Klimaschutzrecht für Wirtschaft und Kommunen. Christoph Palme
So streng ist die neue EE-Richtlinie hingegen nicht. Sie schreibt in Art. 4 Abs. 2 RL 2018/2001/EU lediglich eine marktbasierte und marktorientierte Förderung vor, zu denen andere Mechanismen als Ausschreibungen gehören können. Da Leitlinien keinen verbindlichen Rechtscharakter haben, geht diese flexiblere Vorgabe aus der EE-Richtlinie vor mit der Folge, dass die Mitgliedstaaten nicht zwingend ein Ausschreibungssystem wählen müssen, wenn es auch eine andere marktbasierte und marktorientierte Förderung gibt.
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Klare Vorgaben in Bezug auf die grenzüberschreitende Öffnung der Fördersysteme enthielt noch der ursprüngliche Richtlinienvorschlag der Kommission. Danach sollten die Mitgliedstaaten verpflichtend grenzüberschreitend bei der Förderung erneuerbarer Energien zusammenarbeiten. Mindestens 10 % der in jedem Jahr zwischen 2021 und 2025 und mindestens 15 % der in jedem Jahr zwischen 2026 und 2030 neu geförderten Kapazität sollten für Anlagen in anderen Mitgliedstaaten geöffnet werden.[178] Damit konnte sich die Kommission aber letztlich nicht durchsetzen. Die Rechtslage ist jetzt so, dass die Mitgliedstaaten die in einem anderen Mitgliedstaat produzierte Elektrizität aus erneuerbaren Quellen fördern können, dies aber nicht müssen. Auch gibt es hierfür nach Art. 5 Abs. 1 RL 2018/2001/EU nur noch unverbindliche Richtgrößen.
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Mehr Substanz haben hingegen die neu eingeführten Regeln zum Vertrauens- und Investitionsschutz. So dürfen nach Art. 6 Abs. 1 RL 2018/2001/EU die Höhe und die Bedingungen der für Projekte im Bereich erneuerbare Energie gewährten Förderung nicht nachträglich in einer Weise überarbeitet werden, die sich negativ auf die daraus erwachsenden Rechte auswirkt und die Rentabilität von bestehenden Projekten infrage stellt. Diese Vorschrift könnte sich durchaus noch als effektiver Schutzschirm gegen den ja leider sehr oft ruckartig und nicht selten auch mit Rückbezug arbeitenden deutschen EEG-Gesetzgeber erweisen. Auch sollen nach Art. 16 Abs. 4 RL 2018/2001/EU die Genehmigungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden und regelmäßig nicht länger als zwei Jahre dauern.
8. Umsetzung in Deutschland
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Die EE-Richtlinie wird in Deutschland im Wesentlichen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) umgesetzt.[179]
1. CO2-Relevanz von Produkten
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Industriell gefertigte Produkte spielen eine zentrale Rolle beim Klimaschutz. Sie prägen einerseits maßgeblich Wohlstandsniveau und Lebensqualität von Gesellschaften. Gleichzeitig sind solche Produkte für einen großen Teil des Verbrauchs von Energie[180] verantwortlich. Das gilt vor allem für Produkte, die während ihrer Nutzung Energie verbrauchen oder den Verbrauch von Energie signifikant beeinflussen. So wird etwa die Informations- und Kommunikationstechnik weltweit für Treibhausgasemissionen in gleicher Höhe verantwortlich gemacht wie der gesamte Flugverkehr. Die Kommission schätzt, dass 30 % des Primärenergieverbrauchs und 40 % der CO2-Emissionen auf die Herstellung und Nutzung von Produkten entfallen.[181] Absatz und Gebrauch energieverbrauchender Produkte werden in Zukunft weiter zunehmen. Im Interesse einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung ist es daher angezeigt, den Produkten zuzurechnenden Energie- und Ressourcenverbrauch zu verringern.[182] Ausgehend von der Erkenntnis, dass der allergrößte Teil der von einem Produkt ausgehenden CO2-Emissionen bereits während der Produktgestaltung, dem Produktdesign angelegt wird,[183] liegt es nahe, gerade bei diesem Ökodesign schon anzusetzen. Diesen Ansatz verfolgt die Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG[184].
