Recht im E-Commerce und Internet. Jürgen Taeger
gelten für alle Leistungsangebote im Internet, unabhängig davon, wie der weitere Bestellvorgang organisiert ist. Druckt der Besteller lediglich seine Bestellung aus, unterschreibt sie und schickt sie an den Anbieter, spielen die Kommunikationswege des Internet keine weitere Rolle. Daher ergeben sich auch keine weiteren internetspezifischen Besonderheiten. Im Folgenden findet dieser Fall folglich keine weitere Berücksichtigung.
2. Zugang des Antrags
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Verfolgt man nun die Anbahnung des Vertrags weiter, so sendet der Interessent seinen Antrag per Mausklick oder Fingertipp an eine elektronische Empfangsvorrichtung des Anbieters, vergleichbar einem Briefkasten. Das ist heute in der Regel das elektronische Bestellsystem des Anbieters als ein Teil des von ihm betriebenen Onlineshops. In rechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Bestellung dem Anbieter zugeht.
a) Zugang elektronischer Willenserklärungen unter Abwesenden oder Anwesenden
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Gesetzlich wird zwischen einer Kommunikation unter Anwesenden und unter Abwesenden differenziert. Nur bei Letzterer ist ein Zugang des Angebots beim Anbieter gem. § 130 Abs. 1 BGB zu prüfen. Nach ganz h.M. ist die Kommunikation mit elektronischen Willenserklärungen eine Kommunikation unter Abwesenden, sodass gem. § 130 Abs. 1 BGB der Zugang der Angebotserklärung des Bestellers erforderlich ist.28
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Begründet wird dies zutreffend damit, dass keine Kommunikation von Person zu Person in Echtzeit stattfindet, die es ermöglichen würde, durch sofortiges Nachfragen den materiellen Erklärungsinhalt zu überprüfen.29 Ausnahmen sind nur in Fällen denkbar, bei denen der Vertragsschluss über eine direkte Kommunikation zwischen beiden Vertragsparteien erfolgt.30 Denkbar sind etwa Bestellungen über Messenger-Apps auf Smartphones wie WhatsApp31 und Threema32 oder über Chat-Tools, die auf der Website eine klassische Bestellfunktion ersetzen und diese nicht nur unterstützen sollen.
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Beim Vertragsschluss muss also der Antrag dem Vertragspartner zugehen, damit er Rechtswirksamkeit entfalten kann. Es fragt sich, zu welchem Zeitpunkt dies der Fall ist. Nach h.M. ist dann ein Zugang anzunehmen, wenn die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist und nach den gewöhnlichen Verhältnissen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann (sog. Empfangstheorie).33 Eine tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich.34
b) Machtbereich des Empfängers und Möglichkeit zur Kenntnisnahme
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Bei einer elektronischen Mitteilung gelangt die Mitteilung mit der Speicherung in der Mailbox oder dem elektronischen Bestellsystem des Empfängers in dessen Machtbereich, ähnlich dem herkömmlichen Briefkasten oder Postfach.35 Dazu zählt neben dem üblichen Posteingang auch der Spam-Ordner, welcher gelegentlich auch übliche E-Mails fehlerhaft einsortiert, sodass eine Überprüfung des Ordners zu den Pflichten des unternehmerischen Erklärungsempfängers zählt.36
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Nachdem das Angebot in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, stellt sich die Frage, wann nach den gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Es ist nach der Art des Empfängers zu unterscheiden. Von Unternehmern i.S.d. § 14 BGB ist zu erwarten, dass sie während der üblichen Geschäftszeiten ihren elektronischen Posteingang regelmäßig kontrollieren. Ein Antrag gilt danach ebenso wie jede andere elektronische Willenserklärung mit Speicherung beim Unternehmer während der üblichen Geschäftszeiten als zugegangen. Bei Verbrauchern i.S.d. § 13 BGB, also privaten Anwendern, wird man hingegen allenfalls davon ausgehen können, dass diese einmal täglich ihre E-Mails abfragen. Der Zugang wird daher am Tag nach der Abrufbarkeit anzunehmen sein.37 Im Hinblick auf den Spam-Ordner wird dies nicht in gleicher Weise gelten können. Sinn und Zweck dieses Ordners ist ja gerade, dass man sich mit dessen Inhalt regelmäßig nicht auseinandersetzen möchte, weil es sich um „Junk-Mails“ handelt. In Anbetracht der automatischen Löschung von E-Mails im Spam-Ordner und der Tatsache, dass E-Mails teilweise falsch einsortiert werden, erscheint eine Überprüfung im unternehmerischen Verkehr einmal am Tag als realistisch und zumutbar.
