Klimaschutzrecht für Wirtschaft und Kommunen. Christoph Palme

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ist alleine das deutsche Treibhaus-Emissionshandelsgesetz TEHG.

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      Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen. Die erste Ausnahme ist die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Klimaschutzrechts. Lässt also das TEHG mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, ist immer diejenige Variante zu nehmen, welche am ehesten der Richtlinie entspricht. Die zweite Ausnahme ist die sogenannte unmittelbare Wirkung. Diese gilt aber nur für begünstigende Richtlinien-Normen und außerdem nur dann, wenn diese Norm hinreichend genau ist und dem Mitgliedstaat keinerlei Umsetzungsermessen mehr einräumt. Ist dies aber der Fall, bricht sie sogar entgegenstehendes deutsches Klimaschutzrecht. Ein Beispiel wäre die zwingende Freistellung bestimmter Branchen aus dem EU-ETS, welche das deutsche TEHG aber dem ETS unterwirft. Hier könnte sich ein deutsches Unternehmen unmittelbar unter Berufung auf eine entsprechende Freistellung in der Richtlinie gegen den Wortlaut des deutschen TEHG gegen seine Emissionshandelspflicht vor den deutschen Gerichten wehren.[76]

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      Völlig anders funktionieren Verordnungen im Sinne des EU-Rechts. Diese haben nach Art. 288 Abs. 2 AEUV allgemeine Geltung, sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Hier bedarf es also keines deutschen Umsetzungsaktes mehr. Verordnungen haben somit die gleiche Wirkung wie ein deutsches Gesetz. Jeder muss sich daran halten. Kommt es zu Kollisionen mit deutschen Bestimmungen, geht die EU-Verordnung als ranghöheres Recht vor. Ein Beispiel für eine solche EU Verordnung im Bereich Klimaschutz ist die VO 2019/631 mit Vorgaben zur CO2-Flottenverbrauchs-Emissionsreduktion bei Kraftfahrzeugen.[77]

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      Bei Beschlüssen handelt es sich in der Regel[78] nicht um Rechtsetzung, sondern um eine Tätigkeit der europäischen Exekutive. Beschlüsse sind in allen ihren Teilen verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nach Art. 288 Abs. 4 AEUV nur für diese verbindlich. Unter die Rechtsform des Beschlusses fallen somit zwei Kategorien. Zum einen die dem deutschen Verwaltungsakt vergleichbare Einzelfallentscheidung. Diese kann von der Kommission an einzelne EU Bürger/Unternehmen oder aber auch an einzelne Mitgliedstaaten ergehen. Ein Beispiel für einen solchen adressatenbezogenen Beschluss könnte die Anordnung der Kommission im Rahmen der Klimaschutzgrundverordnung 2018/842/EU an Deutschland sein, bei Überschreiten seiner Emissionszuweisung CO2-Kontingente von anderen Mitgliedstaaten zu kaufen.[79] Ein Beispiel für einen nicht adressatenbezogenen Beschluss aus dem Bereich des Klimaschutzrechts wäre der Beschluss 2016/1841/EU des Rates zum Beitritt des Pariser Klimaschutzabkommens.[80]

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      Empfehlungen und Stellungnahmen sind nach Art. 288 Abs. 5 AEUV rechtlich unverbindlich, können also kein hartes Recht setzen oder gar durchsetzen. Das heißt aber nicht, dass sie rechtlich völlig bedeutungslos wären. So können sie zur „weichen“, influenzierenden Steuerung eingesetzt werden und sie haben psychologisch-politische Wirkungen. Außerdem hat der EuGH entschieden, nationale Gerichte hätten Empfehlungen zur Auslegung innerstaatlicher, Gemeinschaftsrecht durchführender Rechtsvorschriften oder zur Ergänzung verbindlicher gemeinschaftlicher Vorschriften heranzuziehen.[81] Während Empfehlungen dem Adressaten ein bestimmtes Verhalten nahelegen, enthalten Stellungnahmen häufig eine sachverständige Meinungsäußerung.[82] Beispiele im Klimaschutzbereich wären die Empfehlungen der Kommission im Rahmen der Governance-Verordnung an die Mitgliedstaaten zur Erreichung der Ausbauziele in Sachen erneuerbare Energien und Energieeffizienz.[83]

