Recht im E-Commerce und Internet. Jürgen Taeger
Zur Kontrolle der Plattformen ausführlich Kap. 7. 61 Kremer, in: Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2020, § 28 Rn. 14. 62 Zutreffend gegen eine invitatio ad offerendum Degmair, K&R 2013, 213, 215. 63 Kremer, in: Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2020, § 28 Rn. 15. 64 Dazu das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen v. 25.6.2021, BGBl. I S. 2123. 65 Darstellung der Abläufe bei Feldmann, in: Taeger, Die Welt im Netz, Tagungsband DSRI-Herbstakademie 2011, S. 47, 48ff. 66 Degmair, K&R 2013, 213, 215; Feldmann, in: Taeger, Die Welt im Netz, Tagungsband DSRI-Herbstakademie 2011, S. 47, 49; Wendtland, in: BeckOK-BGB, 2020, § 133 Rn. 27; Wendtland, in: BeckOK-BGB, 2021, § 157 Rn. 8; dazu FG Hamburg, Urt. v. 25.2.2020 – 6 K 111/18, Rn. 64ff. (nicht rechtskräftig). 67 So auch Degmair, K&R 2013, 213, 215; mit anderem Ansatz, aber im Ergebnis zustimmend Feldmann, in: Taeger, Die Welt im Netz, Tagungsband DSRI-Herbstakademie 2011, S. 47, 50; das FG Hamburg, Urt. v. 25.2.2020 – 6 K 111/18, Rn. 66, zieht insoweit eine Parallele zum Ladenkauf, bei welchem auch davon ausgegangen werden darf, dass der Ladeninhaber Vertragspartner wird; a.A. ohne Unterscheidung zwischen Erwerb der App und In-App-Purchase wohl Bisges, NJW 2014, 183, 184. 68 BGH, Urt. v. 27.10.2005 – III ZR 71/05, NJW-RR 2006, 109; Schramm, in: MüKo-BGB, 2018, § 164 Rn. 111. 69 A.A. Degmair, K&R 2013, 213, 215. 70 Kremer, in: Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2020, § 28 Rn. 17. 71 Kremer, in: Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2020, § 28 Rn. 18. 72 FG Hamburg, Urt. v. 25.2.2020 – 6 K 111/18, Rn. 71f. Unerheblich sind die nachfolgenden Erörterungen zur Erkennbarkeit nach dem Kauf in Rn. 73, können diese doch den Vertragsschluss nachträglich nicht mehr einseitig beeinflussen. 73 Kremer, CR 2011, 769, 775. 74 Kremer, in: Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2020, § 28 Rn. 18. 75 Kremer, in: Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2020, § 28 Rn. 19.
V. Vertragsschluss bei Internet-Versteigerungen und Glücksspiel
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Die technischen Möglichkeiten und die Verbreitung des Internet bieten auch für Internet-Versteigerungen und Glücksspiele gute Perspektiven. Wegen der nicht mehr bestehenden praktischen Aktualität soll das Modell des Powershopping als Sonderform der Internet-Versteigerung hier ausgespart werden.76
1. Klassische Versteigerung gemäß § 156 BGB
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Internet-Versteigerungen oder Online-Auktionen sind eine Weiterentwicklung der klassischen Versteigerung. Bei dieser treffen sich meist alle interessierten Bieter in einem Raum, nachdem sie zuvor die zu versteigernde Ware besichtigt bzw. den Auktionskatalog studiert haben, oder sie geben ihre Gebote telefonisch ab. Ein Versteigerer ruft die einzelnen Positionen auf, und die anwesenden bzw. die per Telefon zugeschalteten Bieter geben so lange Gebote ab, bis kein Übergebot mehr erfolgt. Dann erteilt der Versteigerer demjenigen Bieter den Zuschlag, der das höchste Gebot abgegeben hat, ohne hierzu jedoch rechtlich verpflichtet zu sein. In rechtlicher Hinsicht wird durch den Zuschlag gemäß § 156 BGB der Kaufvertrag zwischen Verkäufer und Käufer geschlossen. Der Versteigerer tritt dabei regelmäßig als Vertreter des Verkäufers auf.77
2. Formen von Internet-Versteigerungen
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Ausgehend vom klassischen Bild der Versteigerung mit Versteigerer i.S.d. § 156 BGB haben sich im Internet schnell verschiedene neue Versteigerungsformen entwickelt. Im Wesentlichen sind vier neue Typen von Internet-Versteigerungen entstanden:
1. Live-Versteigerungen sind dem klassischen Modell am ähnlichsten. Dabei wird ein Produkt „live“ über das Internet versteigert. Das aktuelle Gebot wird über die jeweilige technische Plattform allen Bietern mitgeteilt, die online sind. Jeder Bieter kann daraufhin sein Gebot abgeben. Der Bieter mit dem höchsten Gebot erhält den Zuschlag durch einen (ggf. nur virtuellen) Versteigerer.
