Handbuch des Aktienrechts. Hans-Peter Schwintowski
die Satzung einen Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte, ist der Aufsichtsrat hieran gebunden; er kann den Vorbehalt nicht selbst abschaffen oder durch einen Generalkonsens leerlaufen lassen.[117] Umgekehrt kann die Befugnis des Aufsichtsrats, seinerseits einen Zustimmungskatalog zu beschließen, nicht durch die Satzung beschränkt oder ausgeschlossen werden;[118] der jeweils strengere Zustimmungsvorbehalt geht insoweit vor.[119] Im Falle der Übertragung von Aktien auf einen dann alleinigen Aktionär soll ein in der Satzung festgelegtes Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats unbeachtet bleiben können.[120] Der Vorstand ist jedoch grds. verpflichtet, die Zustimmung des Aufsichtsrats für die festgelegten Geschäfte einzuholen (§ 82 Abs. 2 AktG); ein Ermessen steht ihm nicht zu, da seine Pflichten von der Satzung vorgegeben sind. Holt er die Zustimmung nicht ein, handelt er pflichtwidrig i.S.d. § 93 Abs. 1 AktG.[121]
2.6.3 Vorstand
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Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind nach § 78 Abs. 2 S. 1 AktG grds. alle Vorstandsmitglieder zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Dieses Prinzip der Gesamtvertretung ist dispositiv; dies zeigen die verschiedenen in der Praxis anzutreffenden Vertretungsregelungen wie die Einzelvertretung,[122] die unechte Gesamtvertretung und die gemischte Gesamtvertretung.[123] Von der Möglichkeit, durch die Satzung Einzelvertretung anzuordnen, wird nur selten Gebrauch gemacht.[124] Üblicherweise sieht die Satzung zur Etablierung des Vieraugenprinzips vor, dass die Gesellschaft von zwei Vorstandsmitgliedern gemeinsam oder von einem Vorstandsmitglied und einem Prokuristen gemeinschaftlich vertreten wird. Zudem kann es sinnvoll sein, von der Möglichkeit des § 78 Abs. 3 S. 2 AktG Gebrauch zu machen und den Aufsichtsrat zu ermächtigen, einzelnen oder mehreren Vorstandsmitgliedern Einzelvertretungsbefugnis zu erteilen. Gemäß § 78 Abs. 3 S. 1 und 2 AktG analog kann der Vorstand durch die Satzung auch von § 181 BGB befreit werden bzw. der Aufsichtsrat zur Befreiung des Vorstands ermächtigt werden.[125]
2.6.4 Hauptversammlung
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Die aktienrechtlichen Vorschriften zur Hauptversammlung lassen vielfältige abweichende und ergänzende Satzungsregelungen zu. Dies eröffnet einen großen Spielraum für Gestaltungsmöglichkeiten. Typische Regelungen, die sich in den Satzungen von AG finden lassen, sind solche über den Hauptversammlungsort,[126] die Einberufung und die Teilnahmebedingungen, die Versammlungsleitung und die Beschlussfassungen.[127]
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Das Recht einer Minderheit, die Einberufung einer Hauptversammlung zu verlangen, ist nach § 122 Abs. 1 AktG an bestimmte Voraussetzungen geknüpft (Mindestbeteiligung von 5 % am Grundkapital, Nachweis einer Mindestbesitzzeit, Schriftform und Begründungszwang); durch entsprechende Satzungsbestimmungen können diese dem Minderheitenschutz dienenden gesetzlichen Regelungen zugunsten der Aktionärsminderheit erleichtert werden.[128]
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Das in § 118 Abs. 1 AktG verankerte Recht der Aktionäre zur Teilnahme an der Hauptversammlung kann durch entspr. Bestimmungen in der Satzung konkretisiert werden. So überlässt es § 123 Abs. 2 S. 1 AktG der Satzung, ob sich Aktionäre bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Hauptversammlung anmelden müssen,[129] um an der Hauptversammlung teilnehmen zu können; auch die Ausübung des Stimmrechts kann von dieser Anmeldung abhängig gemacht werden.[130] Das Anmelderfordernis dient allein dem Informationsbedürfnis der Gesellschaft über die voraussichtliche Teilnehmerzahl und der damit im Zusammenhang stehenden organisatorischen Vorbereitung der Hauptversammlung.[131] Zugleich verlängert es die Einberufungsfrist für die Hauptversammlung, denn nicht mehr der Tag der Hauptversammlung, sondern der (letzte) Anmeldetag ist für die dreißig Tagefrist ausschlaggebend (§ 123 Abs. 2 S. 5 AktG).[132]