3. Annahme des Antrags
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Nachdem der Antrag des Interessenten dem Anbieter zugegangen ist, ist der Zeitpunkt der Annahme und damit des Vertragsschlusses festzustellen (vgl. § 147 BGB). Nach § 147 Abs. 2 BGB kann ein unter Abwesenden gemachter Antrag bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, zu dem im regelmäßigen Geschäftsgang mit einer Annahme zu rechnen ist. Wann dies konkret der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Zumindest ist dem Anbieter eine Überlegungs- und Prüfungsfrist hinsichtlich der Person des Anbietenden zuzubilligen.38
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Ist der Antrag zugegangen, kann die Annahme gem. §§ 147 Abs. 2, 151 BGB entweder durch ausdrückliche Annahmeerklärung oder konkludent durch Erbringung der dem Besteller versprochenen Leistung erfolgen. Damit ist der Vertrag geschlossen. Insbesondere bei der Annahmeerklärung werden in der Praxis häufig Computererklärungen eingesetzt, wenn z.B. die eingehende Bestellung automatisch auf Vollständigkeit geprüft, mit dem Warenbestand abgeglichen, ggf. die Bonität geprüft und daraufhin eine Auftragsbestätigung an den Besteller gesandt wird.39
4. Bestätigung des Zugangs
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Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz40 wurden „Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr“ normiert.41 Insbesondere ist die Regelung in § 312i BGB zu beachten, die dem Unternehmer bei Anbahnung eines Vertrags über das Internet auferlegt, den Zugang der Erklärung des Bestellers unverzüglich zu bestätigen, § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB.42 Ein Verstoß gegen die Bestätigungspflicht tangiert jedoch nicht den Vertragsschluss an sich, sondern wirkt sich auf das dem Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften zustehende Widerrufsrecht aus43 bzw. führt zu einem Schadensersatzanspruch des Bestellers gegen den Anbieter. Bei der Empfangsbestätigung handelt es sich nach h.M. nicht um eine Willenserklärung, sondern um eine Wissenserklärung.44 Sie kann jedoch mit einer Willenserklärung, etwa der Annahme des Angebots, verbunden werden. Ob die Eingangsbestätigung mit der Annahmeerklärung sogleich verknüpft wird, sollte vom Shop-Betreiber gründlich überlegt werden, weil er sich mit der Eingangsbestätigung nicht bindet und so etwaige Fehler im Erklärungsinhalt erkennen sowie den Warenbestand und die Bonität des potenziellen Kunden noch prüfen kann, bevor er die ihn bindende Annahmeerklärung abgibt.45
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Wer aber nur den Eingang der Bestellung bestätigen und nicht zugleich die Annahme des Antrags erklären will, muss sorgfältig auf den Wortlaut der Eingangsbestätigung achten.46 Die Formulierungen „Wir werden Ihre Bestellung unverzüglich bearbeiten“47 oder „Die Bestellung über die nachfolgend aufgelisteten Waren liegt vor“48 werden als Bestätigung des Eingangs, die Mitteilung „Wir werden Ihren Auftrag umgehend ausführen“ wird als Annahmeerklärung ausgelegt.49
16 Ständige Rechtsprechung, vgl. für alle BGH, Urt. v. 24.2.1988 – VIII ZR 145/87, BB 1988, 719. 17 Ausführlich dazu OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.6.2009 – 14 U 622/09, K&R 2010, 58. 18 BGH, Urt. v. 26.1.2005 – VIII ZR 79/04, K&R 2005, 176; BGH, Urt. v. 3.11.2004 – VIII ZR 375/03, K&R 2005, 33; OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.7.2006 – 12 U 91/06, MMR 2006, 819. 19 OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.6.2009 – 14 U 622/09, K&R