Recht im E-Commerce und Internet. Jürgen Taeger
Daten durch den Verbraucher differenziert. Die Bereitstellung personenbezogener Daten ist damit aus Sicht des Gesetzgebers kein wirtschaftliches Gut im herkömmlichen Sinne, sondern lässt weiterhin die Möglichkeit einer unentgeltlichen Leistung durch den Unternehmer zu. Anderenfalls würde es sich, wenn der Unternehmer für die Zurverfügungstellung digitaler Produkte oder digitaler Inhalte personenbezogene Daten einfordert, bei dem Vorgang schon gar nicht um eine Schenkung handeln. Die Regelung in § 516a BGB muss man also so verstehen, dass die Bereitstellung der personenbezogenen Daten durch den Verbraucher eine nachgelagerte Folge der Bereitstellung des digitalen Produkts ist. Die Unentgeltlichkeit der Produktbereitstellung bleibt zunächst unberührt; denn der Verbraucher soll das digitale Produkt vom Unternehmer verlangen können. Zum Schutz des Verbrauchers ist jedoch die nachfolgende Bereitstellung der personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der Nutzung des digitalen Produkts, soweit nicht funktionsnotwendig (siehe § 312 Abs. 1a S. 2 BGB), dann ein Entgeltäquivalent, welches die verbraucherschützenden Regelungen in den §§ 327ff. BGB in der Fassung ab dem 1.1.2022 auslöst (dazu ausführlich Kapitel 7.b)) Apps von Drittanbietern
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Werden Apps von Drittanbietern über den App Store bezogen,65 ist fraglich, ob ein Vertrag direkt mit dem Betreiber geschlossen wird oder ob dieser lediglich die Rolle eines Vermittlers zwischen Anbieter und Anwender übernimmt. Insoweit ist auf den objektiven Empfängerhorizont des Anwenders als Adressat des ihm im „App Store“ unterbreiteten Antrags abzustellen.66 Zu diesem Zeitpunkt hat der Anwender mit dem Betreiber regelmäßig einen Vertrag über die Nutzung des App Stores geschlossen, hat den App Store geöffnet und bekommt die jeweils angebotene App als Teil des Angebots in diesem App Store dargestellt. Der Anbieter der App wird gegenüber dem Anwender im Rahmen der Gestaltung der App Stores zwar erkennbar bekannt gemacht. Allerdings wird er nicht als „Verkäufer“ oder „Anbieter“ der App dargestellt, sondern in der Regel als deren „Veröffentlicher“ oder Entwickler. Es fehlt somit regelmäßig an einer Anbieterkennzeichnung nach § 5 Abs. 1 TMG. Auch die Pflichtinformationen nach § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a §§ 1, 3 EGBGB und § 312h Abs. 1 i.V.m. Art. 246c EGBGB werden dem Anwender gegenüber nicht bekanntgemacht. Der Erwerb einer App stellt sich aus Sicht des Anwenders so dar, als habe er es ausschließlich mit dem Betreiber zu tun. Infolgedessen kommt auch nur dieser als Vertragspartner in Betracht.67
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In diesem Licht sind Klauseln in den Nutzungsbedingungen der App Stores, die einen Erwerb der App direkt vom Anbieter begründen wollen, unwirksam. Schon die Einbeziehung einer solchen Klausel in den Vertrag scheitert wegen § 305c Abs. 1 BGB, solange dem Anwender durch den Aufbau und die Gestaltung des App Store eine andere Vorstellung von den Vertragsbeziehungen vermittelt wird, als sie den AGB der Betreiber zugrunde liegt. Darüber hinaus wäre eine solche Klausel auch nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Die Betreiber können nicht für sich in Anspruch nehmen, Vertreter der Anbieter zu sein. Es fehlt in diesem Zusammenhang an einer hinreichenden Erkennbarkeit des Willens, im fremden Namen zu handeln, so wie es § 164 Abs. 2 BGB verlangt (sog. Offenkundigkeitsprinzip). Abzustellen ist dabei ebenfalls auf den objektiven Empfängerhorizont.68 Schon daran scheitert es bei der weiterhin etablierten Gestaltung der App Stores. Mit dem Klick auf den „Kaufen“- oder „Herunterladen“-Button kommt daher ebenfalls ein Kauf- bzw. Schenkungsvertrag zwischen Betreiber und Anwender zustande. Ob dabei nach dem Klick noch eine zusätzliche Passwortabfrage erfolgt, ist unerheblich.69 Eine etwaige Passwortabfrage dient ausschließlich der Autorisierung des Bezahlvorgangs mit dem vom Anwender hinterlegten Zahlungsmittel und soll nicht den Vertragsschluss hinauszögern.70
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Im Ergebnis kommen auch beim Erwerb von Drittanbieter-Apps vertragliche Beziehungen ausschließlich zwischen dem Betreiber und dem Anwender zustande.71 Nach dem FG Hamburg kann dies selbst im Falle des In-App-Kaufes gelten, wenn keine hinreichende Information des Erwerbers über die Verkäuferstellung des Entwicklers vorliegt.72 In der Tat erscheint eine Differenzierung dann nicht geboten, wenn der Eindruck, welcher aufgrund des Erwerbs der App auf der Plattform des Betreibers erweckt wurde, nicht durch transparente Bekundungen vor Abschluss des Kaufvertrags erschüttert wird. Vielmehr darf der verständige Nutzer davon ausgehen, dass diese Zusatzleistungen, also der In-App-Kauf, ebenfalls wie die Grundleistung, also der App-Kauf, vom Plattformbetreiber erbracht werden.
