Klimaschutzrecht für Wirtschaft und Kommunen. Christoph Palme

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Maßnahmen auf die Umweltkompetenzen zu stützen sind.[64]

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      Wendet man diese Logik auf Klimaschutzmaßnahmen an, so sind etwa Otto- und Dieselkraftstoffnormen oder andere Normen zur klimapolitisch motivierten Regulierung von Kraftstoffen auf Art. 114 AEUV zu stützen, während Rechtsgrundlage für das komplette Verbot etwa von Verbrennungskraftstoffen Art. 192 AEUV wäre.[65] So handhabte dies die Kommission lange Jahre auch bei den CO2-Emissionsnormen für Kraftfahrzeuge: Solange es um bloße Technikstandards wie die Festsetzung von CO2-Emissionen geht, wählte sie die Rechtsangleichungskompetenz[66], während ein komplettes Verbot von Verbrennungsmotoren auf die Umweltkompetenz gestützt werden müsste. Warum daher die neuesten CO2-Emissionsstandards für Pkw in der VO 2019/1367/EU auf den Umweltkompetenzen basieren sollen, leuchtet daher nicht ganz ein und könnte vor dem EuGH durchaus angreifbar sein, da dieser Kurswechsel vor der Kommission jedenfalls mit dem oben Dargestelltem nicht vereinbar ist.

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      Technische Vorgaben für ortsfeste Anlagen wie z.B. für Kraftwerke, Produktionsprozesse und Industrieanlagen subsumierte der EuGH früher noch generell unter die Rechtsangleichungskompetenz mit der Begründung, nationale Rechtsvorschriften über die Produktionsbedingungen in einem bestimmten Wettbewerbssektor würden zu Wettbewerbsverzerrungen führen.[67] Diese Auffassung hat sich aber zu Recht nicht durchgesetzt.[68] Richtigerweise ist daher auch bei produktions- und anlagenbezogenen Normen danach zu unterscheiden, ob Handelshemmnisse beseitigt werden und gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden sollen – dann Rechtsangleichung – oder ob umweltpolitische Ziele verfolgt werden – dann Umweltkompetenzen.[69] Erst recht gilt die Umweltkompetenz natürlich auch hier bei dem kompletten Verbot bestimmter Produktionsverfahren.

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      Wendet man diese Grundsätze auf klimapolitisch motivierte Vorgaben für Anlagen und Produktionsprozesse an, dürften bestimmte technische Vorgaben zur Reduktion von CO2-Emissionen wegen ihrer hohen Wettbewerbsrelevanz im Sinne eines „level paying fields“ unter die Rechtsangleichungskompetenz fallen, das komplette Verbot bestimmter besonders CO2-intensiver Prozesse hingegen unter die Umweltkompetenz.

4. Abgrenzung von Umwelt- und Energiekompetenzen

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      Zunächst ergibt sich aus dem Energiebelange ausdrücklich ansprechenden Art. 192 Abs. 2 UAbs. 1 Buchst. c AEUV, dass auch auf der Grundlage der Umweltkompetenzen energiepolitische Regelungen ergehen können. Ausgehend davon erfolgt die Abgrenzung nach allgemeinen Kriterien nach dem Schwerpunkt der Maßnahme.[70]

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      Da Rechtsakte wie die EE-Richtlinie klar klimapolitische und damit umweltpolitische Zwecke verfolgen, wären solche Regelungen eigentlich auf die Umweltkompetenzen zu stützen.[71] Die Kommission stützte jedoch die aktualisierte EE-Richtlinie 2018/2001/EG „insbesondere auf Art. 194 Abs. 2“ und damit auf die Energiekompetenzen.[72] Dies lässt sich aber durchaus auch begründen, denn Art. 194 Abs. 1 Buchst. c AEUV spricht ausdrücklich von der Förderung erneuerbarer Energien, worauf sich der Willen des Primärrechts ableiten lassen könnte, diesen Aspekt trotz seiner klar klimapolitischen und damit umweltpolitischen Motivation ausschließlich den Energiekompetenzen zuzuordnen. So wurde daher auch die neue Energieeffizienzrichtlinie 2018/2002/EG auf Art. 194 Abs. 2 AEUV gestützt. Man kann daher jedenfalls für die explizit in Art. 194 Abs. 1 AEUV aufgeführten klimapolitisch motivierten Maßnahmen davon sprechen, dass der Unionsgesetzgeber diese Punkte nunmehr als Teilmenge der Energiepolitik ansehen will.

