Handbuch des Aktienrechts. Hans-Peter Schwintowski
obliegenden Treuepflichten dann, wenn bereits vor Beginn der Liquidation die Übernahme wesentlicher Unternehmensteile mit der AG vereinbart wird. In diesem Fall wird den Minderheitsgesellschaftern und externen Dritten die Möglichkeit genommen, sich ihrerseits um den Erwerb zu bemühen. Dies wiederum hat zur Folge, dass kein echter Marktpreis für die betreffenden Unternehmensteile ermittelt wird, sondern der Mehrheitsaktionär diesen weitgehend allein bestimmen und sich mithin einen Sondervorteil verschaffen kann.[14] Eine Vereinbarung im vorstehenden Sinne liegt nach der Rechtsprechung des BGH schon dann vor, wenn „eine ausreichend sichere Grundlage für den alleinigen Erwerb durch den Mehrheitsgesellschafter“ geschaffen wurde und damit Dritte von dem Verkaufsprozess ausgeschlossen wurden. Eines rechtlich bindenden Vertrages bedarf es insoweit nicht.[15]
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Liegen diese Voraussetzungen vor, verletzt der Mehrheitsaktionär seine Treuepflicht und der Liquidationsbeschluss ist anfechtbar.[16] Fehlt es an einer solchen Vorabsprache, ist die übertragende Auflösung rechtlich zulässig.[17] An der Verfassungsmäßigkeit der übertragenden Auflösung hat sich auch durch die Einführung des Squeeze out nichts geändert, da der Gesetzgeber durch §§ 327a ff. AktG nicht das allein zulässige Verfahren geregelt, sondern eine weitere Möglichkeit zum Minderheitsausschluss geschaffen hat.[18]
2. Kapitel Grundlagen › VI. Beendigung der Mitgliedschaft › 3. Ablauf und Voraussetzungen des aktienrechtlichen Squeeze out
3. Ablauf und Voraussetzungen des aktienrechtlichen Squeeze out
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Verfügt ein Aktionär über eine Kapitalbeteiligung in Höhe von 95 % des Grundkapitals einer AG, kann dieser durch Hauptversammlungsbeschluss (§ 327a AktG) und Eintragung in das Handelsregister (§ 327e Abs. 3 S. 1 AktG) die Übertragung der übrigen Aktien auf sich herbeiführen. Folgende Voraussetzungen sind hierfür im Einzelnen erforderlich:
3.1 Kapitalbeteiligung in Höhe von 95 % des Grundkapitals
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§ 327a Abs. 1 S. 1 AktG definiert den Hauptaktionär als einen Aktionär, dem Aktien der Gesellschaft (im Folgenden auch Zielgesellschaft genannt) in Höhe von mindestens 95 % des Grundkapitals gehören, während die übrigen Aktionäre als Minderheitsaktionäre eingeordnet werden.
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Als Hauptaktionär kommen sämtliche Personen in Betracht, die Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten sein können.[19] Dementsprechend kommen als Hauptaktionäre auch GbR und Vorgesellschaften in Betracht.[20]
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Hinsichtlich der Bestimmung der Beteiligungsquote verweist § 327a Abs. 2 AktG auf § 16 Abs. 2–4 AktG. Damit ist zunächst der Gesamtnennbetrag oder – bei Stückaktien – die Gesamtzahl der Aktien der Zielgesellschaft zu ermitteln (§§ 327a Abs. 2, 16 Abs. 2 S. 1 AktG). Soweit Kapitalmaßnahmen der Zielgesellschaft zwar initiiert, aber noch nicht abgeschlossen sind, sind diese nur zu berücksichtigen, wenn sie (zum maßgeblichen Zeitpunkt[21]) bereits zur Schaffung von Aktien geführt haben.[22] Es sind mithin nur existente Aktien zusammenzurechnen. Damit sind nicht eingetragene Kapitalerhöhungen ebenso wenig zu berücksichtigen wie bloß genehmigtes, aber nicht ausgeübtes Kapital. Entsprechendes gilt für Wandelschuldverschreibungen oder Aktienoptionen,[23] was in der Praxis dazu führen kann, dass die genaue Bestimmung der Gesamtanzahl der Aktien bzw. des Gesamtnennbetrages und damit die Beteiligungsquote nur schwer zu ermitteln sind.
