzung unter Beachtung ihrer formalen Anforderungen angepasst werden.
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Bei Bestimmungen mit individualrechtlichem Charakter handelt es sich um solche, die nicht das Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu einem unbestimmten Personenkreis regeln und die nicht in der Satzung enthalten zu sein brauchen, um wirksam zu sein. In der Regel geht es um schuldrechtliche Beziehungen der Gesellschaft zu einem einzelnen oder mehreren Gesellschaftern oder einem Dritten.[12] Schuldrechtliche Vereinbarungen binden nur die an ihnen Beteiligten und können nur mit ihrem Einverständnis geändert oder aufgehoben werden.[13] Unechte Satzungsbestimmungen sind nur äußerlich in die Satzung aufgenommen und unterliegen deshalb grds. nicht den für körperschaftsrechtliche Bestimmungen geltenden besonderen Regeln.[14] Maßgeblich ist vielmehr allgemeines Recht. Zu den unechten Satzungsbestimmungen gehören beispielsweise Bestimmungen, die die Geschäftsordnung von Organen der Gesellschaft betreffen.[15] Gründe für die Aufnahme formeller Regelungen in die Satzung können verschiedener Natur sein; z.B. zu Dokumentationszwecken, wenn an sich ein einfacher Beschluss der Hauptversammlung ausreicht wie etwa für die elektronische Übermittlung von Informationen an die Aktionäre einer börsennotierten Gesellschaft nach § 30b Abs. 3 WpHG. Der Aufnahme einer solchen Regelung in die Satzung kommt damit Publizitätswirkung zu.
1.1 Mindestinhalt der Satzung
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Zu den echten Satzungsbestimmungen, die körperschaftsrechtlichen Charakter haben, gehören mindestens die in § 23 Abs. 3 und Abs. 4 AktG genannten Bestimmungen. Dabei handelt es sich um:
1.1.1 Firma
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Die Firma der AG richtet sich nach den allgemeinen firmenrechtlichen Bestimmungen der §§ 17 ff. HGB. Sie ist der Name der Gesellschaft, unter dem sie ihre Geschäfte betreibt, unter dem die Organe ihre Unterschrift abgeben[16] und unter dem sie klagen oder verklagt werden kann. Sie muss nach § 4 AktG die Bezeichnung „Aktiengesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten; durch diese Angabe werden zum Schutz des Geschäftsverkehrs die Rechtsform und die Haftungsverhältnisse offengelegt. Wird der Rechtsformzusatz im Geschäftsverkehr weggelassen, haftet der für die Gesellschaft auftretende Vertreter – gleichgültig, ob dies der Vorstand selbst oder ein anderer Vertreter ist – aus dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung analog § 179 BGB dann, wenn er durch sein Zeichnen der Firma ohne Formzusatz das berechtigte Interesse des Geschäftspartners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat.[17]
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Eine übliche Abkürzung des Rechtsformzusatzes der Aktiengesellschaft ist die abgekürzte Bezeichnung „AG“.[18]
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Die Grundanforderungen für die Zulässigkeit einer neu gebildeten Firma sind in §§ 18 und 30 HGB enthalten. So muss die Firma zur Kennzeichnung der Gesellschaft geeignet sein, d.h. dass die Firma im Verkehr als Name verstanden werden kann.[19] Ferner muss die Firma Unterscheidungskraft besitzen: sie muss sich von anderen Firmen nach Wortbild und Klang unterscheiden.[20] Beide Merkmale stellen die Namensfunktion der Firma sicher; sie stellen auch eine Verbindung zum Markenrecht her, das Unternehmenskennzeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, Firma oder besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden, markenrechtlich vor unbefugter Benutzung schützt.[21] Zulässig sind danach die aus dem Namen eines Unternehmensgründers gebildete Personenfirma (z.B. Siemens AG), die aus dem Unternehmensgegenstand entlehnte Sachfirma jedenfalls dann, wenn sie einen individualisierenden Zusatz hat wie z.B. einen Namens- oder Ortszusatz oder ergänzende Schlagworte (z.B. Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft), ferner eine Phantasiefirma (z.B. E.ON AG oder Lanxess AG) oder eine Mischfirma (z.B. Infineon Technologies AG).
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Nach § 18 Abs. 2 HGB darf die Firma jedoch nicht irreführend sein (Irreführungsverbot). Für die Bewertung der Irreführung ist die sogenannte Wesentlichkeitsschwelle maßgeblich, d.h. es kommt darauf an, wie der angesprochene Verkehrskreis unter Zugrundelegung einer normativen, objektivierenden Sichtweise die Angaben in der Firma verstehen würde.[22] Im Rahmen der registergerichtlichen Firmenprüfung ist eine Firma nur dann von der Eintragung in das Handelsregister ausgeschlossen, wenn sie Angaben enthält, die ersichtlich geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse irrezuführen (Ersichtlichkeit).[23] Jede neue Firma muss sich zudem nach § 30 Abs. 1 HGB von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden (Verwechslungsgefahr).
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Zulässig sind auch Aneinanderreihungen von Buchstaben als Firma, wenn sie im Rechts- und Wirtschaftsverkehr zur Identifikation der dahinterstehenden Gesellschaft ohne Schwierigkeit akzeptiert werden kann. Dafür reichen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als notwendige, zugleich hinreichende Bedingung die Aussprechbarkeit der Firma im Sinne der Artikulierbarkeit aus. Es kommt nicht darauf an, ob die Buchstabenfolge als Wort aussprechbar ist.[24] Eine nicht aussprechbare Buchstabenkombination sind danach fremdsprachige Bezeichnungen, die nicht aus lateinischen Buchstaben gebildet werden, sowie reine Bildzeichen, die als Firma weiterhin unzulässig bleiben.[25]
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Worte in fremder Sprache können eine Firma ebenfalls bilden oder Teil der Firma sein, wenn sie entweder für Deutsche verständlich sind oder mit dem Gegenstand des Unternehmens erklärt werden können (z.B. RWE Power AG).[26] Wird der Begriff „Partner“ durch die Hinzufügung weiterer Wortbestandteile mit einer eigenen Bedeutung in einen Zusammenhang gesetzt, soll eine Verwechslung mit dem aus §§ 2 Abs. 1, 11 Abs. 1 PartGG resultierenden Rechtsformzusatz „und Partner“ oder „Partnerschaft“ ausgeschlossen sein.[27]
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Die Firma der AG ist explizit im Handelsregister anzugeben (§ 39 Abs. 1 S. 1 AktG). Eine nach Eintragung der Firma eingetretene tatsächliche oder satzungsmäßige Änderung des Unternehmensgegenstandes zwingt grundsätzlich nicht zu einer Änderung der Firma, es sei denn, daraus ergibt sich eine Täuschung über die Art des Geschäfts.[28]
1.1.2 Sitz