Klimaschutzrecht für Wirtschaft und Kommunen. Christoph Palme

Klimaschutzrecht für Wirtschaft und Kommunen - Christoph Palme


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Klimaschutzrecht gibt es außerdem Ansätze für eine weltweite Verlinkung regionaler ETS. So ist es den Industrieländern erlaubt, untereinander mit Emissionsrechten zu handeln. Jeder Staat bekommt gemäß der jeweils im Kyoto-Protokoll festgesetzten Stabilisierungs- oder Minderungsverpflichtung eine bestimmte Menge an Emissionsrechten (Assigned Amount Units – AAU) zugeteilt. Reduziert ein Land mehr als mit dem Zielwert festgelegt, kann es überschüssige Emissionsrechte in Form von AAU an ein anderes Land verkaufen, das es nicht geschafft hat, sein Ziel zu erreichen.

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      Das Grundprinzip des ETS ist schnell erklärt: Alle vom ETS erfassten Anlagen unterliegen nach Art. 4 RL 2003/87/EG einer Genehmigungspflicht, damit sie Treibhausgase emittieren können. Diese Genehmigung wird aber nur unter der Voraussetzung erteilt, dass sich die Unternehmen verpflichten, quantifizierte Emissionsrechte („Zertifikate“) zu erwerben, welche jeweils die Menge an CO2-Emissionen abdeckt, die sie in einem Jahr verursachen.[139] Im folgenden Jahr müssen dann nach Art. 12 Abs. 3 RL 2003/87/EG die den CO2-Emissionen entsprechenden Zertifikate bis spätestens 30. April bei den Emissionshandelsstellen der Mitgliedstaaten zur Löschung abgegeben werden. Die ökonomische Überlegung dahinter ist, die CO2-Reduktion nicht starr, sondern kosteneffizient zu erreichen. Denn wenn die Emission von CO2 einen bestimmten Preis – etwa von 50 € pro Tonne CO2 – hat, haben die Unternehmen die Wahl: Sie können entweder die nötigen Zertifikate erwerben oder sie investieren in die Reduktion von CO2. Bei einem CO2-Preis von 50 € pro Tonne CO2 würden dann also alle diejenigen Unternehmen, für die eine Reduktion von CO2 mit Kosten von unter 50 € pro Tonne CO2 möglich ist, CO2-Emissionen reduzieren, während die Unternehmen, bei denen das nicht möglich ist, die entsprechenden Zertifikate kaufen. Möglich ist auch, nicht benötigte Zertifikate für einen eventuell innerhalb der Zuteilungsperiode auftretenden Bedarf anzusparen.[140] Auf diese Weise kommt es dazu, dass die CO2-Reduktion volkswirtschaftlich am kosteneffizientesten geschieht. Darin liegt der Vorteil gegenüber starren Grenzwerten, bei der alle Unternehmen gleich reduzieren müssten, egal wieviel die CO2-Reduktion kostet. Die Emission einer Tonne CO2 erhält auf diese Weise einen Preis auf dem Emissionshandelsmarkt. Die Unternehmen können nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten darüber befinden, ob sie selbst ihre Emissionen reduzieren oder Zertifikate zukaufen wollen.

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      Das Prinzip Cap and Trade bedeutet, dass die Emissionszertifikate vom Staat nicht unbegrenzt ausgegeben werden. Vielmehr wird für die gesamte EU für jedes Jahr und jede Handelsperiode nur eine begrenzte Anzahl von Zertifikaten ausgegeben, so dass sich wegen der Knappheit ein Preis für CO2 bildet, der einen Anreiz setzt, in mehr Klimaschutz zu investieren. Da das Cap von Jahr zu Jahr gesenkt wird, werden die Zertifikate mit der Zeit immer teurer, so dass es sich tendenziell für immer mehr Unternehmen lohnt, in Klimaschutz zu investieren, als Zertifikate zu kaufen.[141] Damit ist die Höhe des CO2-Preises der entscheidende Faktor für die klimapolitische Wirksamkeit des ETS.