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Von dieser Summe sind in einem zweiten Schritt gem. §§ 327a Abs. 2, 16 Abs. 2 S. 2 AktG diejenigen Aktien in Abzug zu bringen, die die Zielgesellschaft selbst (als eigene Aktien) hält oder die ihr nach § 16 Abs. 4 AktG zuzurechnen sind.[24] Insoweit ließe sich zwar alternativ auch daran denken, diese dem Hauptaktionär nach §§ 327a Abs. 2, 16 Abs. 4 AktG zuzurechnen. Allerdings würde eine solche Zurechnung dem Regelungsmechanismus des § 16 Abs. 2 und 4 AktG nicht ausreichend Rechnung tragen. § 16 Abs. 2 S. 2 AktG behandelt als Spezialregelung eigene Aktien der Zielgesellschaft, während § 16 Abs. 4 AktG generell die Zurechnung von Anteilen abhängiger Unternehmen behandelt.[25]
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Zu dieser Gesamtaktienanzahl bzw. zu dem Gesamtnennbetrag sind die Aktien des Hauptaktionärs ins Verhältnis zu setzen. Wie der Wortlaut bereits nahe legt, kommt es nicht auf die Stimmrechte, sondern allein auf die Kapitalbeteiligung an, so dass auch stimmrechtslose Vorzugsaktien zu berücksichtigen sind.[26] Für die Ermittlung der Kapitalquote kommt es auch nicht darauf an, ob Aktien des Hauptaktionärs oder Aktien Dritter (bspw. wegen § 20 Abs. 7 AktG oder § 28 WpHG) nicht stimmberechtigt sind;[27] allein die Kapitalbeteiligung ist für die Qualifikation als Hauptaktionär ausschlaggebend. Zu berücksichtigen sind auch Aktien des Hauptaktionärs, die dieser lediglich im Wege eines Wertpapierdarlehens nach § 607 BGB hält.[28]
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Bei den Aktien des Hauptaktionärs können die Zurechnungsregeln des § 16 Abs. 4 AktG relevant werden. So sind dem Hauptaktionär diejenigen Aktien zuzurechnen, die von ihm abhängige Unternehmen halten.[29] Obwohl es sich bei der Zielgesellschaft um ein vom Hauptaktionär abhängiges Unternehmen handelt, greift insoweit die Sonderregelung des §§ 327a Abs. 2, 16 Abs. 2 S. 2 AktG,[30] nach der diese Aktien nicht dem Hauptaktionär zugerechnet werden, sondern vom Grundkapital in Abzug zu bringen sind.
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Dem Hauptaktionär sind auch solche Aktien zuzurechnen, die für seine Rechnung gehalten werden (§§ 327a Abs. 2, 16 Abs. 4 AktG). Dies eröffnet – rechtlich zulässige – Gestaltungsmöglichkeiten. So können sich mehrere Großaktionäre darauf verständigen, ihre Aktien nunmehr (für die Zeit des Squeeze out-Verfahrens) ausschließlich für einen aus ihrer Gruppe zu halten, was letzteren zum Hauptaktionär qualifiziert.[31] Andere Zurechnungsnormen wie bspw. die des WpÜG greifen nicht.
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Die Beteiligungsquote von wenigstens 95 % muss nach § 327a Abs. 1 S. 1 AktG zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Squeeze out bestehen. Darüber hinaus besteht ein nach § 327b Abs. 1 S. 2 AktG privilegierter Anspruch auf Auskunftserteilung ebenfalls nur dann, wenn der Aktionär bereits als Hauptaktionär zu qualifizieren ist, er mithin über die Beteiligungsquote von wenigstens 95 % verfügt. Ferner muss die Mindestbeteiligungsquote auch zu dem Zeitpunkt bestehen, in dem der Aktionär das Übertragungsverlangen nach § 327a Abs. 1 S. 1 AktG stellt. Schließlich muss die Beteiligungsquote auch noch im Zeitpunkt der Handelsregistereintragung bestehen.[32] Diese Anforderungen können in der Praxis durchaus problematisch werden, da die Gesamtaktienanzahl bzw. der Gesamtnennbetrag Veränderungen unterliegen können.[33] Dementsprechend befürworten Teile des Schrifttums diesbezüglich eine Lockerung der Anforderungen.[34] So soll die Beteiligungsquote zum Zeitpunkt des Übertragungsverlangens und der Informationserteilung unbeachtlich sein, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die notwendige Beteiligungsquote zum Zeitpunkt des HV-Beschlusses vorhanden sein wird.[35] Auch wenn insoweit zuzugeben ist, dass eigentlich nur der Zeitpunkt der Beschlussfassung und der Handelsregistereintragung entscheidend sind, hat der Gesetzgeber klar andere Regelungen vorgesehen, so dass – allein aufgrund der Rechtsfolgen, die durch einen anfechtbaren Squeeze out bewirkt werden[36] – von einem solchen Vorgehen dringend abzuraten ist.
3.2