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      Geht es um massiv in die nationale Souveränität eingreifende Maßnahmen und damit um Eingriffe in die Struktur der nationalen Energieversorgung[73], konkurrieren mit Art 192 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c AEUV und Art. 194 Abs. 2 UA 2 AEUV ebenfalls zwei Kompetenznormen, die aber verschieden ausgestaltet sind. Während Art 192 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c AEUV die nationale Souveränität so schützt, das Einstimmigkeit angeordnet wird (und daher nichts gegen den nationalen Willen beschlossen werden kann), ist Art. 194 Abs. 2 UAbs. 2 AEUV anders aufgebaut: Hier kann trotzdem mit Mehrheit beschlossen werden. Die Maßnahmen müssen aber den Mitgliedstaaten die Möglichkeit belassen, die Bedingungen für die Nutzung ihrer Energieressourcen, ihre Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur ihrer Energieversorgung zu bestimmen.

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      Während also die klimapolitischen Eingriffe in die Souveränität der Mitgliedstaaten auf Basis der Umweltkompetenzen durch ein Veto jeweiligen Mitgliedstaates verhindert werden kann, ist die Rechtsposition der Mitgliedstaaten unter den Energiekompetenzen schwächer: Hier kann sehr wohl gegen ihren Willen entschieden werden und der Schutz erfolgt lediglich über materiell-rechtliche Vorgaben, die dazu noch mit unbestimmten Rechtsbegriffen[74] arbeiten. So könnte man etwa auf Basis des Art. 194 AEUV ein vor allem auf Polen gemünztes Verbot der Kohleverstromung gegen den Willen Polens beschließen und Polen könnte sich nur vor dem EuGH unter Berufung auf Art. 194 Abs. 2 UAbs. 2 AEUV dagegen wehren.

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      Eine klare Abgrenzung zwischen beiden Kompetenzen ist also nicht nur graue Theorie. Legt man die oben vorgestellte Linie der durch Art. 194 Abs. 1 AEUV geschaffenen klimapolitischen Maßnahmen als Teilmenge der Energiepolitik zugrunde, würde für alle stark in die energiepolitische Souveränität der Mitgliedstaaten eingreifenden Maßnahmen nach Art. 194 Abs. 1 AEUV der Souveränitätsschutz nach Art. 194 Abs. 2 UAbs. 2 AEUV gelten und für alle anderen klimapolitisch motivierten Maßnahmen der Souveränitätsschutz nach Art 192 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c AEUV. Nach dieser Logik müsste das beispielsweise das Verbot der Kohleverstromung auf Art 192 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c AEUV gestützt werden, da eine solche Maßnahme nicht in der Enumeration des Art. 194 Abs. 1 AEUV aufgeführt ist.[75]

B. Sekundärrechtsakte I. Mögliche Sekundärrechtsakte

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      Die EU hat im Rahmen ihrer Klimaschutzkompetenzen verschiedene Möglichkeiten, tätig zu werden, je nachdem welche Art von Sekundärrechtsakt sie wählt. Da die Rechtsfolgen erheblich unterschiedlich sein können, werden mögliche Arten von Sekundärrechtsakten vorab kurz dargestellt. Aufgeführt sind diese Möglichkeiten in Art. 288 AEUV, wonach für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union die Organe Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen annehmen können.

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      Die auch in der Klimaschutzpolitik häufigste Rechtsform ist die Richtlinie. Sie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch nach Art. 288 Abs. 3 AEUV den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Dies bedeutet, dass es bei Richtlinien einen zweistufigen Rechtssetzungsprozess gibt. Die Richtlinie selbst richtet sich im Grundsatz nur an den Mitgliedstaat und entfaltet noch keinerlei Wirkung gegenüber dem Einzelnen. Dies erfolgt dann erst durch die innerstaatliche Umsetzung. So hat beispielsweise die Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG für in Deutschland unter das


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