Recht im E-Commerce und Internet. Jürgen Taeger
Blick auf die Vertragsautonomie aus Art. 2 I GG der Vertragsschluss durch nicht (erklärungs-)willensgetragenes, fahrlässiges Verhalten konzeptionell abgelehnt; einen Überblick dazu bietet Armbrüster, in: MüKo-BGB, 2018, § 119 Rn. 97. 9 Zu den Besonderheiten im elektronischen Geschäftsverkehr gemäß § 312j BGB Kap. 5 Rn. 188ff. 10 Zu Formvorschriften ausführlich Kap. 4. 11 Noack/Kremer, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 2016, § 126 Rn. 52. 12 Weitere ausdrückliche Ausschlüsse der Ersetzung finden sich in §§ 623 Hs. 2, 630 S. 3 (ggf. i.V.m. § 109 Abs. 3 GewO), 761 S. 2, 766 S. 2, 780 S. 2, 781 S. 2 BGB. 13 Zur Zulässigkeit der gewillkürten Schriftform und deren Anforderungen vgl. Noack/Kremer, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 2016, § 127 Rn. 1ff. 14 BGH, Urt. v. 14.7.2016 – III ZR 387/15, K&R 2016, 596f. m. Anm. Kremer/Garsztecki, jurisPR-ITR 20/2016 Anm. 5. 15 Ausführlich dazu Kap. 5 und Kap. 6.
II. Vertragsschluss im Internet
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In rechtlicher Hinsicht ist zu klären, ob bereits durch die Bestellung des Kunden im Internet oder mittels App ein rechtswirksamer Vertrag zustande gekommen ist. Ein Vertrag setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus, den Antrag (umgangssprachlich oft als Angebot bezeichnet) und die Annahme des Antrags (§§ 145ff. BGB).
1. Website oder App als Antrag oder invitatio ad offerendum
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Die Anpreisung einer Ware oder Dienstleistung auf einer Website oder in einer App, häufig verbunden mit der Möglichkeit, einen Warenkorb zu füllen und eine Bestellung elektronisch abzuschicken, könnte ein verbindlicher Antrag im Rechtssinne (§ 145 BGB) und die Bestellung des Interessenten die Annahme (§ 151 BGB) sein. Dann wäre ein Vertrag durch die Bestellung zustande gekommen.
a) Grundregel: Websites oder Apps als invitatio ad offerendum
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Ob es sich bei der Anpreisung einer Leistung auf einer Website oder in einer App tatsächlich um einen Antrag im Rechtssinn oder lediglich um eine sog. invitatio ad offerendum handelt, muss durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ermittelt werden. Entscheidend ist, wie der Erklärungsempfänger, also der Nutzer von Website oder App, deren Inhalt nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen muss (sog. objektiver Empfängerhorizont).16
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Werden zum Beispiel Waren angeboten, die der Anbieter nur in einem beschränkten Umfang (Beispiel: 50 Exemplare eines Bestsellers) oder gar nur einmal (Beispiel: Antiquität) vorrätig hat, wird deutlich, dass es nicht im Interesse des Anbieters liegt, bereits mit dem „Angebot“ auf der Website einen rechtsverbindlichen Antrag abzugeben, welcher von jedem Kunden angenommen werden kann.17 Anderenfalls wäre er in der Folge verpflichtet, gegenüber allen Kunden, die sich auf sein Angebot hin melden und es durch eine Bestellung annehmen, auch die versprochene Leistung zu erbringen.18 Um das vorgenannte Beispiel aufzugreifen, wäre er auch verpflichtet, das Buch an den 51. und alle weiteren Besteller zu liefern. Kann er dies nicht, so muss er mit Schadensersatzansprüchen der Kunden gem. §§ 280ff. BGB rechnen.
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Würde in dieser Weise ein Vertrag mit einem Kunden abgeschlossen, wäre auch die Prüfung der Bonität oder die Auswahl einer für den jeweiligen Kunden geeigneten Zahlungsart für den Vertrag (z.B. Rechnung, Kreditkarte, SEPA-Lastschrift oder PayPal) nicht möglich. Erweist sich der Kunde als zahlungsunfähig und war keine Vorkasse vereinbart, würde sich eine Forderung des Verkäufers dann nicht realisieren lassen.
