Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer

Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen - Kurt Schellhammer


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433 II ist Anspruchsgrundlage für den Kaufpreisanspruch des Verkäufers, § 823 I für einen außervertraglichen Schadensersatzanspruch des Geschädigten.

      6.2 Die Gegennormen

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      Gegennormen regeln dreierlei:

- erstens, dass ein Anspruch ausnahmsweise nicht entstehe, obwohl alle Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage erfüllt sind;
- zweitens, dass der Anspruch, nachdem er entstanden ist, erlösche;
- drittens, dass der Anspruch gehemmt oder beschränkt werde, obwohl er noch besteht.

      Gegennormen verhindern, zerstören oder hemmen den Anspruch. Sie begründen Einwendungen und Einreden gegen den Anspruch. Rechtstechnisch sind sie Ausnahmen von der Anspruchsgrundlage.

      Beispiele

- Anspruchshindernde Einwendungen begründen: Geschäftsunfähigkeit (§ 105), Scheingeschäft (§ 117 I), gesetzliches Verbot (§ 134), Sittenverstoß (§ 138) und Kenntnis vom Sach- oder Rechtsmangel (§§ 442 I, 640 III).
- Anspruchsvernichtende Einwendungen begründen: Erfüllung (§ 362), Leistung an Erfüllungs statt (§ 364), Hinterlegung (§ 378), Aufrechnung (§ 389), Erlass (§ 397) und Leistungsunfähigkeit (§ 275 I).
- Anspruchshemmende Einreden begründen: Verjährung (§ 214 I), Stundung, Zurückbehaltungsrecht (§§ 273, 274, 320), Dürftigkeit und Erschöpfung des Nachlasses (§§ 1989, 1990).

      Anspruchshindernde Gegennormen erkennt man meistens an ihrer negativen Formulierung, die sie als Ausnahmen ausweist.

      Beispiele

      „… ist ausgeschlossen, wenn …“ (§ 442 I BGB; § 7 II StVG); „… tritt nicht ein, wenn …“ (§ 831 I 2); „… gilt nicht, wenn …“ (§ 280 I 2); „… ist nicht verantwortlich …“ (§§ 827 S. 1, 828 I, II); „… es sei denn, dass …“ (§§ 145, 178).

      Rechtsvernichtende Einwendungen sind auch die gesetzlichen Ausschlussfristen der §§ 121, 124, 469 II, 626 II, 2283 BGB; § 46 I 2 WEG; § 377 HGB. Das befristete Recht erlischt, wenn es nicht rechtzeitig ausgeübt wird. Dieser Rechtssatz besteht freilich aus zwei Sätzen. Satz 1 lautet: Das Recht erlischt mit Fristablauf. Also muss der Gegner Beginn und Ablauf der Ausschlussfrist beweisen[37]. Satz 2 lautet: Das Recht erlischt nicht, wenn der Berechtigte es rechtzeitig ausübt. Also muss der Berechtigte den Zeitpunkt der Rechtsausübung beweisen[38]. Satz 2 ist eine Ausnahme von Satz 1.

      6.3 Die Ausnahmen von Gegennormen

      Auch Gegennormen haben ihre Ausnahmen: Das Recht bleibt erhalten, obwohl der Tatbestand der Gegennorm erfüllt ist. Die Beweislast für rechtserhaltende Tatsachen aber trägt, wer das Rechts geltend macht[39].

      Beispiele

- Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts (§ 144);
- Hemmung und Neubeginn der Verjährung (§§ 203 ff., 212);
- Aufrechnungshindernis (§§ 390, 394);
- Erlöschen des Rücktrittsrechts (§§ 350–352).
Bild 7: Die Behauptungs- und Beweislast am Beispiel der Kaufpreisklage
Anspruchsteller (Verkäufer) Anspruchsgegner (Käufer)
anspruchsbegründende Tatsachen Abschluss eines Kaufvertrags bestimmten Inhalts (§ 433 II)
anspruchshindernde Tatsachen Geschäftsunfähigkeit (§ 105) Sittenwidrigkeit (§ 138)
anspruchsvernichtende Tatsachen Erfüllung (§ 362) Aufrechnung (§ 387) Rücktritt (§§ 346, 323, 437)
anspruchshemmende und -beschränkende Tatsachen Verjährung (§ 214 I) Nichterfüllungseinrede (§ 320) Stundung
anspruchserhaltende Tatsachen Hemmung oder Neubeginn der Verjährung (§§ 203–213)

      6.4 Die Hilfsnormen

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      Die meisten Vorschriften des BGB sind allerdings weder Rechtsgrundlagen noch Gegennormen, sondern Hilfsnormen ohne eigene Rechtsfolge, wenn man als Rechtsfolge nur die Entstehung, den Ausschluss und die Hemmung oder Beschränkung von Rechten gelten lässt. Es handelt sich um technische Regeln, um Definitionen, Formvorschriften oder Fristen, dazu bestimmt, eine Anspruchsgrundlage oder Gegennorm zu ergänzen.

      Beispiele

- §§ 90–92 (Sachen), § 104 (Geschäftsunfähigkeit), § 106 (Minderjährigkeit), §§ 126–129 (gesetzliche und vereinbarte Form des Rechtsgeschäfts), §§ 186–193 (Fristen), §§ 194–201 (Verjährung),
- §§ 269–271 (Ort und Zeit der Leistung), §§ 276–278 (was der Schuldner zu vertreten hat), § 286 (Verzug), §§ 434, 435, 633 II, III (Sach- und Rechtsmangel),
- § 872 (Eigenbesitz), § 925 I (Auflassung), § 1115 I (Eintragung der Hypothek),
- § 1923 (Erbfähigkeit), §§ 1924–1926 (gesetzliche Erbfolge).

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      Die Behauptungs- und Beweislast macht auch vor negativen Tatsachen nicht halt. Man kann sie zwar nur schwer beweisen, aber unbeweisbar sind sie nicht. Enthält der Tatbestand der Anspruchsgrundlage ein negatives Merkmal, muss der Anspruchsteller auch dafür geeignete Tatsachen behaupten und im Streitfall beweisen. Die gleiche Last trägt der Anspruchsgegner, wenn zur Einwendung oder Einrede eine negative Tatsache gehört.

      Beispiele

       Negative Anspruchsvoraussetzung:


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