2. Langzeit-Versteigerungen sind im Internet am weitesten verbreitet. Dabei bietet eine Versteigerungs-Plattform im Internet ein bestimmtes Produkt innerhalb eines festen Zeitraumes (einige Stunden bis einige Wochen) an. Erworben wird das Produkt automatisch von demjenigen Bieter, der bei Ablauf der Bietfrist das höchste Gebot abgegeben hat. Ein Versteigerer im klassischen Sinn existiert nicht.
3. Schließlich werden vereinzelt noch sog. Rückwärtsversteigerungen abgehalten. Dabei wird eine Ware zuerst zu einem meist sehr hohen Ausrufpreis angeboten. Dieser Preis sinkt mit Zeitablauf immer weiter, bis schließlich ein Bieter ein Angebot abgibt und damit einen Kaufvertrag zu dem dann aktuellen Preis abschließt.78 Dieses Prinzip lässt sich sowohl mit dem Prinzip der Live-Versteigerung als auch mit dem der Langzeit-Versteigerung kombinieren.
4. Bei Plattform-Versteigerungen bietet die Versteigerungs-Plattform Dritten nur den technischen und organisatorischen Rahmen, um hier eines der oben genannten Versteigerungsmodelle durchzuführen. Die Rolle der Versteigerungs-Plattform beschränkt sich dabei auf die Zurverfügungstellung der Ressourcen für die Internet-Versteigerung, wie Betreiben der Internet-Plattform einschließlich Zurverfügungstellung von Präsentationsseiten, Katalog-, Such- und Vertragsschlussfunktionen. Angebotsbeschreibung und Vertragsabwicklung liegen jedoch in den Händen der jeweiligen Anbieter auf der Versteigerungs-Plattform.
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Bei der rechtlichen Betrachtung ist es notwendig zu berücksichtigen, welche Versteigerungsform jeweils betroffen ist; denn z.B. sind gewerberechtliche Gesichtspunkte bei Versteigerungen durch Verbraucher dann irrelevant, wenn diese nicht gewerblich betrieben werden, und der Mechanismus des Vertragsschlusses kann ggf. dann zu Herausforderungen führen, wenn Dritte eine Versteigerungs-Plattform für Plattform-Versteigerungen nutzen.
3. Gewerberechtliche Zulässigkeit von Internet-Versteigerungen
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Klärungsbedürftig ist die Vorfrage, ob Internet-Versteigerungen generell oder zumindest in einigen ihrer Ausprägungen unter § 34b Abs. 1 GewO fallen. Wären auch die Internet-Versteigerungen „Versteigerungen“ im Sinne dieser Norm, so wäre z.B. die Versteigerung von Neuwaren unzulässig (§ 34b Abs. 6 Nr. 5b GewO) und der Versteigerer bedürfte gemäß § 34b Abs. 1 GewO der Erlaubnis durch die zuständige Behörde.
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Ausgangspunkt für die Frage der gewerberechtlichen Zulässigkeit muss dabei die hergebrachte Definition des Begriffes „Versteigerung“ sein:
„[Versteigern heißt], innerhalb einer zeitlich und örtlich begrenzten Veranstaltung eine Mehrzahl von Personen aufzufordern, eine Sache oder ein Recht in der Weise zu erwerben, dass diese Personen im gegenseitigen Wettbewerb, ausgehend von einem Mindestgebot, Vertragsangebote (Preisangebote) in Form des Überbietens dem Versteigerer