b) Lizenz- oder Nutzungsvertrag zwischen Anbieter und Anwender
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Vertragliche Beziehungen zwischen Anbieter und Anwender kommen daher nach dem oben Gesagten zunächst nicht zustande. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn zwischen dem Anbieter und dem Anwender ein separater Lizenz- oder Nutzungsvertrag begründet wird. Die AGB der Betreiber sehen zu diesem Zweck vor, dass Anbieter gegenüber dem Anwender für ihre Apps eigene Lizenz- und Nutzungsbedingungen verwenden können.73 Außerdem ist es möglich, dass der volle Umfang einer App nur nach vorheriger Registrierung bei deren Anbieter nutzbar ist. Macht der Anbieter von einer dieser Möglichkeiten Gebrauch, so wird zusätzlich ein Lizenzvertrag und/oder Nutzungsvertrag zwischen Anbieter und Anwender begründet. Ob ein solcher Vertrag tatsächlich zustande kommt, hängt davon ab, ob der Anwender auf die Möglichkeit eines zusätzlichen Lizenz- oder Nutzungsvertrags hingewiesen wurde, er der Geltung der Lizenzbedingungen und/oder Nutzungsbedingungen zugestimmt hat und er als Verbraucher gemäß § 305 Abs. 2 BGB zuvor die Möglichkeit hatte, in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen.
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Für den Abschluss eines zusätzlichen Lizenzvertrags kommt es wiederum auf die Gestaltung von App Stores und Apps an. Meist fehlt es insoweit bereits an einem Hinweis innerhalb der App Store-AGB, dass der Anbieter die Möglichkeit hat, eigene Lizenzbedingungen zu vereinbaren, wenn die AGB der Betreiber unwirksam sind. Selbst wenn man unterstellen wollte, dass die AGB der Betreiber voll wirksam wären, würde es an der Möglichkeit zur Kenntnisnahme in zumutbarer Weise und der Zustimmung des Anwenders scheitern. Beim Aufruf der App Stores sind die Lizenzbedingungen, sofern sie überhaupt abgebildet werden, regelmäßig räumlich vom „Kaufen“- oder „Herunterladen“-Button getrennt platziert, sodass für den Anwender nicht erkennbar ist, dass die Lizenzbedingungen mit dem Erwerb der App zu einem Vertragsbestandteil werden sollen.74 Raum für direkte Vertragsbeziehungen zwischen Anbieter und Anwender bleibt somit nicht.
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Etwas anderes gilt aber, wenn die App selbst die Möglichkeit bietet, weitere Produkte oder Dienstleistungen direkt vom Anbieter zu beziehen. Stichwortartig seien hier die oben genannten „In-App-Käufe“ aufgeführt, bei denen der Anwender die Funktionalität der App gegen ein Entgelt erweitern kann, und die „App-Sales“, bei denen innerhalb der App ein Vertrag geschlossen wird, der außerhalb der App abgewickelt wird.75 Ebenfalls in diese Kategorie fällt der Abschluss eines Nutzungsvertrags mit dem Anbieter der App über die mit der App verfügbaren Leistungen (z.B. zur Registrierung in einem Portal, auf welches mit der App zugegriffen werden kann).
52 So auch Sander, CR 2014, 176, 177. 53 Zum Begriff Denker/Hartl/Denker, in: Solmecke/Taeger/Feldmann, Mobile Apps: Rechtsfragen und rechtliche Rahmenbedingungen, 2013, Kap. 1, Rn. 14f. 54 Kremer, in: Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2020, § 28 Rn. 4. 55 Kremer, in: Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2020, § 28 Rn. 4. 56 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177/6. 57 Kremer, CR 2011, 769, 772. 58 EuGH, Urteil v. 28.7.2016 – Az. C-191/15; Martiny, in: MüKo-BGB, 2018, Rom I-VO, Art. 6 Rn. 54. 59 Kremer,