Praxishandbuch Open Source. Christian Galetzka
Der Nutzer von FOSS leitet seine Befugnis ebenso wie jeder weitere Nutzer, Bearbeiter und Verbreiter vom (ersten) Rechtsinhaber ab; mit diesem kommt der Lizenzvertrag zustande („sternförmige“ Vertragsabschlüsse).
– Die schriftliche Erwähnung einer Nutzungsart in FOSS Lizenzbedingungen als urheberrechtlichem Vertrag ist nur dann erforderlich, wenn diese Nutzungsart zum Zeitpunkt der Lizenzgewährung noch unbekannt war.
– Die h.M. geht von der Wirksamkeit von FOSS Lizenzbedingungen aus, was zumindest für die strenge Copyleft Klausel kontrovers diskutiert werden kann. Die Wirksamkeit der Haftungsbeschränkungen wird allgemein verneint.
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Im Rahmen der folgenden Ausführungen erscheint es sinnvoll, sich noch einmal vor Augen zu führen, dass die Fragen hinsichtlich des Vertragsschlusses, des Vertragsinhalts und der Wirksamkeit einzelner Klauseln nur unter bestimmten Umständen Bedeutung erlangen. Soweit ein Nutzer lediglich Software nutzt, in der FOSS enthalten ist, werden die FOSS Lizenzbedingungen und somit die Fragestellungen nicht relevant.1 Durch diese bloße Benutzung von FOSS werden gewöhnlich keine Verpflichtungen des Nutzers begründet.2 Dies folgt bereits aus § 69d Abs. 1 UrhG.
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Soll FOSS bearbeitet und verbreitet werden, ist dafür die Einräumung von Nutzungsrechten nötig. Wir betrachten daher zuerst die vertragsrechtlichen Grundlagen in Bezug auf FOSS mit dem Ziel, aus diesen Rechtsfragen auch Argumente für die Praxis zu ziehen. Futter hierfür findet sich sowohl über die vertragsrechtliche Einordnung mit Schenkungselementen als auch über den AGB-Charakter der FOSS Lizenzbedingungen.
a) Wie FOSS Lizenzen einbezogen werden
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FOSS Lizenzbedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingungen, die eine Vertragspartei der anderen stellt3 und die nicht individuell ausgehandelt wurden.4 Die Rechtsnatur des Vertrages und seine vertragstypologische Einordnung sind für die Einstufung der Lizenzbedingungen als Vertragsbedingungen im Sinne der §§ 305ff. BGB unerheblich.5 Bei den FOSS Lizenzbedingungen handelt es sich daher nach h.M. in Literatur6 und gefestigter Rechtsprechung7 um AGB i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB.
aa) Wirksame Einbeziehung
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Eine wirksame Einbeziehung der FOSS Lizenzbedingungen ist grundsätzlich zu bejahen. Der Vertragsschluss folgt den allgemeinen Regelungen,8 Angebot und Annahme gemäß §§ 145ff. BGB. Die FOSS Lizenzbedingungen enthalten dabei alle vertraglichen Hauptleistungspflichten für den Empfänger. Das Angebot ist auf Abschluss eines Lizenzvertrages ad incertas personas gerichtet und beinhaltet eine Einräumung einfacher Nutzungsrechte gemäß den Bedingungen des Lizenzvertrages.9 Vergleichbar dem Kauf gegen Höchstgebot bei eBay10 richtet sich das jeweilige Angebot nur an diejenigen potenziellen Vertragspartner, die die Lizenzbedingungen in vollem Umfang anerkennen.
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Gemäß § 305 Abs. 2 BGB können AGB nur Vertragsbestandteil werden, wenn
– der Rechtsinhaber den Empfänger ausdrücklich darauf hinweist,
– der Rechtsinhaber dem Empfänger die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von den Lizenzbedingungen Kenntnis zu nehmen,
– und der Empfänger mit ihrer Geltung einverstanden ist.