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Sowohl für Inhaberaktien wie auch Namensaktien kann die Satzung ferner bestimmen, wie die Berechtigung zur Teilnahme an der Versammlung (Legitimationsnachweis) oder zur Ausübung des Stimmrechts nachzuweisen ist, § 123 Abs. 3 AktG. Für Namensaktien börsennotierter Gesellschaften stellt § 123 Abs. 5 AktG klar, dass sich die Berechtigung aus der Eintragung im Aktienregister ergibt; d.h. dass der am Tag der Hauptversammlung eingetragene Aktionär zur Teilnahme und Stimmrechtsausübung berechtigt ist, § 67 Abs. 2 S. 1 AktG. Für nicht börsennotierte Gesellschaften mit Namensaktien soll dagegen § 123 Abs. 3 AktG die Möglichkeit eröffnen, einen zeitlich vorgelagerten Nachweisstichtag einzuführen.[133] Für Inhaberaktien börsennotierter Gesellschaften kann der in § 123 Abs. 4 S. 2 AktG vorgegebene Nachweisstichtag (Record Date) durch eine Satzungsregelung verkürzt werden, § 123 Abs. 4 S. 3 AktG. Weitere Einzelheiten an den Legitimationsnachweis bei Inhaberaktien können in der Satzung vorgesehen werden.[134] Für nicht börsennotierte Gesellschaften mit Inhaberaktien räumt § 123 Abs. 3 AktG weitestgehende Regelungsfreiheit hinsichtlich des Legitimationsnachweises ein.[135]
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Auch die Teilnahme von Aufsichtsratsmitgliedern an der Hauptversammlung im Wege der Bild- und Tonübertragung kann durch entsprechende Satzungsregelung für bestimmte Fälle vorgesehen werden, wie auch die vollständige Übertragung der Hauptversammlung in Ton und Bild durch Satzungsbestimmung möglich ist (§ 118 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 AktG).[136] Im Falle einer statutarischen Regelung der Übertragung der Hauptversammlung im Internet entfällt das Widerspruchsrecht der Aktionäre.[137]
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Hauptversammlungsbeschlüsse sind grds. mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen (einfache Stimmenmehrheit) zu fassen (§ 133 Abs. 1 AktG), wenn Gesetz oder Satzung nichts anderes bestimmen. Nach Gesetz sind in bestimmten Fällen andere Mehrheiten erforderlich, z.B. verlangt § 103 Abs. 1 S. 2 AktG bei der Abberufung von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitgliedern eine Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen. Jedoch kann die Satzung hier eine andere Mehrheit oder weitere Erfordernisse bestimmen, § 103 Abs. 1 S. 3 AktG, bspw. höhere oder auch einfache Beschlussmehrheiten.[138] Die Satzung kann anordnen, dass für Beschlüsse der Hauptversammlung eine größere als die gesetzlich vorgeschriebene einfache Stimmenmehrheit (Beschlusserschwerungen) oder andere Erfordernisse für bestimmte Angelegenheiten erforderlich sind, jedoch nicht in den Fällen, in denen nach dem Gesetz die einfache Mehrheit ausdrücklich ausreicht und in denen die betreffende Rechtsausübung nicht erschwert werden darf (z.B. bei der Abberufung eines entsandten Aufsichtsratsmitglieds nach § 103 Abs. 2 S. 2 AktG, der Herabsetzung einer satzungsmäßig festgesetzten Aufsichtsratsvergütung nach § 113 Abs. 1 S. 4 AktG oder der Bestellung von Sonderprüfern nach § 142 Abs. 1 S. 1 AktG und der Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 147 Abs. 1 S. 1 AktG).[139] Bei diesen Kontrollrechten soll nach überwiegender Meinung die Ausübungsbefugnis der Hauptversammlung nicht erschwert werden dürfen.[140]
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Beschlusserleichterungen sind dagegen nur möglich, wenn das Gesetz sie ausdrücklich zulässt wie z.B. bei der Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 103 Abs. 1 S. 3 AktG.[141] Bei Wahlen erweitert § 133 Abs. 2 AktG die mögliche Satzungsabweichung dahin, dass auch erleichternde Satzungsbestimmungen erlaubt sind.[142]
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Zu den weiteren Erfordernissen, die die Satzung zusätzlich zu der Stimmenmehrheit regeln kann, gehören Bestimmungen über die Kapitalmehrheit, soweit das Gesetz diese nicht bereits unabdingbar vorschreibt.[143] Stimmenmehrheit und Kapitalmehrheit sind bei der Auszählung der Stimmabgaben separat auszuwerten; entspricht eine Aktie einer Stimme („one share one vote“), fallen Stimmen- und Kapitalmehrheit zusammen; das gilt nicht bei Aktiengattungen mit verschiedenen Stimmrechten.[144]
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Zu den ergänzenden Bestimmungen über die Versammlungsleitung gehören z.B. Regelungen über die Person und die Befugnisse des Versammlungsleiters, die sich in der Praxis dringend empfehlen, da das Gesetz keine ausdrücklichen Regelungen über die Leitung der Hauptversammlung und die Person des