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Da somit ein Vertragsschluss nicht im Interesse des Anbieters liegt und es deshalb schon am Bindungswillen fehlt, ist im „Angebot“ auf einer Website grundsätzlich kein verbindlicher Antrag im Rechtssinne zu verstehen, sondern bloß eine invitatio ad offerendum, also mangels Rechtsbindungswillen des Anbieters eine Aufforderung an potenzielle Kunden, einen Antrag abzugeben, wie dies z.B. bei der Warenpräsentation in einem Katalog oder Schaufenster der Fall ist.19 Der Antrag, den der Interessent seinerseits auf die invitatio ad offerendum hin mit seiner Bestellung abgibt, ist dann rechtsverbindlich.
b) Ausnahme: Website oder App als Antrag
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Von der Regel, dass ein Angebot von Waren, Dienstleistungen oder digitalen Inhalten im Internet nur eine invitatio ad offerendum darstellt, kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn der Anbieter die jeweilige Leistung direkt über das Internet abwickeln kann und die Gegenleistung des Interessenten durch ein elektronisches Bezahlverfahren (sog. „eCash“ oder „electronic cash“, z.B. Apple Pay,20 Google Pay21 oder Paydirekt22) oder eine Zahlungsgarantie etwa einer Kreditkartenorganisation sichergestellt ist. Beispiele sind der Download von Software oder Apps oder die Online-Nutzung von Datenbanken als sog. digitale Inhalte.
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Weil sich der Kunde die Leistung selbst im Internet verschaffen kann, steht sie dem Anbieter in unbegrenzter Menge zur Verfügung, da sich z.B. Software unbegrenzt kopieren lässt. In diesem Fall widerspricht die Auslegung, dass bereits das Angebot auf einer Website ein Antrag im Rechtssinne darstellt, nicht den Interessen des Anbieters, da das Produkt in unbegrenzter Menge zur Verfügung steht und dem Anbieter mithin keine Schadensersatzhaftung droht. Zugleich ist auch die Absicherung der Forderung des Anbieters durch die unmittelbare Zahlung des Anwenders gewährleistet. Sind diese Voraussetzungen gegeben, liegt bereits in der Präsentation von Waren, Dienstleistungen oder digitalen Inhalten auf einer Website oder in einer App ein verbindlicher Antrag an jedermann vor.23
c) Sonderfall: Internet-Versteigerungen
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Oben sind nur die Auslegungsgrundsätze aufgezeigt worden. Da eine Auslegung immer den Einzelfall berücksichtigen muss, können sich auch andere Ausnahmen ergeben, so z.B., wenn der Anbieter sein Angebot ausdrücklich als verbindlich qualifiziert.
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Ein prominentes Beispiel hierfür liefert die Plattform eBay für Internet-Versteigerungen (auch Online-Auktionen genannt). Zwar gelten die AGB von eBay nicht unmittelbar zwischen den (potenziellen) Parteien des Kaufvertrags. Jedoch können sie als von beiden Parteien akzeptierte Rahmenbedingungen eine Auslegungshilfe für das von den Nutzern beim Handeln auf der Plattform Gewollte darstellen. Angebote, die hier eingestellt werden – und zwar auch solche, die außerhalb von Versteigerungen zum sofortigen Kauf angeboten werden – stellen gemäß eBay-AGB (§ 6 Nr. 2) einen verbindlichen Antrag dar.24 Hiervon kann sich der einzelne Anbieter, der die eBay-Plattform nutzt, auch nicht durch eigene abweichende AGB lösen.25 Der Erklärungsinhalt eines im Rahmen einer Internet-Versteigerung abgegebenen Verkaufsangebots ist unter Berücksichtigung der AGB des Unternehmens zu bestimmen, das auf seiner Internet-Plattform das Forum für die Versteigerung bietet. Falls nach diesen AGB im Falle der Rücknahme des Angebots ein Kaufvertrag mit dem zu dieser Zeit Höchstbietenden nicht zustande kommt, ist dies aus der Sicht der an der Internet-Versteigerung teilnehmenden Bieter dahingehend zu verstehen, dass das Angebot des Verkäufers unter dem Vorbehalt einer berechtigten Angebotsrücknahme steht.26 Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Anbietende gesetzlich dazu berechtigt ist, sein Angebot zurückzuziehen.27 Das könnte der Fall sein, wenn der Anbieter zur Anfechtung berechtigt ist, aber beispielsweise auch dann, wenn der angebotene Artikel