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Das ist bei FOSS Lizenzbedingungen aus mehreren Gründen gegeben: Man kann nämlich davon ausgehen, dass bei Abgabe des Angebots nach § 151 Satz 1 BGB auf den Zugang einer Annahmeerklärung bei dem Antragenden verzichtet wird.11 Handelt es sich bei den Lizenzbedingungen um die der GPL, bieten Ziff. 5 GPL-2.0 und Ziff. 9 GPL-3.0 hierfür entsprechende Anhaltspunkte.12 Für die Möglichkeit der Kenntnisnahme ist die Abrufbarkeit der FOSS Lizenzbedingungen im Internet als ausreichend anzusehen.13 Der Empfänger der FOSS erklärt durch seine Nutzungshandlung, für die er eine über § 69d Abs. 1 UrhG hinausgehende Befugnis benötigt, durch schlüssiges Verhalten die Annahme.14
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Soweit im Schrifttum stets auf die englische Sprache, in der die Lizenzbedingungen abgefasst sind, verwiesen wird, um die Einbeziehung in Frage zu stellen,15 kann dies nicht überzeugen. Zum einen werden die Empfänger von FOSS regelmäßig unternehmerisch handeln,16 zum anderen ist Englisch die Sprache der Programmierer und somit in diesem Kontext schlicht üblich.17
bb) Wirksamkeit
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Als AGB unterliegen die Klauseln der FOSS Lizenzen der Wirksamkeitskontrolle. Das kann sich bei verschiedenen Klauseln auswirken und zu Argumenten für die Verwendung in den Vertragskonstellationen führen (siehe hierzu den Praxisfall im Anhang 839ff.). Alle Juristen stürzen sich im Zusammenhang mit AGB-Kontrolle für FOSS Lizenzbedingungen auf den offenkundigen Verstoß: die Haftungsklauseln, die in der Regel zwar mit amerikanischem Recht vereinbar sein mögen, mit deutschem Recht jedoch nicht. Es besteht allgemein Einigkeit, dass die Haftungsklauseln in FOSS Lizenzen so gut wie immer gegen §§ 309 Nr. 8 b) aa), 309 Nr. 7, 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB verstoßen.18
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Weniger eindeutig und deutlich weniger beleuchtet wird ein anderer Aspekt, der im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle diskutiert werden kann, nämlich die Frage nach der Wirksamkeit der Copyleft Klauseln, aber vor allem der Rechterückfallklausel. So eine Klausel sieht beispielsweise die GPL-2.0 vor; hält sich der Lizenznehmer nicht an die Lizenzbedingungen, erfolgt ein automatischer Rechterückfall (siehe bereits Rn. 32). Hier kommt § 307 BGB in Betracht, wenn solche Klauseln den Empfänger der FOSS unangemessen benachteiligen.
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Das LG München I19 hat durch ökonomisch effiziente Prüfung die Lizenzbedingungen der GPL-2.0 betrachtet, konkret die Ziff. 2, 3 und 4 GPL-2.0. Es kommt zum Ergebnis, dass aufgrund der gesamten Vertragskonstruktion der Vertragspartner des Verwenders nicht unangemessen benachteiligt wird.20 Das LG München I nimmt mit der h.M. eine auflösend bedingte Einigung an und entscheidet, dass Ziff. 4 GPL-2.0 keine Beschränkung des Nutzungsrechts darstellt, die im Übrigen über § 31 Abs. 1 Satz 2 UrhG gestattet wäre.
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Es hat dennoch ausgeführt, dass man vermutlich zu einer Teilunwirksamkeit der Klausel käme, wenn man von einer Unwirksamkeit von Ziff. 4 Satz 2 und 3 GPL-2.0 ausginge. Dann bliebe Ziff. 4 Satz 1 GPL-2.0 stehen und ein Verstoß gegen diesen hätte nur schuldrechtliche Auswirkungen, sprich könnte zu Kündigungen oder Schadensersatz führen. Die Annahme einer Unwirksamkeit der gesamten Klausel ist unwahrscheinlich, da inhaltlich und sprachlich ein zulässiger Regelungsteil abspaltbar ist, der eine eigenständige, sinnvolle Regelung enthält.21
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Die Regelung der Ziff. 4 GPL-2.0 begegnet auch aus anderen Gründen erheblichen Bedenken. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot wird zwar abzulehnen sein.22 Aber ein Verstoß gegen § 307 BGB könnte wegen eines Widerspruches zu § 314 BGB gegeben sein.23 Gemäß § 314 BGB ist für die außerordentliche fristlose Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses ein wichtiger Grund erforderlich. Nach der GPL genügt bereits die geringste Pflichtverletzung, einen „Rückfall“ der Rechte auszulösen.24 Dies ist wegen der grundsätzlich gegebenen Erforderlichkeit einer vorherigen Abmahnung problematisch.25 Man könnte über § 139 BGB oder § 306 BGB zu dem Ergebnis gelangen, dass vor einem Rechterückfall der Empfänger erst abgemahnt werden müsste, den vertragsgemäß geschuldeten Zustand herzustellen.26 Ein deutsches Gericht könnte mit diesem Argument – wenn und soweit es einmal mit dieser Frage ernsthaft befasst sein wird – zu der Erkenntnis gelangen, dass die in Ziff. 4 GPL-2.0 vorgesehene Rechtsfolge unangemessen ist.27 Der Abgemahnte könnte dann durch entsprechende Herstellung des lizenzkonformen Zustandes den Verstoß heilen, was vermutlich am ehesten dem Sinn und