II. Klimaschutzstrategie der EU

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      Es existieren inzwischen zahlreiche auf Basis des oben dargestellten Primärrechts erlassene Sekundärrechtsakte. Diese stehen aber nicht unvermittelt nebeneinander, sondern sind Ausfluss der sogleich darzustellenden EU-Klimaschutzstrategie, mit der der EU die Ziele des Pariser Abkommens erreichen will, also bis zum Jahr 2030 die EU-internen Treibhausgasemissionen um mindestens 55 % im Vergleich zum Jahr 1990 zu reduzieren.

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      Zunächst ist hier wichtig zu wissen, dass die EU dieses Ziel europaweit denkt und nicht auf Basis der einzelnen Mitgliedstaaten. Die wichtigste Konsequenz hieraus sind Flexibilitätsmechanismen: Wenn ein Land sein Reduktionsziel nicht erreicht, können zum Ausgleich[84] andere Länder einspringen und umgekehrt.

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      Konkret verfolgt die EU ihr Klimaschutzziel mit einer Drei-Säulen-Strategie. Diese unterscheidet nach Sektoren.[85] Im Rahmen der ersten Säule nehmen bestimmte Anlagen der Energiewirtschaft und Industrieanlagen sowie der europäische Luftverkehr am ETS teil. Die zweite Säule umfasst insbesondere die Sektoren Gebäude, Verkehr und landwirtschaftliche Abfälle. Die dritte Säule umfasst die Bereiche Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF).

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      In den Sektoren der ersten Säule – Anlagen der Energieerzeugung und der energieintensiven Industrie sowie innereuropäischer Luftverkehr – wurden im Jahr 2016 rund 40 % der Treibhausgase in der EU emittiert.[86] Mithilfe des EU-ETS sollen die Emissionen dieser Sektoren um 43 % bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Basisjahr 2005 sinken[87].

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      In der zweiten Säule befinden sich die Sektoren Gebäudewirtschaft und Verkehr sowie all diejenigen Industrie- und Gewerbebetriebe, die nicht vom ETS erfasst sind. Hier sollen bis zum Jahr 2030 die Emissionen um 30 Prozent gegenüber den Werten des Jahres 2005 reduziert werden.[88] Dieses generelle Ziel wird dann noch in verbindliche konkrete nationale Ziele aufgeschlüsselt.[89] In Deutschland beispielsweise sollen in diesen Sektoren die Emissionen bis 2030 um 38 % gegenüber dem Referenzjahr 2005 gesenkt werden.

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      Leider angesichts des großen Anteils an der Verschlechterung des Weltklimas sehr bescheiden soll der Beitrag der dritten Säule Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft sein. Hier soll lediglich eine Minusbilanz verhindert werden. Die Treibhausgasemissionen sind vollständig durch einen entsprechenden Abbau von CO2 aus der Atmosphäre (Senken) durch Maßnahmen aus diesem Sektor auszugleichen.[90] Umgesetzt werden soll durch die VO 2018/841/EU.[91]

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      Bevor auf die einzelnen konkreten Teilbereiche eingegangen wird, sind vorab zwei grundlegende, sozusagen die Verfassung und den Rahmen für die europäische Klimaschutzpolitik absteckende Sekundärrechtsakte darzustellen. Zum einen ist dies die Verordnung 2018/1999/EU[92] zu einem Governance System für die Energieunion und den Klimaschutz und zum andern die Klimaschutzverordnung 2018/842/EU[93], in deren Rahmen verbindliche nationale Jahresziele für die Emissionsminderung festgelegt werden.

1. Klimaschutz-Governance-Verordnung
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