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      Da jedoch nach Art. 10 RL 2003/87/EG für die Zuteilungsperioden 2005 bis 2008 die Mitgliedstaaten 95 % der Zertifikate und für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2013 noch 90 % der Zertifikate kostenlos zuteilten, war das ETS lange Zeit „ein zahnloser Tiger“. Hinzukam, dass in den Anfangsjahren die Zuteilungen nicht zentral durch die EU erfolgten, sondern auf nationaler Ebene durch nationale Zuteilungspläne[142], bei deren Aufstellung die Mitgliedstaaten einen großen Spielraum hatten[143] und die Kommission diese Zuteilungen nur sehr begrenzt auf ihre Vereinbarkeit mit dem europäischen Wettbewerbsrecht überprüfen konnte und nach Art. 11 Abs. 3 RL 2003/87/EG lediglich sicherstellen durfte, dass auch neuen Marktteilnehmern der Zugang zu den Zertifikaten ermöglicht wird. Im Endeffekt führte dies jedenfalls in den Anfangsjahren dazu, dass die Mitgliedstaaten in so großzügiger Weise Zertifikate zuteilten, dass sich die Preise lange Zeit nur zwischen 3 und 5 € pro Tonne CO2 bewegten und so keinerlei Anreiz zur Senkung von CO2-Emissionen bestand, was zu erheblicher Kritik führte.[144]

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      Entsprechend reagierte der Gesetzgeber und novellierte die Emissionshandelsrichtlinie sukzessive in den Jahren 2009, 2015 und 2018.

      So wurde das ETS durch die RL 2009/29/EG grundlegend novelliert. Seit 2013 gibt es in der EU für große Anlagen der Industrie und der Energiewirtschaft nur noch ein einheitliches Emissionsbudget (Cap). Nationale Zuteilungen und die damit verbundene Möglichkeit der „Verwässerung“ zugunsten der eigenen Industrie gehören damit der Vergangenheit an.[145] Das EU-weite Cap und die europaweit einheitlichen Zuteilungsregeln schaffen einheitliche Wettbewerbsbedingungen in den Mitgliedstaaten und lösen die nationalen Emissionshandelsregelungen weitgehend ab. Bei gleichen Regeln für alle sind in Zukunft die effizientesten Unternehmen im Vorteil. Allerdings gibt es auch nach der Hochzonung auf die EU immer noch die eine oder andere Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, durch politische Einflussnahme die Zertifikatspreise zu senken.[146]

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      Die Gesamtmenge von Emissionshandelsberechtigungen sinkt kontinuierlich um 1,74 % pro Jahr im Vergleich zur durchschnittlichen jährlichen Gesamtzuteilung in der EU von 2008 bis 2012, Art. 9 RL 2009/29/EG. Auch wird seit 2013 die Versteigerung von Zertifikaten erheblich ausgeweitet und damit die kostenlose Zuteilung reduziert.[147] So muss z.B. nach Art. 10a Abs. 1 UAbs. 3 Satz 2 RL 2009/29/EG der gesamte Stromsektor die Emissionsberechtigungen komplett ersteigern, da die Kraftwerksbetreiber die Preise der Emissionsberechtigungen schon bislang vollständig an die Stromkunden weitergeben konnten und somit hier keine Gefahr von Carbon Leakage besteht. Für Anlagen der Industrie und für die Wärmeproduktion erhalten die Betreiber einen abnehmenden Anteil ihrer Zuteilung kostenlos. Der Auktionsanteil stieg nach Art. 10a Abs. 11 RL 2009/29/EG im Zeitraum 2013 bis 2020 von 20 % auf 70 %.

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      Als kurzfristige Lösung für das Überangebot von Zertifikaten hat die Kommission die Versteigerung von 900 Mio. Emissionszertifikaten auf 2019–2020 verschoben. Dieses Backloading von Versteigerungsmengen ändert nichts an der Gesamtzahl der in Phase 3 zu versteigernden Zertifikate, sondern ändert lediglich die Verteilung der Versteigerungen über diesen Zeitraum. Der Menge der versteigerten Zertifikate wurde gekürzt um 400 Mio. im Jahr 2014, 300 Mio. im Jahr 2015 und 200 Mio. im Jahr 2016.[148]

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      Eine langfristige Strategie zur Verknappung der Preise war die Einführung einer sogenannten Marktstabilitätsreserve durch den Beschluss 2015/1814/EG.[149] Die Reserve ist seit Januar 2019 wirksam. Damit soll dem bestehenden Überschuss an Zertifikaten entgegengewirkt werden und durch Anpassung des Angebots an zu versteigernden Zertifikaten die Widerstandsfähigkeit des Systems gegen stärkere Erschütterungen verbessern. So wurde für den Zeitraum 2014–2016 eine Anzahl von 900 Mio. Zertifikaten zurückgehalten und auch nicht 2019–2020 versteigert, sondern in die Reserve überführt. Nicht zugeteilte Zertifikate werden ebenfalls der Reserve zugeschlagen. Marktanalysten schätzen, dass rund 550 bis 700 Mio. Zertifikate bis 2020 nicht zugeteilt sein könnten. Im Mai 2021 forderte die grüne Fraktion im Europaparlament einen CO2-Preis von 150 € bis 2030 und ab 2023 einen Mindestpreis von 50 €.[150]

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