2. Konzept der integrierten Produktpolitik (IPP)
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Die Richtlinie verfolgt das Konzept der integrierten Produktpolitik. Das IPP-Konzept verfolgt eine Strategie zur Stärkung und Neuorientierung produktbezogener klimapolitischer[185] Maßnahmen mit dem Ziel, die Entwicklung eines Marktes für klimafreundlichere[186] Produkte zu fördern. Dabei soll die CO2-Bilanz[187] von Produkten während ihres gesamten Lebenszyklus vom Abbau der Rohstoffe über die Herstellung, den Vertrieb, die Verwendung bis hin zur Abfallentsorgung bzw. -wiederverwendung verringert werden.[188]
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Die Integrierte Produktpolitik richtet sich gleichermaßen an Hersteller und Verbraucher. Die Maßnahmen beziehen sich sowohl auf Regelungen über das klimafreundliche Produktdesign wie auch auf die Bereitstellung von Informationen und Anreizen für Verbraucher, damit klimafreundlichere Produkte vermehrt nachgefragt werden. Es basiert auf der Erkenntnis, dass für zahlreiche Produkte erhebliches Potential zur Verringerung von THG-Emissionen besteht, vor allem durch Steigerung der Energieeffizienz.
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Allerdings bietet der Markt derzeit noch nicht genügend Anreize für die flächendeckende Erschließung von Effizienzstandards, die technisch ohne Weiteres erreichbar wären. Man kann daher von einem Marktversagen sprechen. Dem will der EU-Gesetzgeber mit der Ökodesign-Richtlinie entgegen steuern.
3. Erfasste Produkte
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Die Richtlinie gilt für alle energieverbrauchsrelevanten Produkte. Der Anwendungsbereich ist denkbar weit, denn die Richtlinie versteht nach Art. 2 Nr. 1 RL 2009/125/EG darunter jeden Gegenstand, dessen Nutzung den Verbrauch von Energie in irgendeiner Weise beeinflusst. Es geht also nicht nur um den Verbrauch von Energie während der Nutzung, sondern auch um den Energieverbrauch bei der Herstellung des Produkts. Es sind sogar Produkte erfasst, die selbst keine Energie verbrauchen, aber während ihrer Nutzung den Verbrauch von Energie beeinflussen.[189] Allerdings sind nach Art. 1 Abs. 3 RL 2009/125/EG Verkehrsmittel zur Personen- oder Güterbeförderung ausgenommen.
Da es aber administrativ ineffizient wäre, jedes sich auch noch so gering auf CO2-Emissionen auswirkende Produkt zu regulieren, konzentriert sich die Richtlinie auf signifikante Energieeinsparungen und stellt daher Kriterien auf, die erfüllt sein müssen, wenn sie durch die Ökodesign-Richtlinie reguliert werden sollen. So muss das Verkaufs- und Handelsvolumen des Produkts erheblich sein; als Richtwert dient dabei nach den neuesten vorliegenden Zahlen innerhalb eines Jahres in der Gemeinschaft eine Anzahl von mehr als 200.000 Stück, Art. 15 Abs. 2 Buchst. a RL 2009/125/EG. Außerdem muss das Produkt nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. b RL 2009/125/EG eine erhebliche Umweltauswirkung in der Gemeinschaft gemäß den in dem Beschluss Nr. 1600/2002/EG festgelegten strategischen Prioritäten der Gemeinschaft haben und nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. c RL 2009/125/EG schließlich muss das Produkt ein erhebliches Potenzial für eine Verbesserung seiner Klimaverträglichkeit[190] aufweisen.
4. Regelungskonzept
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Die Ökodesign-Richtlinie ist eine Rahmenrichtlinie, die selbst noch keine konkreten Produktanforderungen enthält. Diese werden erst von der Kommission jeweils für einzelne Produktgruppen unter maßgeblicher Beteiligung der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments und nach Anhörung der betroffenen Industrie sowie der Umwelt- und Verbraucherverbände in gesonderten Durchführungsmaßnahmen festgelegt.[191] Sind sie dann so festgelegt, dürfen sie nach Art. 3 Abs. 1 RL 2009/125/EG in der EU nur noch so auf den Markt gebracht werden. Hierfür haben die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 2 RL 2009/125/EG eine wirksame Marktüberwachung sicherzustellen.
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Bei der Überwachung