Klimaschutzrecht für Wirtschaft und Kommunen. Christoph Palme
Border Tax Adjustments als grüne Zölle zur Sicherung nationaler oder regionaler Klimaschutzmaßnahmen in Form von CO2-Steuern oder Emissionshandelssystemen sind unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Welthandelsrecht vereinbar.
I. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung
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Da die Europäische Union (EU) kein Staat, sondern lediglich eine supranationale Staatengemeinschaft ist, verfügt sie nur insoweit über Regelungskompetenzen als diese durch die EU-Verträge auf sie übertragen wurden. Dies gilt natürlich auch für die Klimaschutzregulierung.
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Genauer geregelt ist dies in Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV[1]. Nach dem in Art. 5 Abs. 2 Satz 1 EUV nieder gelegten Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung wird die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 EUV alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten bei den Mitgliedstaaten verbleiben.
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Zunächst ist im Zusammenhang mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zu prüfen, ob die EU überhaupt tätig werden kann. Danach ist für jeden verbindlichen Rechtsakt der EU nicht nur eine ausdrückliche, sondern auch die richtige Kompetenzgrundlage zu suchen. Letzteres ist deshalb von Bedeutung, weil die Wahl der Kompetenzgrundlage über Organkompetenz, Handlungsformen und Verfahren entscheidet.[2]
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Für die ausdrücklich der EU zugewiesenen Kompetenzen lässt sich diese Prüfung noch verlässlich durchführen. Schwieriger wird es mit nicht ausdrücklich übertragenen Kompetenzen. Dabei geht es um die sogenannten implied powers.[3] Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind die Vorschriften des europäischen Primär- und Sekundärrechts so auszulegen, dass sie zugleich diejenigen Vorschriften beinhalten, bei deren Fehlen sie sinnlos wären oder nicht in vernünftiger und zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen könnten. Diese Figur ähnelt somit der im deutschen Verfassungsrecht bekannten Figur der Zuständigkeit kraft Sachzusammenhang.[4]
II. Subsidiaritätsprinzip
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Das Subsidiaritätsprinzip ist in Art. 5 Abs. 3 EUV geregelt. Danach soll die EU in Bereichen, die nicht unter ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig werden, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu realisieren sind.[5] Eine Konkretisierung erfährt das Subsidiaritätsprinzip durch das dem Vertrag von Lissabon angehängte Protokoll Nr. 2 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.[6]
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Die genaue Prüfung des Subsidiaritätsprinzips erfolgt zweistufig: Auf einer ersten Stufe muss festgestellt werden, dass die klimapolitische Maßnahme weder auf zentraler noch auf lokaler Ebene der Mitgliedstaaten ausreichend erreicht werden kann. Danach ist auf einer zweiten Stufe noch zu prüfen, ob die klimapolitische Maßnahme wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist.[7]
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Gerade im Bereich des Klimaschutzes sollte das Subsidiaritätsprinzip regelmäßig gut ein Tätigwerden der EU rechtfertigen können, denn nach den Leitlinien des Europäischen Rates von Edinburgh ist insoweit zu prüfen, ob die angestrebte Maßnahme transnationale Aspekte hat, die durch die Mitgliedstaaten nicht zufriedenstellend geregelt werden können.[8] Da Klimaschutz geradezu durch die Notwendigkeit internationalen Handelns definiert ist, wird hier regelmäßig der transnationale Aspekt vorliegen. Auch der sogenannte Test der vergleichenden Effizienz dürfte regelmäßig klimapolitische Maßnahmen der EU rechtfertigen. Darin ist zu prüfen, ob die Mitgliedstaaten die tatsächlichen und finanziellen Mittel zur Erreichung des Ziels des Klimaschutzes zu ihrer Verfügung haben. Zu den Mitteln werden nationale, regionale oder lokale Gesetzgebung sowie freiwillige Vereinbarungen gezählt.[9] Da lokale Maßnahmen wie z.B. klimafreundliche Kommunen nur symbolhaft echte Klimaschutzfortschritte erreichen können, dürfte auch das Effizienzkriterium regelmäßig für ein Tätigwerden der EU sprechen.[10]
1. Klimaschutzpolitik als Umweltpolitik
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Da Klimaschutz mit dem Schutz der Erdatmosphäre zu allererst eine besondere Ausprägung von Umweltschutz ist, kommen vor allem die EU-Umweltkompetenzen nach Art. 191 f. AEUV in Betracht. Art. 191 Abs. 1 Spiegelstrich a.E. AEUV nennt den Klimaschutz sogar ausdrücklich. Dabei ist ein hohes Schutzniveau anzustreben[11] und sind nach Art. 191 Abs. 2 AEUV auch die nachfolgenden Vorgaben zu beachten.
2. Berücksichtigung regionaler Unterschiede
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Es müssen die unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union beachtet werden. Dies kann man beim Klimaschutz deutlich erkennen. So wird z.B. im Rahmen der Lastenverteilung bei der Emissionsminderung Staaten wie Polen, deren Energieversorgung noch zu 80 % aus Kohle besteht, deutlich längere Übergangszeiträume zugestanden als z.B. Deutschland.
3. Vorsorgeprinzip
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Weitere wesentliche Vorgaben sind die Grundsätze der Vorsorge und Vorbeugung. Man soll also nicht erst dann handeln, wenn „das Kind in den Brunnen gefallen ist“. Dies spielte vor allem in der Vergangenheit beim Klimaschutz eine große Rolle, denn lange Zeit war wissenschaftlich noch nicht so klar wie heute belegt, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt und welche Folgen er hat. Trotzdem konnte die EU[12] nach Art. 191 Abs. 2 AEUV vorsorgliche Klimaschutzmaßnahmen betreiben. Eine damit zusammenhängende Vorgabe besteht darin, dass Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen sind. Für den Klimaschutz bedeutet dies, dass die Bekämpfung der Erderwärmung oder zumindest die Begrenzung von CO2-Emissionen Vorrang vor Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel hat. Umgekehrt bedeutet dies aber nicht, dass Anpassungsmaßnahmen nicht zulässig wären. Ganz im Gegenteil sind sie zwingend nötig und inzwischen auch fester Bestandteil von Klimaschutzmaßnahmen in der Europäischen Union.[13]
4. Verursacherprinzip
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Eine weitere zentrale Vorgabe ist das Verursacherprinzip.[14] Es besagt, dass der, der die Umwelt belastet oder ein Risiko einer Belastung setzt, die Kosten hierfür tragen soll.[15] Man spricht hier auch von Internalisierung externer Kosten. Geradezu lehrbuchartig umgesetzt ist dieses Prinzip im EU-ETS. Denn hierdurch wurde ein öffentlich-rechtliches Bewirtschaftungssystem für CO2-Emissionen eingeführt: Die Verschmutzung der Atmosphäre mit CO2 ist nicht mehr kostenlos, sondern es müssen hierfür Verschmutzungsrechte gekauft werden. Damit zahlt Derjenige, der die Atmosphäre beschädigt.